Leidenschaft getragen von einem kühlen Ton
Er ist ein Stoiker, nimmt den Verlust seiner großen Liebe und die Sucht seiner Tochter einfach so hin: Der amerikanische Professor Stoner trägt in sich ein "großes Reservoir an Gleichgültigkeit", wie Williams schreibt. Doch Stoner wird auch durch eine stille Leidenschaft durch sein Leben getragen - ein brillanter und subtiler Roman.
Es gibt im Roman "Stoner" einen Satz über ein Buch, den man mühelos auch auf das vorliegende münzen könnte. Er lautet: "Es war so gut, wie er es vermutet hatte, ein anmutiger Stil, die Leidenschaft getragen von einem kühlen Ton und klaren Einsichten." Das Urteil des Professors William Stoner über ein wissenschaftliches Werk einer Frau, die er geliebt hat wie keine andere, von der er sich aber diverser Intrigen in seinem Fachbereich wegen hatte trennen müssen.
Vordergründig ist die Geschichte des Universitätsdozenten und späteren Seniorprofessors Stoner das, was man im angloamerikanischen Sprachraum eine "Campus Novel" nennt. In ihrem Zentrum steht ein Mann, der sich 1910 als Student an der Universität von Columbia, Missouri, einschreibt und dann an dieser seiner Alma Mater am Departement für Englische Sprache und Literatur bis zu seinem Tod 1956 lehrt. Der in seinen Doktorandenseminaren Lord Byrons Gedicht "Englische Barden und schottische Kritiker" in Erinnerung ruft und dem Einfluss des römischen Grammatikers Donatus auf Shakespeare nachspürt.
Gähnt da irgendwer? Vorsicht, auch wenn diese Geschichte in der akademischen Welt spielt, so ist "Stoner" doch weit mehr als ein klassischer Campus-Roman. Stoner ist ein Loner – ein einsamer Mensch. Das Kind einer Farmerfamilie, von der er sich erst abzunabeln lernen muss.
Früh schon entdeckt er in sich ein "großes Reservoir an Gleichgültigkeit". Diese Indifferenz wird ihn einerseits durch sein Leben tragen, es andererseits aber auch wie ein schleichendes Gift zerstören. Stur Heil folgt dieser Stoiker seinem einmal eingeschlagenen Weg, noch das größte Ehe-Ungemach (er ist unglücklich verheiratet, das Verhältnis zu seiner Frau Edith völlig "entfremdet") zu erdulden.
Als seine Affäre mit der Studentin Katherine Driscoll aufzufliegen droht, beugt er sich der "Mittelklassemoral" - aus pragmatischen Erwägungen. Dass er damit die Liebe seines Lebens verliert, realisiert er erst später. Als seine Tochter Grace, kaum erwachsen, zu trinken beginnt, nimmt er es hin, ohne daran etwas ändern zu wollen.
Auch hier folgt er seiner Devise, "einer erdrückenden Welt ein ausdrucksloses, hartes, düsteres Gesicht zu zeigen". Und doch ist es nicht etwa eine starre Maskenhaftigkeit, die Stoner in der Universität (an die ihn ein "verhaltener Glaube" bindet) in hohem Alter zu einer "beinahe mythischen Gestalt" werden lässt. Stoner ist ein leiser Held, ein Heros der Beharrlichkeit. Seine stille Leidenschaft gilt weiß Gott nicht nur dem Mysterium der Literatur, obwohl er für sie eine schöne Definition findet. Literatur, so heißt es in John Williams’ brillantem, psychologisch subtilen Roman, ist die "Epiphanie, durch Worte etwas zu erkennen, was sich in Worte nicht fassen ließ".
In den Niederlanden stand "Stoner" in diesem Jahr monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste. In Italien erlebte das Buch elf Auflagen. Posthum ist "Stoner" dieser Erfolg auch hierzulande unbedingt zu wünschen. Eine große Wiederentdeckung!
Rezensiert von Knut Cordsen
Vordergründig ist die Geschichte des Universitätsdozenten und späteren Seniorprofessors Stoner das, was man im angloamerikanischen Sprachraum eine "Campus Novel" nennt. In ihrem Zentrum steht ein Mann, der sich 1910 als Student an der Universität von Columbia, Missouri, einschreibt und dann an dieser seiner Alma Mater am Departement für Englische Sprache und Literatur bis zu seinem Tod 1956 lehrt. Der in seinen Doktorandenseminaren Lord Byrons Gedicht "Englische Barden und schottische Kritiker" in Erinnerung ruft und dem Einfluss des römischen Grammatikers Donatus auf Shakespeare nachspürt.
Gähnt da irgendwer? Vorsicht, auch wenn diese Geschichte in der akademischen Welt spielt, so ist "Stoner" doch weit mehr als ein klassischer Campus-Roman. Stoner ist ein Loner – ein einsamer Mensch. Das Kind einer Farmerfamilie, von der er sich erst abzunabeln lernen muss.
Früh schon entdeckt er in sich ein "großes Reservoir an Gleichgültigkeit". Diese Indifferenz wird ihn einerseits durch sein Leben tragen, es andererseits aber auch wie ein schleichendes Gift zerstören. Stur Heil folgt dieser Stoiker seinem einmal eingeschlagenen Weg, noch das größte Ehe-Ungemach (er ist unglücklich verheiratet, das Verhältnis zu seiner Frau Edith völlig "entfremdet") zu erdulden.
Als seine Affäre mit der Studentin Katherine Driscoll aufzufliegen droht, beugt er sich der "Mittelklassemoral" - aus pragmatischen Erwägungen. Dass er damit die Liebe seines Lebens verliert, realisiert er erst später. Als seine Tochter Grace, kaum erwachsen, zu trinken beginnt, nimmt er es hin, ohne daran etwas ändern zu wollen.
Auch hier folgt er seiner Devise, "einer erdrückenden Welt ein ausdrucksloses, hartes, düsteres Gesicht zu zeigen". Und doch ist es nicht etwa eine starre Maskenhaftigkeit, die Stoner in der Universität (an die ihn ein "verhaltener Glaube" bindet) in hohem Alter zu einer "beinahe mythischen Gestalt" werden lässt. Stoner ist ein leiser Held, ein Heros der Beharrlichkeit. Seine stille Leidenschaft gilt weiß Gott nicht nur dem Mysterium der Literatur, obwohl er für sie eine schöne Definition findet. Literatur, so heißt es in John Williams’ brillantem, psychologisch subtilen Roman, ist die "Epiphanie, durch Worte etwas zu erkennen, was sich in Worte nicht fassen ließ".
In den Niederlanden stand "Stoner" in diesem Jahr monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste. In Italien erlebte das Buch elf Auflagen. Posthum ist "Stoner" dieser Erfolg auch hierzulande unbedingt zu wünschen. Eine große Wiederentdeckung!
Rezensiert von Knut Cordsen
John Williams: Stoner
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013
352 Seiten, 19,90 Euro
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013
352 Seiten, 19,90 Euro