Klaus Weinert ist Wirtschafts- und Fachjournalist. Er studierte Germanistik, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Filmwissenschaften. Weinert arbeitet für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien und befasst sich mit ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen und mit Ideologien und Theorien.
Die blinde Ideologie des Westens
26 Jahre nach der Wiedervereinigung hat die Bundesregierung eine wissenschaftliche Untersuchung der Treuhand in Auftrag gegeben. Dabei ist eins der Ergebnisse schon klar, meint der Wirtschaftsjournalist Klaus Weinert: die Treuhandanstalt folgte einer blinden Ideologie.
Jetzt soll sie doch noch offiziell aufgearbeitet werden, die Geschichte der Treuhandanstalt. Es soll endlich Klarheit geschaffen werden, ob die Arbeit der Treuhand effizient oder doch eher schlecht war. Ihre Aufgabe war es, die von Kanzler Kohl versprochenen "blühenden Landschaften" zu erkaufen: durch den lukrativen Verkauf der ehemals Volkseigenen Betriebe und Kombinate der DDR. Oder besser noch: diese zu sanieren und Arbeitsplätze zu bewahren.
Mit diesem Ziel vor Auge eilten die Sanierer aus dem Westen herbei. Sie fertigten nach westlichen Standards Bilanzen der Betriebe an und bestimmten die im Westen üblichen Kennzahlen. Dann stellten sie fest, was und wer noch saniert oder verkauft werden konnte. Und welcher DDR-Betrieb nicht mehr zu retten war.
Auch wenn der Prozess sich insgesamt über Jahre hinzog, so ging doch eines ganz schnell, viel zu schnell: die gewohnten Normen der westdeutschen Wirtschaftsweise unüberlegt und ohne die eigene Ideologie zu überprüfen auf die DDR-Wirtschaft zu stülpen. Der unhinterfragte Glaube an Zahlen war methodische Grundlage und gleichsam das Handicap von Anfang an. Die Leistung der Menschen konnte so kaum berücksichtigt werden.
Mit diesem Ziel vor Auge eilten die Sanierer aus dem Westen herbei. Sie fertigten nach westlichen Standards Bilanzen der Betriebe an und bestimmten die im Westen üblichen Kennzahlen. Dann stellten sie fest, was und wer noch saniert oder verkauft werden konnte. Und welcher DDR-Betrieb nicht mehr zu retten war.
Auch wenn der Prozess sich insgesamt über Jahre hinzog, so ging doch eines ganz schnell, viel zu schnell: die gewohnten Normen der westdeutschen Wirtschaftsweise unüberlegt und ohne die eigene Ideologie zu überprüfen auf die DDR-Wirtschaft zu stülpen. Der unhinterfragte Glaube an Zahlen war methodische Grundlage und gleichsam das Handicap von Anfang an. Die Leistung der Menschen konnte so kaum berücksichtigt werden.
Es fehlte die Zeit – und der Wille
Und das ist ein Grundproblem des Kapitalismus überhaupt. Er hat noch kein stichhaltiges Verfahren gefunden, den Wert von Mitarbeitern überzeugend darzustellen. Davon kann sich jeder ein Bild machen, der sich eine Unternehmensbilanz ansieht. Als Vermögen werden darin Immobilien, Maschinen oder der Kassenbestand ausgewiesen. Der Mensch als Vermögenssubjekt ist in einer Bilanz nicht zu finden. Dabei bestimmt nur der Mensch den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens.
Das war bei der Treuhandanstalt nicht anders. Zu wenig Wert wurde auf den menschlichen Faktor gelegt, auf das implizite Wissen der Menschen, das eben nicht in Zahlen ausgedrückt werden kann, sondern soziologisch oder sozialpsychologisch erfasst werden muss. Das wäre mühsam gewesen. Und dazu fehlte die Zeit – und ganz offenbar der Wille.
Die oft unerfahrenen, aber vom eigenen Können überzeugten Mitarbeiter der Treuhandanstalt sahen in den Mitarbeitern der ehemaligen Volkseigenen Betriebe vor allem ahnungslose Angestellte, die nichts taugen konnten, weil sie dem westlichen Bild eines Arbeiters nicht entsprachen. Sie waren nur Bremsklötze. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen galten als unbrauchbar. Dabei hatten gerade sie mit gerade diesem Wissen selbst in der SED-Diktatur aus den Betrieben herausgeholt, was eben möglich war. Doch ihre Leistung zählte nichts.
Das war bei der Treuhandanstalt nicht anders. Zu wenig Wert wurde auf den menschlichen Faktor gelegt, auf das implizite Wissen der Menschen, das eben nicht in Zahlen ausgedrückt werden kann, sondern soziologisch oder sozialpsychologisch erfasst werden muss. Das wäre mühsam gewesen. Und dazu fehlte die Zeit – und ganz offenbar der Wille.
Die oft unerfahrenen, aber vom eigenen Können überzeugten Mitarbeiter der Treuhandanstalt sahen in den Mitarbeitern der ehemaligen Volkseigenen Betriebe vor allem ahnungslose Angestellte, die nichts taugen konnten, weil sie dem westlichen Bild eines Arbeiters nicht entsprachen. Sie waren nur Bremsklötze. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen galten als unbrauchbar. Dabei hatten gerade sie mit gerade diesem Wissen selbst in der SED-Diktatur aus den Betrieben herausgeholt, was eben möglich war. Doch ihre Leistung zählte nichts.
Naives Vertrauen in Bilanzzahlen
Der Gedanke, Wirtschaft wie chemische Prozesse oder Planetenbahnen berechnen zu können, war damals und ist heute Fiktion. Und trotzdem ist der globale Westen bis heute der Illusion verhaftet, dass betriebswirtschaftliche Kennzahlen die Wirtschaft und die Unternehmen komplett beschreiben können. Und wenn dieser Glaube damals katastrophale Folgen für Ostdeutschland hatte, so hatte er zwei Jahrzehnte später desaströse Folgen für die ganze Welt: Als das naive Vertrauen in die scheinbar glänzenden Bankbilanzzahlen eine weltweite Krise erst ermöglichte.
Die Treuhandanstalt hatte die Chance, ein neues Modell der Krisenbewältigung zu erschaffen. Sie hat sie vertan. Umso mehr drängt die Zeit für eine Ökonomie, die sich politischen Ideologien und Bedürfnissen widersetzt und diese nicht als Grundlage ihrer eigenen Forschungsarbeit nimmt und beispielhaft wäre für zukünftige ökonomische Krisen.