Leichthändig, ironisch, unterhaltsam
Man mache sich nichts vor: Nicht bei jedem Autor, der zu Lebzeiten ein Erfolg war, lohnt es sich, den Staub von seinen vergessenen Werken zu blasen. Anders bei dem 1896 erschienenen Doppelroman des Dänen Sophus Claussen (1865-1931), der jetzt zum ersten Mal auf Deutsch vorliegt. Er ist nämlich ein Kabinettstück der besonderen Klasse.
Antonius, jung und hoffnungsfroh, ist ein Künstler mit Ambitionen. Also reist er, wie es sich gehört, nach Paris, dann nach Italien, wo schon mancher seinen Musenkuss empfing (und Antonius dann Silvio heißt). Gewiss, er ist nicht nur für Louvre und Notre-Dame gekommen. Schließlich befindet er sich im Mekka der Boheme, und er weiß, was er dem Typus des Flaneurs schuldig ist.
Pflichtbewusst sammelt er Eindrücke, mischt sich unter die Leute, die es "mitnichten gestatten, dass er in ihrem schönen Paris verlegen herumsteht", ganz anders als zu Hause, wo man "seelenruhig dabei zuschaut", wie der Ortsunkundige "sich verläuft"; er sucht das Gespräch mit nicht immer zugänglichen Damen und strebt nach der Bekanntschaft mit den ganz Großen der Literaturszene. Er tut alles, um dazuzugehören, um die "herrliche Fee Paris zu überwältigen", bloß im entscheidenden Moment fehlt immer etwas, das richtige Geldstück oder das passende Wort.
Ein Künstlerroman also? In der Tat, es sind alle gewohnten Ingredienzien versammelt - schließlich kommt neben viel schöner italienischer Landschaft, die ja gleichfalls bildet, auch die Liebe ins Spiel, zunächst die verschmähte, am Ende sogar die erfüllte. Aber das Buch, in der ersten Hälfte ein Kaleidoskop aus Erzählungen, Gedichten, Reportagen, ist mehr als ein Roman über den Werdegang eines Talents.
Tanja Blixen sagte über Sophus Claussen; "Er ist von allen dänischen Dichtern der einzige, der frei ist." So frei, möchte man hinzufügen, dass er sich über alle literarischen Moden seiner Zeit hinwegsetzte, obwohl er sie perfekt beherrschte - wie man nicht nur in den dazwischen gestreuten, sprachmächtigen Gedichten lesen kann. Seinen besonderen Reiz bezieht der Roman nämlich aus Sprache, Stimmung und vor allem dem untergründig eingewebten Tonfall.
Delikat komponiert und leichthändig hingetupft zieht sich eine unverkennbar ironische Note durch das Ganze, die das Genre über seine Zeit hinausweist. Dass sich der an Heine geschulte Witz im Deutschen mitteilt, ist dem Übersetzer Peter Urban-Halle zu verdanken. Ohne das Romantisch-Symbolistische der Zeit zu verfehlen, trifft er doch auch genau einen heutigen Ton; er findet das schöne Wort ebenso wie das Äquivalent fürs Banale. Wenn der Streiter für das Höhere sich gerade hoffnungslos im Wald verirrt, während er von der "Kunst" schwärmt, "die der Menschheit erspart, sich die Hacken nach nichtssagenden Freuden abzulaufen", dann kann man das ästhetische Programm der Zeit – ein Leben für die Kunst – nicht besser auf den Punkt bringen.
Mag sein, dass Sophus Claussen als überragender Symbolist dänische Literaturgeschichte geschrieben hat. Doch wie sein liebenswürdiger Westentaschendandy durchs Leben spaziert, ist so unterhaltsam, gut beobachtet, so zeitgenössisch, dass es höchste Zeit war, ihn im Deutschen endlich begrüßen zu dürfen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Sophus Claussen, Antonius in Paris – Wallfahrt
Aus dem Dänischen und mit einem Nachwort von Peter Urban-Halle
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2011
432 Seiten, 26,00 Euro
Pflichtbewusst sammelt er Eindrücke, mischt sich unter die Leute, die es "mitnichten gestatten, dass er in ihrem schönen Paris verlegen herumsteht", ganz anders als zu Hause, wo man "seelenruhig dabei zuschaut", wie der Ortsunkundige "sich verläuft"; er sucht das Gespräch mit nicht immer zugänglichen Damen und strebt nach der Bekanntschaft mit den ganz Großen der Literaturszene. Er tut alles, um dazuzugehören, um die "herrliche Fee Paris zu überwältigen", bloß im entscheidenden Moment fehlt immer etwas, das richtige Geldstück oder das passende Wort.
Ein Künstlerroman also? In der Tat, es sind alle gewohnten Ingredienzien versammelt - schließlich kommt neben viel schöner italienischer Landschaft, die ja gleichfalls bildet, auch die Liebe ins Spiel, zunächst die verschmähte, am Ende sogar die erfüllte. Aber das Buch, in der ersten Hälfte ein Kaleidoskop aus Erzählungen, Gedichten, Reportagen, ist mehr als ein Roman über den Werdegang eines Talents.
Tanja Blixen sagte über Sophus Claussen; "Er ist von allen dänischen Dichtern der einzige, der frei ist." So frei, möchte man hinzufügen, dass er sich über alle literarischen Moden seiner Zeit hinwegsetzte, obwohl er sie perfekt beherrschte - wie man nicht nur in den dazwischen gestreuten, sprachmächtigen Gedichten lesen kann. Seinen besonderen Reiz bezieht der Roman nämlich aus Sprache, Stimmung und vor allem dem untergründig eingewebten Tonfall.
Delikat komponiert und leichthändig hingetupft zieht sich eine unverkennbar ironische Note durch das Ganze, die das Genre über seine Zeit hinausweist. Dass sich der an Heine geschulte Witz im Deutschen mitteilt, ist dem Übersetzer Peter Urban-Halle zu verdanken. Ohne das Romantisch-Symbolistische der Zeit zu verfehlen, trifft er doch auch genau einen heutigen Ton; er findet das schöne Wort ebenso wie das Äquivalent fürs Banale. Wenn der Streiter für das Höhere sich gerade hoffnungslos im Wald verirrt, während er von der "Kunst" schwärmt, "die der Menschheit erspart, sich die Hacken nach nichtssagenden Freuden abzulaufen", dann kann man das ästhetische Programm der Zeit – ein Leben für die Kunst – nicht besser auf den Punkt bringen.
Mag sein, dass Sophus Claussen als überragender Symbolist dänische Literaturgeschichte geschrieben hat. Doch wie sein liebenswürdiger Westentaschendandy durchs Leben spaziert, ist so unterhaltsam, gut beobachtet, so zeitgenössisch, dass es höchste Zeit war, ihn im Deutschen endlich begrüßen zu dürfen.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Sophus Claussen, Antonius in Paris – Wallfahrt
Aus dem Dänischen und mit einem Nachwort von Peter Urban-Halle
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2011
432 Seiten, 26,00 Euro