Jeder von uns lebt in der Gefahr, dass er von Nachbarn, ohne es zu wissen, im Netz geschmäht wird, dass unwahre Behauptungen verbreitet werden, dass heimliche Fotos veröffentlicht werden, und das gleich noch weltweit.
Medienanwalt Christian Schertz
Erst langsam wache der Rechtsstaat auf und handle gegen Straftaten wie Beleidigung und Schmähung, kritisiert der Anwalt Christian Schertz. © imago/Müller-Stauffenberg
"Auch die Meinungsfreiheit hat Grenzen"
08:18 Minuten
Früher vertrat der Medienanwalt Christian Schertz fast nur Prominente. Heute könne jeder von Hass und Häme betroffen sein, der Rechtsstaat habe zu lange zugesehen, sagt er. Seine Erfahrungen sind in die ARD-Serie „Legal Affairs“ eingeflossen.
Star-Medienanwältin Leo Roth (Lavinia Wilson) verteidigt Menschen, die unfreiwillig in der Öffentlichkeit stehen. Dabei schreckt sie auch nicht vor unsauberen Absprachen mit der Staatsanwaltschaft zurück. Erpressung, Halbwahrheiten, schmutzige Deals: Darum geht es in der achtteiligen Serie "Legal Affairs", die in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Man habe natürlich überspitzt und dramatisiert, sagt Christian Schertz – Ideengeber, Berater und Produzent der Serie. Doch mit ihren Themen Hate Speech, Stalking und Fake News komme sie der Realität sehr nahe.
Social Media hat die Gefährdungslage verändert
Auf diese Realität blickt Schertz selbst als bekannter Medienanwalt mit fast 30 Jahren Berufserfahrung. Früher vertrat er fast nur Prominente, deren Persönlichkeitsrechte verletzt worden waren. Heute habe sich die Gefährdungslage für das Individuum "epochal verändert", durch Social Media. Jeder könne von Hass und Häme im Netz betroffen sein, sagt er.
Dem Rechtsstaat wirft der Anwalt vor, nicht rechtzeitig Grenzen gesetzt zu haben. Gerade mit Blick auf Sachsen und die jüngsten Morddrohungen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erkennt Schertz schwere Versäumnisse: "Hier wurde viel zu lange zugesehen."
Die freie Gesellschaft erlaubt keine Beleidigung und Schmähung oder auch Bedrohung mit dem Tode. Das sind Straftaten. Die Meinungsfreiheit gilt, aber auch die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Wenn es nur noch darum geht, den anderen zu diffamieren und massivst zu beleidigen, muss auch der Rechtsstaat reagieren.
So sei die Polizei bei Pegida-Demonstrationen nicht eingeschritten, als Galgen mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel gezeigt wurden. Jetzt wundere man sich, dass es zu diesen Weiterungen wie bei Kretschmer gekommen sei, so Schertz: "Das sind auch die Folgen von Untätigsein von Behörden. Langsam wacht der Rechtsstaat auf, langsam wacht die Justiz auf und versucht, diese Entwicklung zu begrenzen. Ich hoffe nicht, dass es zu spät ist."
(bth)
(bth)