Leichtathlet als Romanheld
In den Mittelpunkt seines Buches "Laufen" hat der französische Bestsellerautor Jean Echenoz den tschechischen Langstreckenläufer und Olympiasieger Emil Zátopek gestellt. Er feierte in den 50er-Jahren seine großen Erfolge. Eine Begegnung mit dem Schriftsteller in Paris.
Jean Echenoz, ein schlanker Mann im weißen Hemd, Zigarette in der rechten Hand, sitzt auf dem Sofa seiner Pariser Wohnung und liest aus seinem Roman "Courir" ("Laufen"). Es ist die Passage, in der der Stil des tschechischen Langstreckenläufers und Olympiasiegers Emil Zátopek zur Sprache kommt, ein unkonventioneller Laufstil. Während andere elegant laufen, schaufelte Emil Zátopek mit den Händen. Jean Echenoz hat dem Ausnahme-Leichtathleten Zátopek seinen neuen Roman gewidmet. Fragt sich, warum gerade einem Läufer.
Echenoz: "In meiner Jugend bin ich sehr gerne gelaufen. Und geschwommen. Aber Vereinssport und ich, das ging nie zusammen. Und ich verfolge auch nicht die aktuellen Sportergebnisse, überhaupt nicht. Auf dem Gebiet bin ich richtig ungebildet. Aber genau das hat mich interessiert: eine mir unbekannte Welt kennenzulernen, im Rahmen eines Romans."
Als Zátopek in den 50er-Jahren seine großen Erfolge feierte, war der 1947 geborene Jean Echenoz einfach noch zu jung, um das bewusst mitzuerleben. Also recherchierte der Franzose für seinen Roman und machte das, was er eigentlich nie tut: Er las die französischen Sportzeitung "L'Equipe", und zwar alle Ausgaben aus den Jahren 1946 bis 57. So versuchte er, sich dem Langstreckenläufer Zátopek anzunähern:
"In Wirklichkeit erfinde ich nicht viel. Das heißt aber nicht, dass es Biografien sind. Ich bin kein Historiker, kein Biograf. Im Fall von Emil Zátopek und auch Maurice Ravel habe ich nach einer bekannten, realen Person gesucht, mit der Absicht, sie wie eine Romanfigur zu behandeln. Dabei will ich so treu wie möglich dem Lebensweg der realen Person folgen und mir zugleich einige Freiheiten erlauben, allerdings kontrollierte Freiheiten. Schließlich will ich die Person ja nicht zu fiktiv werden lassen. Ich will sie einfach nur als Romanfigur behandeln."
Gebannt folgt man dem ruhigen Erzählton von Jean Echenoz und taucht in die Welt des Emil Zátopek ein: wie der junge Emil den Einmarsch der Deutschen in Mähren erlebt, wie er in einer Fabrik für Sportschuhe arbeitet, eigentlich Sport hasst, aber dann doch als Läufer entdeckt wird und sich seinem Schicksal beugt, obwohl er nichts dagegen gehabt hätte, weiter in der Fabrik zu arbeiten.
"Der Job, der am meisten an die Arbeit in einer Fabrik herankam, war der: Ich war Zeitungsbinder, schnürte Zeitungen, die dann in alle Gegenden Frankreichs verschickt wurden. Diese Arbeit habe ich geliebt. Gut, vielleicht hätte ich das nicht mein Leben lang machen wollen. Das war das Schreiben. Seit meiner Kindheit wollte ich schreiben. Vor einigen Jahren hat mir mein Vater einen Romananfang gegeben, den ich mit sechs oder sieben Jahren geschrieben hatte. Ich wollte immer schreiben. Letztlich habe ich meiner kindlichen Stimme gehorcht."
Und Emil Zátopek? Dem wird sein Protest gegen die sowjetischen Soldaten während des Prager Frühlings zum Verhängnis. Zur Strafe muss er jahrelang in einem Uranbergwerk arbeiten. Aber die Menschen auf der Straße jubeln ihm noch zu. Die Bücher von Jean Echenoz sind in Frankreich längst Bestseller. Aber den Autor erkennt kaum jemand auf der Straße. Auch, weil der Goncourt-Preisträger sehr zurückgezogen lebt.
