Leichenzug auf Höllenfahrt
Anse Bundren macht sich gemeinsam mit seinen vier Söhnen auf den beschwerlichen Weg, um den Leichnam seiner Frau in deren Heimat zu überführen. Der Truck gerät in schwere Unwetter, Brücken stürzen ein, die Maultiere ertrinken. Faulkner erzählt die symbolisch aufgeladene Geschichte aus der Perspektive von 15 verschiedenen Personen.
Der US-Amerikaner William Faulkner (1897-1962) ist einer der großen Protagonisten der literarischen Moderne. Er hat die überlieferte Romanform gesprengt, multiperspektivisch und montagenhaft erzählt. Und es ist kein Wunder, dass etwa Uwe Johnson sofort, als es ihm möglich war, versuchte, sein großes Vorbild zu besuchen – ein Gespräch war ihm aber leider nicht vergönnt.
Bei Faulkner zeigt es sich mit am deutlichsten, dass Übersetzungen altern. "As I lay dying" ist im Original 1930 erschienen und auf deutsch zuerst 1961; in der aktuellen Neuübersetzung von Maria Carlsson wird vor allem das Bruchstückhafte, Slanghafte, Abrupte der Faulknerschen Sprache ernst genommen.
In diesem Roman erzählt Faulkner in einer neuen, radikalen Weise. Man merkt, dass er kurz danach als Drehbuchschreiber in Hollywood sein Geld verdienen wird: Die Handlung wird nicht einlinig vorgeführt, sondern erscheint in der Perspektive mehrerer Personen.
In 59 Abschnitten erzählen insgesamt 15 Personen, es ist eine jeweils sehr subjektive Sicht der Dinge, und daraus entsteht ein mosaikartig zusammengesetztes Gesamtbild. Es geht um einige Tage in der Geschichte der Familie Bundren, in der berühmten für Faulkner spezifischen amerikanischen Südstaatenlandschaft, der er den unaussprechlichen Namen Yoknapatawpha County gegeben hat.
Anse Bundren versucht, den Wunsch seiner Frau zu erfüllen, nach ihrem Tod in ihrem Familiengrab in der nächsten größeren Stadt Jefferson beigesetzt zu werden. Zusammen mit seinen vier Söhnen Cash, Darl, Jewel und Vardaman sowie seiner Tochter Dewey Dell macht er sich auf den beschwerlichen Weg. Es herrscht Unwetter, und es kommt zu mehreren Katastrophen: Brücken stürzen ein, bei der Durchquerung des Flusses ertrinken die Maultiere, die den Sarg ziehen. Schließlich setzt Darl eine Scheune in Brand und äschert den Sarg dadurch ein, er gilt als verrückt und wird in die Psychiatrie eingeliefert – dadurch wird auch ein Prozess wegen des Scheunenbrands vermieden. Und Anse Bundren heiratet am Schluss schnell wieder.
In 19 der 59 Abschnitte spricht Darl, der poetisch-verrückte Sohn, und die gesamte Handlung ist stark symbolisch aufgeladen. Es ist eine verblüffende Mischung aus Archaik und moderner Bewusstseins-Aufsplitterung, die Faulkner hier entstehen lässt. Die Sprache ist keineswegs "realistisch", sondern agiert auf mehreren Ebenen: sie ist zum Teil von biblischer Wucht, zum Teil vermittelt sie das derbe, deftige Idiom der Bauern, und sie lebt von prägnanten, stilisierten Einzelmomenten.
Leiden, Erdulden, Weiterleben entsprechen einem ewigen Kreislauf, und es ist äußerst eindrücklich, wie dabei komische und tragische Züge unentwirrbar ineinander übergehen. Faulkner selbst bezeichnete "Als ich im Sterben lag" als sein bestes Werk. Es hat tatsächlich etwas Zeitlos-Mythisches.
Von Helmut Böttiger
William Faulkner: Als ich im Sterben lag
Aus dem Englischen von Maria Carlsson
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012
247 Seiten, 19,95 Euro
Bei Faulkner zeigt es sich mit am deutlichsten, dass Übersetzungen altern. "As I lay dying" ist im Original 1930 erschienen und auf deutsch zuerst 1961; in der aktuellen Neuübersetzung von Maria Carlsson wird vor allem das Bruchstückhafte, Slanghafte, Abrupte der Faulknerschen Sprache ernst genommen.
In diesem Roman erzählt Faulkner in einer neuen, radikalen Weise. Man merkt, dass er kurz danach als Drehbuchschreiber in Hollywood sein Geld verdienen wird: Die Handlung wird nicht einlinig vorgeführt, sondern erscheint in der Perspektive mehrerer Personen.
In 59 Abschnitten erzählen insgesamt 15 Personen, es ist eine jeweils sehr subjektive Sicht der Dinge, und daraus entsteht ein mosaikartig zusammengesetztes Gesamtbild. Es geht um einige Tage in der Geschichte der Familie Bundren, in der berühmten für Faulkner spezifischen amerikanischen Südstaatenlandschaft, der er den unaussprechlichen Namen Yoknapatawpha County gegeben hat.
Anse Bundren versucht, den Wunsch seiner Frau zu erfüllen, nach ihrem Tod in ihrem Familiengrab in der nächsten größeren Stadt Jefferson beigesetzt zu werden. Zusammen mit seinen vier Söhnen Cash, Darl, Jewel und Vardaman sowie seiner Tochter Dewey Dell macht er sich auf den beschwerlichen Weg. Es herrscht Unwetter, und es kommt zu mehreren Katastrophen: Brücken stürzen ein, bei der Durchquerung des Flusses ertrinken die Maultiere, die den Sarg ziehen. Schließlich setzt Darl eine Scheune in Brand und äschert den Sarg dadurch ein, er gilt als verrückt und wird in die Psychiatrie eingeliefert – dadurch wird auch ein Prozess wegen des Scheunenbrands vermieden. Und Anse Bundren heiratet am Schluss schnell wieder.
In 19 der 59 Abschnitte spricht Darl, der poetisch-verrückte Sohn, und die gesamte Handlung ist stark symbolisch aufgeladen. Es ist eine verblüffende Mischung aus Archaik und moderner Bewusstseins-Aufsplitterung, die Faulkner hier entstehen lässt. Die Sprache ist keineswegs "realistisch", sondern agiert auf mehreren Ebenen: sie ist zum Teil von biblischer Wucht, zum Teil vermittelt sie das derbe, deftige Idiom der Bauern, und sie lebt von prägnanten, stilisierten Einzelmomenten.
Leiden, Erdulden, Weiterleben entsprechen einem ewigen Kreislauf, und es ist äußerst eindrücklich, wie dabei komische und tragische Züge unentwirrbar ineinander übergehen. Faulkner selbst bezeichnete "Als ich im Sterben lag" als sein bestes Werk. Es hat tatsächlich etwas Zeitlos-Mythisches.
Von Helmut Böttiger
William Faulkner: Als ich im Sterben lag
Aus dem Englischen von Maria Carlsson
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012
247 Seiten, 19,95 Euro