"Nichts ist so sicher wie die nächste Katastrophe"
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Nach der Flutkatastrophe wird dem zuständigen Landrat von Ahrweiler Untätigkeit vorgeworfen. Das Umweltamt habe ihn frühzeitig gewarnt. Eine falsche Fehlerkultur lähme die Landräte, meint Hartmut Ziebs, Ex-Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes.
Kurz nach 20 Uhr kündigte das Landesamt für Umwelt in Rheinland-Pfalz für die frühen Morgenstunden des nächsten Tages die Flutwelle von sieben Metern an. Die Anwohner entlang der Ahrl wurden aber erst nach 23 Uhr aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Vor allem der Landrat von Ahrweiler steht nun in der Kritik, er habe nicht angemessen und schnell genug reagiert.
Hartmut Ziebs ist ehemaliger Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes und vertraut mit Katastrophenschutz. Seiner Meinung nach hätte der Landrat die Evakuierung früher ankündigen müssen, vor allem, weil er als untere Katastrophenschutzbehörde dafür zuständig sei.
Doch er sehe auch, dass die Behörden nur dann die Lage exakt beurteilen könnten, wenn sie Flutkarten hätten. "Anhand solcher Flutkarten kann man dann beurteilen, was passiert, wenn die Flutwelle 4, 5, 6 oder sieben Meter hochsteht oder kommt", sagt Ziebs.
Der Landrat habe "auch durchaus die Kompetenz", persönlich oder durch externe Fachleute zu entscheiden, ob evakuiert wird oder nicht. "Grundsätzlich ist er zunächst einmal in der politischen Verantwortung", so Ziebs weiter.
Keine leichte Entscheidung
Doch es gebe ein Phänomen, dass es Landräten schwer mache, eine Entscheidung zu treffen: "Wir haben hier in Deutschland für solche Fälle eine vollkommen falsche Fehlerkultur", meint Ziebs.
"Evakuiert man und es passiert nichts, ist man der Depp der Nation und die Laufbahn ist beendet. Reagiert man nicht und es tritt das Schadensereignis ein, ist man ebenfalls wieder der Buhmann".
Dadurch sei die Hemmschwelle zur Evakuierung zu hoch. Den Entscheidern müsse es leichter gemacht werden und die Grundlagen müssten dafür geschaffen werden.
Außerdem sei das System der Katastrophenwarnung "noch nicht perfekt". Am Beispiel Flutwelle lasse sich das Problem verdeutlichen: Ein Landkreis bekomme vom Deutschen Wetterdienst eine Warnung über eine mögliche Flut, aber nicht, wie sie sich jeweils vor Ort auswirke. "Da haben wir im Moment nicht das Fachpersonal". Lediglich die Bundeswehr habe geeignetes Fachpersonal, sei aber zu unflexibel.
Ein ziviler GEO-Informationsdienst
Besser sei es, einen zivilen Informationsdienst – analog zum GEO-Informationsdienst der Bundeswehr – zu etablieren. Dieser könne dann einen Lagebericht den Kreisen und kreisfreien Städten als Dienstleistung anbieten und damit die Grundlage dafür schaffen, die Entscheidungsfindung zu vereinfachen.
So könnten im Voraus schon die Fragen geklärt werden, wie sich etwa ein gewisses Wetterereignis am jeweiligen Ort auswirke. "Diese Grundlagen fehlen aus meinen bisherigen Erkenntnissen noch", sagt Ziebs, "denn nichts ist so sicher wie die nächste Katastrophe".
(sbd)