Tanzen ohne Zwangspause
In den Leipziger Clubs kann nun durchgetanzt werden: Der Stadtrat hob nach Druck aus der Kreativszene die sogenannte Putzstunde zwischen fünf und sechs Uhr auf. Aber ob jetzt wirklich durchgefeiert werden kann, ist dennoch offen.
"Tja, das ist glaube ich so eine Entwicklung der allgemeinen Verspießerung."
Eckbert Pietsch sitzt am Tresen in einer Bar im Westen von Leipzig.
"Nach 25 Jahren Westen wird jetzt eben hier die Ordnung auf der ganzen Linie durchgezogen. Ich glaube, da kommt das auch ein bisschen her, dass sie dachten, jetzt müssen wir das mal durchsetzen, die Ordnung, ja. Es gibt ja ein Gesetz!"
Eckbert Pietsch ist Herausgeber des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer. Und er ärgert sich. Den Grund dafür lieferte das Ordnungsamt. Das hat nämlich vor einiger Zeit angefangen, die Sperrstunde durchzusetzen. Und damit drohe – so der kritische Stadtbeobachter Pietsch - der Untergang eines letzten verbliebenen Restes von Anarchie aus der Wendezeit. Dabei wusste bis vor kurzem in Leipzig kaum jemand, dass es diese Sperrstunde von fünf bis sechs Uhr morgens – überhaupt gibt. Selbst das Stadtmarketing warb mit ihrer Nicht-Existenz:
"Und das Beste: Das Leipziger Nachtleben kennt keine Sperrstunde."
Eilig musste man diese Werbung zurückziehen.
Eckbert Pietsch sitzt am Tresen in einer Bar im Westen von Leipzig.
"Nach 25 Jahren Westen wird jetzt eben hier die Ordnung auf der ganzen Linie durchgezogen. Ich glaube, da kommt das auch ein bisschen her, dass sie dachten, jetzt müssen wir das mal durchsetzen, die Ordnung, ja. Es gibt ja ein Gesetz!"
Eckbert Pietsch ist Herausgeber des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer. Und er ärgert sich. Den Grund dafür lieferte das Ordnungsamt. Das hat nämlich vor einiger Zeit angefangen, die Sperrstunde durchzusetzen. Und damit drohe – so der kritische Stadtbeobachter Pietsch - der Untergang eines letzten verbliebenen Restes von Anarchie aus der Wendezeit. Dabei wusste bis vor kurzem in Leipzig kaum jemand, dass es diese Sperrstunde von fünf bis sechs Uhr morgens – überhaupt gibt. Selbst das Stadtmarketing warb mit ihrer Nicht-Existenz:
"Und das Beste: Das Leipziger Nachtleben kennt keine Sperrstunde."
Eilig musste man diese Werbung zurückziehen.
Eine Existenzbedrohung fürs Nachtleben?
Die Clubs der Stadt aber fühlten sich plötzlich in ihrer Existenz bedroht.
"Die Distillery macht in der Regel am Samstag gegen 12 Uhr nachts auf, geht dann meistens bis früh um zehn."
Steffen Kache betreibt die Distillery, den nach eigener Aussage ältesten Techno-Club Ostdeutschlands. Er hat gerade mit seinen Mitarbeitern die letzten Reste des Wochenendes weggeräumt. Jetzt hat er sich entspannte Musik an der Bar angemacht und trinkt einen Kaffee, ganz entspannt, wie die Musik, die im Hintergrund läuft.
"Am Wochenende waren hier ganz viele Leute, die haben Musik gehört, getanzt, sich gefreut. Und wir sagen immer das ist unser Wohnzimmer. Das ist das wichtige, dass halt die Leute zusammenkommen, Spaß haben."
Aber Spaß mit Unterbrechung - das funktioniert nicht. Am deutlichsten merkte das das "Institut für Zukunft", der Club schräg gegenüber, bei dem das Ordnungsamt zeitweise die Sperrstunde rigoros durchsetzte, woraufhin es immer weniger Besucher wurden.
"Das ist genau die Zeit, wo in unseren elektronischen Clubs im Prinzip die Peaktime herrscht. Das heißt, dadurch dass die Leute in der Regel erst ab ein Uhr kommen und sich warmgrooven müssen, ist so die Peaktime, sagen wir so zwischen drei und sechs. Und wenn du natürlich weißt, ok um fünf muss der Laden zu machen, dann kommt niemand mehr."
In den Augen der selbstbewussten Clubbetreiber stand deshalb grundlos ein ganzer Zweig der viel gerühmten Leipziger Kreativszene vor dem Aus.
"Die Distillery macht in der Regel am Samstag gegen 12 Uhr nachts auf, geht dann meistens bis früh um zehn."
Steffen Kache betreibt die Distillery, den nach eigener Aussage ältesten Techno-Club Ostdeutschlands. Er hat gerade mit seinen Mitarbeitern die letzten Reste des Wochenendes weggeräumt. Jetzt hat er sich entspannte Musik an der Bar angemacht und trinkt einen Kaffee, ganz entspannt, wie die Musik, die im Hintergrund läuft.
"Am Wochenende waren hier ganz viele Leute, die haben Musik gehört, getanzt, sich gefreut. Und wir sagen immer das ist unser Wohnzimmer. Das ist das wichtige, dass halt die Leute zusammenkommen, Spaß haben."
Aber Spaß mit Unterbrechung - das funktioniert nicht. Am deutlichsten merkte das das "Institut für Zukunft", der Club schräg gegenüber, bei dem das Ordnungsamt zeitweise die Sperrstunde rigoros durchsetzte, woraufhin es immer weniger Besucher wurden.
"Das ist genau die Zeit, wo in unseren elektronischen Clubs im Prinzip die Peaktime herrscht. Das heißt, dadurch dass die Leute in der Regel erst ab ein Uhr kommen und sich warmgrooven müssen, ist so die Peaktime, sagen wir so zwischen drei und sechs. Und wenn du natürlich weißt, ok um fünf muss der Laden zu machen, dann kommt niemand mehr."
In den Augen der selbstbewussten Clubbetreiber stand deshalb grundlos ein ganzer Zweig der viel gerühmten Leipziger Kreativszene vor dem Aus.
8000 Unterschriften gegen die Putzstunde
"Dann brechen die Clubs weg. Die Clubs selber sind ganz entscheidend für die Entwicklung der Künstler an sich. Ein Künstler fängt zum Beispiel immer an in einem kleinen Club zu spielen. Kein Künstler tritt sofort in einem Stadion oder wo auch immer auf. Die fangen immer in kleinen Clubs an und das sind halt wir. Und wenn es uns halt nicht mehr gibt. Dann ist das wie so eine Nahrungskette. Wenn da ein Glied wegbricht, dann bricht halt alles zusammen."
Über Monate sorgt das Thema in Leipzig für Gesprächsstoff an Tresen und in Ämtern. Denn die Clubs haben sich organisiert, um die Stadt dazu zu bringen, die Sperrstunde auszusetzen. In einer Petition haben sie über 8000 Unterschriften gesammelt. Und Gegenwind von Anwohnern, die sich von der Musik gestört fühlten, gab es keinen. Die Clubs liegen nicht direkt in Wohngebieten. Deshalb rannten Kache und seine Kollegen mit ihrem Anliegen bei den Kommunalvertretern offene Türen ein. Wie bei Norman Volger, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Stadtrat, der den plötzlichen Aktionismus des Ordnungsamtes nicht verstehen kann.
"Totaler Wahnsinn. Ich kann das tatsächlich gar nicht nachvollziehen. Das ist ja aus verschiedensten Gründen total kontraproduktiv. Man stelle sich einfach mal vor, um fünf Uhr morgens würden alle Clubs der Stadt schließen und alle besoffenen Clubbesucher würden in die Nacht entlassen. Das wäre es dann für den Nachtschlaf."
Über Monate sorgt das Thema in Leipzig für Gesprächsstoff an Tresen und in Ämtern. Denn die Clubs haben sich organisiert, um die Stadt dazu zu bringen, die Sperrstunde auszusetzen. In einer Petition haben sie über 8000 Unterschriften gesammelt. Und Gegenwind von Anwohnern, die sich von der Musik gestört fühlten, gab es keinen. Die Clubs liegen nicht direkt in Wohngebieten. Deshalb rannten Kache und seine Kollegen mit ihrem Anliegen bei den Kommunalvertretern offene Türen ein. Wie bei Norman Volger, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Stadtrat, der den plötzlichen Aktionismus des Ordnungsamtes nicht verstehen kann.
"Totaler Wahnsinn. Ich kann das tatsächlich gar nicht nachvollziehen. Das ist ja aus verschiedensten Gründen total kontraproduktiv. Man stelle sich einfach mal vor, um fünf Uhr morgens würden alle Clubs der Stadt schließen und alle besoffenen Clubbesucher würden in die Nacht entlassen. Das wäre es dann für den Nachtschlaf."
Der Stadtrat lenkt ein
Der Stadtrat sah aber schließlich vor allem die Kreativszene und damit eine entscheidende Säule des Leipziger Aufschwungs der vergangenen Jahre in Gefahr und hat jetzt mit deutlicher Mehrheit die Sperrstunde aufgehoben.
"Sind wir mal ehrlich, der positive Wandel von Leipzig hat doch nichts damit zu tun, dass die Politik in Leipzig so viel richtig gemacht hat. Sondern die Politik hat der Stadt die Freiräume gelassen, dass sie sich hier entfalten konnten."
Die Landesdirektion – der verlängerte Arm der deutlich konservativeren Dresdner Landesregierung – kann nun das Ganze noch zu Fall bringen. Wenn nicht, kann in der Distillery und in den anderen Leipziger Clubs ganz legal die ganze Nacht durchgetanzt werden, während sie in vielen anderen Städten weiter darauf angewiesen sind, dass die Ordnungsämter wegschauen und die Sperrstunde nicht durchsetzen. Steffen Kache freut sich über die liberale Einstellung der Stadt. Das, so weiß er, ist nicht überall so.
"In Bayern gibt es auch noch so ein lustiges Gesetz, dass die sonntagvormittags zwischen sieben und elf auch keine Veranstaltungen machen dürfen, weil das dort die Regelzeit für Gottesdienste ist. Naja, also da gibt es schon noch Unterschiede in Deutschland."
"Sind wir mal ehrlich, der positive Wandel von Leipzig hat doch nichts damit zu tun, dass die Politik in Leipzig so viel richtig gemacht hat. Sondern die Politik hat der Stadt die Freiräume gelassen, dass sie sich hier entfalten konnten."
Die Landesdirektion – der verlängerte Arm der deutlich konservativeren Dresdner Landesregierung – kann nun das Ganze noch zu Fall bringen. Wenn nicht, kann in der Distillery und in den anderen Leipziger Clubs ganz legal die ganze Nacht durchgetanzt werden, während sie in vielen anderen Städten weiter darauf angewiesen sind, dass die Ordnungsämter wegschauen und die Sperrstunde nicht durchsetzen. Steffen Kache freut sich über die liberale Einstellung der Stadt. Das, so weiß er, ist nicht überall so.
"In Bayern gibt es auch noch so ein lustiges Gesetz, dass die sonntagvormittags zwischen sieben und elf auch keine Veranstaltungen machen dürfen, weil das dort die Regelzeit für Gottesdienste ist. Naja, also da gibt es schon noch Unterschiede in Deutschland."