Erster Warnschuss an die Arbeitgeber
Die Lehrer wollen 5,5 Prozent mehr Geld. Dafür haben sie heute einen Warnstreik veranstaltet. Auch in Berlin ist die Wut auf die Senatsverwaltung groß, denn die Arbeitgeber wollen die Altersversorgung der Lehrer antasten.
Kurz vor acht, Berlin-Kreuzberg. Vor der Aziz-Nesin-Grundschule haben sich an diesem kühlen Dienstagmorgen 15 Lehrkräfte und fast genauso viele Erzieherinnen postiert. In fast in allen Klassen fällt an diesem Tag der Unterricht aus, denn knapp 80 Prozent der Lehrer, die an der deutsch-türkischen Europaschule unterrichten, sind Angestellte des Landes Berlin. Ihre verbeamteten Kollegen müssen darum die Notbetreuung der knapp 400 Grundschulkinder übernehmen.
Hülya Güven steht mit ihrer achtjährigen Tochter vor der Schule. Über den Schulausfall ist die Mutter nicht erfreut, trotzdem kann sie die streikenden Lehrkräfte verstehen:
"Was für Geduld die aufbringen müssen gegenüber diese Schüler und Schülerinnen. Da sage ich, das Geld, das die bekommen, ist zu wenig dafür. Weil wir als Mütter zuhause, ich bin manchmal froh, dass meine Kinder in der Schule sind. Muss ich ehrlich sagen. Was die da leisten, Respekt, Hut ab."
Nachdem die Arbeitgeberseite klargestellt hatte, dass es nur dann mehr Lohn gibt, wenn dafür künftig Gelder aus dem Topf der betrieblichen Altersversorgung abgezwackt werden, war für die Gewerkschaften klar: Jetzt helfen nur noch Warnstreiks. Das findet auch Yakin Esmen, die seit zehn Jahren an der Europa-Grundschule unterrichtet:
"Wir haben ein bisschen Angst, dass sie das Gefühl haben, dass wir eingeschlafen sind. Sind wir aber nicht. Weil die Senatsverwaltung versteht nicht, dass sie an ihrem eigenen Standbein sägt. Ich meine, das ist die Zukunft, wenn die da nix für tun, wenn wir alle kaputt gehen, dann weiß ich nicht, was die noch machen wollen."
Es ist ein erster Warnschuss an die Arbeitgeber. Auch in anderen Bundesländern haben die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ab heute zu den Warnstreiks aufgerufen. Ihre Kernforderung: 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 175 Euro mehr Lohn im Monat. Gegenüber ihren beamteten Kollegen fühle sie sich einfach benachteiligt, sagt Zeynep Arslan, die an der Aziz-Nesin-Grundschule Türkisch unterrichtet:
"Ich bin in der Schulkonferenz, ich bin in der Fachkonferenzleitung, und irgendwann sagt man, was soll das. Arbeit, Arbeit, Arbeit, aber im Endeffekt bekommt man weniger Geld. Jeder Mensch würde sich ärgern darüber."
"Das ist eine Frechheit"
Doreen Siebernik pflichtet ihr bei. Die Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist an diesem Morgen extra zu der Kreuzberger Grundschule geeilt, um den Lehrerinnen und Lehrern mental beizustehen. Sollte die Arbeitgeberseite weiterhin darauf beharren, dass es für die Angestellten nur dann mehr Lohn gibt, wenn der Topf für ihre betriebliche Altersversorgung angetastet wird, dann werde bundesweit nicht mehr gewarnt, sondern richtig gestreikt, glaubt die GEW-Landesvorsitzende:
"Das ist 'ne Frechheit und das werden wir nicht hinnehmen. Und dann sind es eben nicht nur die Lehrerinnen, da sind es auch die Beschäftigten in Bezirksämtern, die Beschäftigten in den Bürgerämtern, bei den Feuerwehren, die Angestellten bei der Polizei."
Herzlich willkommen zum Warnstreikauftakt in der Tarifrunde 2015.
Zwei Stunden später steht Doreen Siebernik vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Noch ein Punkt wurmt sie in den Verhandlungen. Wer in Berlin unterrichtet, wird schlechter bezahlt als beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg. Für die Lehrergewerkschaft GEW ist es darum von genauso so großer Bedeutung, dass endlich der Einstieg in die tarifliche Eingruppierung der 200.000 angestellten Lehrkräfte in Deutschland gelingt. Diese Einführung, so GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe, sei das eigentliche Ziel:
"Denn die Lehrkräfte sind die einzigen, für die es keinen Tarifvertrag gibt, in dem die Entgeldordnung festgelegt wird. Das ist frech, damit provozieren sie, dass wir wirklich auf die Straße gehen. Und wir werden zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen."