"Leider müssen wir Ihnen mitteilen…"

Von Teresa Schomburg |
Jobsuchende kennen diesen Satz: "Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass …" - Nun drehen Betroffene den Spieß um und verschicken Absagen an Unternehmen. Heute eröffnet in Berlin die erste "Absageagentur".
Mit Absagen kennt Thomas Klauck sich aus. Monatelang saß er am Schreibtisch, durchsurfte alle Online-Jobbörsen und schrieb Bewerbungen wie besessen. Doch kein Verlag, keine Bibliothek und kein Kunstverein wollte den studierten Philosophen einstellen. Jeden Tag wuchs der Stapel mit Absagen auf seinem Tisch, und mit jeder Absage wuchs der Frust.

Thomas Klauck: "Es gibt halt immer dieses Gefühl dann zum Briefkasten zu gehen, und man sieht diese Absagen und denkt halt, eigentlich hätt ich das doch sehr gerne gearbeitet, aber ich bin noch nicht mal in die nächste Runde gekommen, sondern ich bin halt gleich abgelehnt worden, warum auch immer... "

Katrin Lehnert blieb bisher verschont vor solch einem Szenario, brütet sie doch derzeit über ihrer Magisterarbeit in Europäischer Ethnologie. Besorgt zieht sie jedoch die Stirn in Falten, wenn sie an ihre Freunde denkt.

Katrin Lehnert: "Ich merke halt total, wie bei meinen Freunden nach mehreren Absagen auf ihre Bewerbungen hin das Gefühl einsetzt, dass sie selbst daran schuld sind. Sie denken, ich bin nicht gut genug, ich hab irgendwas falsch gemacht..."

... und deshalb drehen Klauck und Lehnert den Spieß jetzt einfach um. Gemeinsam riefen sie die Absageagentur ins Leben. Auch bei den Unternehmen sollten sich die Absagen stapeln. Nächtelang saßen die beiden frischgebackenen Vermittler am Computer, entwarfen Texte für Absagebriefe, gespickt mit Standardfloskeln in bestem Beamtendeutsch:

"Nach sorgfältiger Prüfung Ihres Angebots muss ich Ihnen leider mitteilen, dass die oben genannte Ausschreibung nicht meinen Ansprüchen gerecht wird. Daher muss ich Ihnen hiermit bedauerlicherweise eine Absage schicken. Ich versichere Ihnen, dass meine Entscheidung keine Abwertung Ihrer Person oder Ihres Unternehmens bedeutet, sondern ausschließlich auf meine Auswahlkriterien zurückzuführen ist.
Mit der Bitte um Verständnis und
mit freundlichen Grüßen,
Ihre Absageagentur"

Das Formular steht nun im Internet bereit. Bewusst stellen Klauck und Lehnert den Jargon der Bundesagentur für Arbeit auf den Kopf. Einen Bewerbungsmüden, der den Service nutzt, nennen die beiden ihren "Kunden". Der Kunde füllt das Formular aus, und die Absageagenten leiten das Schreiben an das gewünschte Unternehmen weiter. Auch eigene Textkreationen sind gern gesehen. Per Agentur nein sagen, kostet nichts, dafür bekommen die Absagegeplagten einiges geboten.

Klauck: "Ich bin nicht nur immer der, der darauf warten muss, dass mir endlich irgend jemand ne schlecht bezahlte oder ne gar nicht bezahlte Arbeit oder ne Arbeit, die halt unmögliche Bedingungen hat, anbietet und muss dann glücklich darüber sein, sondern ich kann halt einfach selbst absagen."

Die ersten Kunden sind zufrieden. Annika Seifert rackerte sich monatelang als Praktikantin bei Filmproduktionsfirmen ab. Dafür sah sie keinen Cent, auch aus einem Volontariat wurde nichts. Unbezahlt als Praktikantin arbeiten? Da macht sie nicht mehr mit. Jetzt bringt sie ihren Ärger zu Papier.

Annika Seifert: "Ich hab Spaß daran, mir die Leute vorzustellen, wie sie den Brief aufmachen und denken, das ist die 600. Bewerbung, und dann stutzen: Moment mal: Absage? Was bedeutet das denn? [...] Ich find es gut, wenn man anstatt über Begebenheiten immer zu lamentieren, wenn man einfach etwas macht, wo ein großer Witz, wo eine Idee hinter steckt."

Heute macht die Agentur ein Büro in Berlin-Kreuzberg auf. In der Warteecke dümpelt eine Grünpflanze, weiße Raufasertapete klebt an der Wand. Offiziell und auch ein wenig steril sieht es aus, fast wie auf dem Arbeitsamt. Auf einem Tisch liegt ein Stapel Zeitungen. Kunden blättern den Stellenmarkt durch auf der Suche nach absagenswerten Anzeigen. Auch Zweckentfremdern stehen die Türen offen.

Lehnert: "Ja, wenn die Leute zu uns kommen wollen und statt Absagen zu schreiben die Stellenanzeigen lesen wollen, weil sie wirklich ´nen Job suchen und Bewerbungen schreiben wollen, dann haben wir da auch nichts dagegen, also wir werden dann nicht daneben stehen und gucken, was die Leute machen...."

...im Gegenteil, der Ort soll Treffpunkt sein für alle, die sich austauschen wollen über ihre Odysseen auf dem Arbeitsmarkt oder über den Stellenwert von Arbeit allgemein.
T-Shirts mit dem Aufdruck "Ich habe abgesagt" verkaufen Klauck und Lehnert hier. Ansonsten hält sich die Agentur mit Fördermitteln aus dem politischen Fonds "Netzwerke" über Wasser. Für zwei Monate reichen die Finanzen, dann ist die Aktion vorbei. Und dann?

Klauck: "Und dann - geht der ganze Prozess wahrscheinlich wieder von vorne los."

Die beiden Arbeitsmarktguerilleros müssen dann wieder Bewerbungen schreiben und Absagen einstecken. Bis doch noch jemand sagt: Sie sind der, den wir suchen. Wir wollen Sie.