"Crash" - Werke der Installationskünstlerin Lee Bul, Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau, 29. September 2018 bis 13. Januar 2019
Zwischen Verstörung und Verzauberung
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Unter dem Titel "Crash" zeigt der Berliner Martin-Gropius-Bau die erste große Ausstellung der Koreanerin Lee Bul in Deutschland. Die eigenwillige Installationskünstlerin nimmt das Gescheiterte, nicht Perfekte in den Blick.
Die Vergangenheit ruht in einem Riesenbergkristall und hängt als nacktes Männchen von der Decke: Der Militärdiktator Park Chung Hee: Einmal im Schneewittchensarg und einmal als Engel ohne Flügel. Es ist die Arbeit der koreanischen Künstlerin Lee Bul, die die Vergangenheit am augenfälligsten zitiert.
Ihre Eltern gehörten zur Opposition
Als der Diktator 1979 erschossen wurde, begann Lee Bul ihr Kunststudium. Politisch, verspielt, nie direkt, war ihre Kunst schon immer, so wie ihr Leben von Kindheit an von Politik geprägt war: Ihre Eltern gehörten zur Opposition gegen die Diktatur. In den 80er-Jahren, als Studierende immer wieder für mehr Demokratie auf die Straßen gingen, machte sich Lee Bul den öffentlichen Stadtraum auf ihre Weise zu eigen.
"Was wir hier sehen sind Kostüme, hier sind die Füße und da oben kommt der Kopf raus…", erklärt die Direktorin des Martin-Gropius-Baus und Kuratorin der Ausstellung "Lee Bul: Crash", Stephanie Rosenthal. Von der Decke hängen die Kostüme: wie blutige Fat-Suits aus einem Zombie-Albtraum.
"Man kann sich kaum vorstellen, dass diese zierliche Frau in diesen riesigen, amorphen Skulpturen durch die Straßen gelaufen ist."
Performances in den Zeiten politischer Unruhen
Und doch hat Lee Bul damit Ende der 80er-Jahre die ersten Performances in Korea veranstaltet. Es war die Zeit politischer Unruhen und des koreanischen Wirtschaftsbooms. Radios, Kassettenrecorder und Fernseher "made in Korea" wurden zum Exportschlager.
Der Technikeuphorie stellte sie, Lee Bul, in den 90er-Jahren ihre körper-versehrten Cyborgs entgegen. Lebensgroße Plastiken unvollständiger Maschinenmenschen.
"Es ist die Verbindung zwischen organischem und technischem. Was fehlte denn da jetzt eigentlich? Wem fehlt jetzt dieses Körperteil, und wie sieht das Wesen aus, dass das trägt?"
In der Ausstellung schweben auch die arm- oder beinlosen Plastiken von der Decke. Wie fliegende Mangacomic-Superhelden.
"Sie sagt, was uns als Menschen auszeichnet, ist das Imperfekte. Eigentlich sind wir perfekt, weil wir die Imperfektion akzeptieren und akzeptieren, dass diese Ideen scheitern, dass Scheitern Teil unseres Daseins ist."
Eindrückliche Installation
Eines der eindrücklichsten Exponate der Ausstellung ist Lee Buls raumgreifende Installation "Mon grand recit" - meine große Erzählung. Auf einem Metallgerüst ruht ein Modell. Für was? Ein Science-Fiction Filmset? Eine Riesen-Achterbahn?
Holzschienen führen über ein Schlammfeld in einen steilen Bergkegel. Am Bergrücken hängen futuristische Gebäude, die an Tatlins Revolutionsarchitektur erinnern. Daneben hängt ein Modell der Hagia Sophia auf dem Kopf. Eine Leuchtafel zitiert barocke Verse über die Endlichkeit.
Verzauberung und Verstörung
"Was mich an ihr so interessiert, ist, dass sie einerseits diese unglaublich verzauberten Arbeiten macht und andererseits einem so unter die Haut geht", sagt die Kuratorin Stephanie Rosenthahl. Die Wahrheit hinter den fast schon spielerischen Arbeiten von Lee Bul? Die Träume der Menschheit von technischem Fortschritt, von gebauten Utopien: Bei Lee Bul werden sie zu Spielzeugpuppen oder Spielzeuglandschaften.
"Nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt…", beschrieb ein Gelehrter einmal die Sicht des Zen-Buddhismus auf die Welt. Resignation bedeutet das nicht, sondern Gelassenheit, heitere Gelassenheit, wenn man wie Lee Bul auf die Welt schaut.