"Es gibt nicht viele Menschen um mich herum, nein. Ich kenne zwar nicht gerade wenige Leute, aber ich sehe sie nicht oft. Ich befinde mich nicht in einer dramatischen Einsamkeit. Aber ich habe kein aktives Sozialleben. Ich bin eher hier allein. Ich brauche es aber auch, einen Großteil des Tages allein zu sein, um zu schreiben. Das mache ich morgens. Es kommt schon vor, dass mir das Telefon nicht oft genug klingelt. Wenn es aber morgens klingelt, bin ich nicht besonders erfreut darüber."
Jeans Echenoz: "Laufen"
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel.
Berlin Verlag, 125 Seiten, 18 Euro
Echenoz: "In meiner Jugend bin ich sehr gerne gelaufen. Und geschwommen. Aber Vereinssport und ich, das ging nie zusammen. Und ich verfolge auch nicht die aktuellen Sportergebnisse, überhaupt nicht. Auf dem Gebiet bin ich richtig ungebildet. Aber genau das hat mich interessiert: eine mir unbekannte Welt kennenzulernen, im Rahmen eines Romans."
Als Zátopek in den 50er-Jahren seine großen Erfolge feierte, war der 1947 geborene Jean Echenoz einfach noch zu jung, um das bewusst mitzuerleben. Also recherchierte der Franzose für seinen Roman und machte das, was er eigentlich nie tut: Er las die französischen Sportzeitung "L'Equipe", und zwar alle Ausgaben aus den Jahren 1946 bis 57. So versuchte er, sich dem Langstreckenläufer Zátopek anzunähern:
"In Wirklichkeit erfinde ich nicht viel. Das heißt aber nicht, dass es Biografien sind. Ich bin kein Historiker, kein Biograf. Im Fall von Emil Zátopek und auch Maurice Ravel habe ich nach einer bekannten, realen Person gesucht, mit der Absicht, sie wie eine Romanfigur zu behandeln. Dabei will ich so treu wie möglich dem Lebensweg der realen Person folgen und mir zugleich einige Freiheiten erlauben, allerdings kontrollierte Freiheiten. Schließlich will ich die Person ja nicht zu fiktiv werden lassen. Ich will sie einfach nur als Romanfigur behandeln."
Gebannt folgt man dem ruhigen Erzählton von Jean Echenoz und taucht in die Welt des Emil Zátopek ein: wie der junge Emil den Einmarsch der Deutschen in Mähren erlebt, wie er in einer Fabrik für Sportschuhe arbeitet, eigentlich Sport hasst, aber dann doch als Läufer entdeckt wird und sich seinem Schicksal beugt, obwohl er nichts dagegen gehabt hätte, weiter in der Fabrik zu arbeiten.
"Der Job, der am meisten an die Arbeit in einer Fabrik herankam, war der: Ich war Zeitungsbinder, schnürte Zeitungen, die dann in alle Gegenden Frankreichs verschickt wurden. Diese Arbeit habe ich geliebt. Gut, vielleicht hätte ich das nicht mein Leben lang machen wollen. Das war das Schreiben. Seit meiner Kindheit wollte ich schreiben. Vor einigen Jahren hat mir mein Vater einen Romananfang gegeben, den ich mit sechs oder sieben Jahren geschrieben hatte. Ich wollte immer schreiben. Letztlich habe ich meiner kindlichen Stimme gehorcht."
Und Emil Zátopek? Dem wird sein Protest gegen die sowjetischen Soldaten während des Prager Frühlings zum Verhängnis. Zur Strafe muss er jahrelang in einem Uranbergwerk arbeiten. Aber die Menschen auf der Straße jubeln ihm noch zu. Die Bücher von Jean Echenoz sind in Frankreich längst Bestseller. Aber den Autor erkennt kaum jemand auf der Straße. Auch, weil der Goncourt-Preisträger sehr zurückgezogen lebt.
"Es gibt nicht viele Menschen um mich herum, nein. Ich kenne zwar nicht gerade wenige Leute, aber ich sehe sie nicht oft. Ich befinde mich nicht in einer dramatischen Einsamkeit. Aber ich habe kein aktives Sozialleben. Ich bin eher hier allein. Ich brauche es aber auch, einen Großteil des Tages allein zu sein, um zu schreiben. Das mache ich morgens. Es kommt schon vor, dass mir das Telefon nicht oft genug klingelt. Wenn es aber morgens klingelt, bin ich nicht besonders erfreut darüber."
Jeans Echenoz: "Laufen"
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel.
Berlin Verlag, 125 Seiten, 18 Euro