Leipzig trotzt der Krise
An diesem Wochenende findet in der Leipziger Baumwollspinnerei der traditionelle Galerienrundgang statt. 15 Galerien und Kunsträume zeigen Kunst und laden dazu Sammler und Museumsleute aus aller Welt ein. - Und man blickt trotz Wirtschaftskrise optimistisch in die Zukunft.
Mit einem satten Anti-Statement eröffnet heute der Leipziger Galerienrundgang. Während Gesellschaftsspalten in Zeitungen vermelden, welcher Empfang dank Krise gestrichen wird und wo es nur noch Selters statt Sekt gibt, setzt die Baumwollspinnerei auf Luxus. Spinnerei-Chef Bertram Schultze:
"Wir machen ein Zelt vor dem Schornstein, ein weißes Zelt mit Austern und Champagner, und wir glauben einfach, es ist angemessen, ein weißes Zelt auf diese grüne Fläche draufzustellen und da mal Hummer und Champagner zu reichen in der Zeit, wo es sonst wahrscheinlich kein anderer macht, und wir haben es in den Jahren vorher nicht gemacht, von daher machen wir’s jetzt einfach."
In Leipzig sieht man, was den Kunstmarkt angeht, der Krise gelassen ins Auge. Zwar ist der Boom um die Malerei der Neuen Leipziger Schule vorbei, aber Leipzig hat sich als Stadt der Kunst etabliert. Hier wird immer noch verkauft, und vor allem gemacht und gezeigt – und die Baumwollspinnerei ist der Ort dafür.
Bertram Schultze führt durch Halle 14, das Herzstück des alten Industriegeländes im Leipziger Stadtteil Plagwitz. Hier sieht es so gar nicht nach Austern und Champagner aus, eher nach Bockwurst und Brause. Denn zwischen den Backsteinwänden mit den rostigen Fensterrahmen wurde einst hart gearbeitet, genauer Baumwolle versponnen – im größten kontinental-europäischen Betrieb dieser Art.
"Wir stehen jetzt im ersten Obergeschoss der Halle 14, so ein Geschoss in der Halle 14 hat ungefähr 4000 Quadratmeter. Mit Keller sprechen wir also in der Halle 14 von fast 20.000 Quadratmetern Nutzfläche, die man hier hat."
Auf einem Symposium vor sieben Jahren dachten hier Architekten, Wissenschaftler und Künstler über die Zukunft der Spinnerei nach.
Heute steht die Halle 14 für die erfolgreiche Mischnutzung des Spinnereigeländes. Innen nichtkommerzielle Ausstellungen, außen in den Nebengebäuden drumherum kommerzielle Galerien und kunstnahe Dienstleister, aber auch ein Callcenter und ein Computergroßmarkt. Die Spinnerei ist keine Hochglanzkulisse geworden, aus der die alten Mieter verdrängt werden. Rund einhundert Künstler haben ihre Ateliers auf dem Gelände – Tendenz steigend.
Leipzigs Alpha-Galerist Judy Lybke freut das Treiben auf dem Spinnerei-Areal. Seine Kollegen in Berlin und München müssen Galerien schließen. In Leipzig, sagt er, lässt sich die Krise aushalten.
"Wenn du überall rumguckst, und du hast überall Mieten für sieben, acht Euro, und du hast dort eine Miete für drei Euro fünfzig in einem funktionierenden System wie die Spinnerei es ist, na ja, dann gehst du dorthin und zahlst deine drei Euro fünfzig, hast sogar mehr Aufmerksamkeit, bist in einem Pool drin. In einer Krisenzeit kannst du dort überleben.
Der Mexikaner, der da ist, der freut sich tot. Der zahlt 5000 Euro für so einen ganz kleinen Raum fürs Jahr und hat einfach noch die Werkhalle dazugemietet und macht eine große Ausstellung dort."
Der Mexikaner, das ist Hilario Galguera. Zum Frühsjahrsrundgang letztes Jahr eingeladen, blieb er gleich in Leipzig. Jetzt veranstaltet er so etwas wie den Rundgangshöhepunkt dieses Jahres. Eine Ausstellung nach einem Film von Sergej Eisenstein, der in den 1930er-Jahren Mexiko bereiste.
Der mexikanische Galerist arrangierte die Gruppenausstellung in der von Licht durchfluteten, gut 900 Quadratmeter großen Werkschauhalle. Junge mexikanische Künstler treffen auf Stars des Kunstmarkts. Jannis Kounellis baute einen Totentanz aus Damenschuhen und Beinprothesen auf. Daniel Buren hat die Säulen der Halle mit seinen Streifenbildern versehen. Und – die Überraschung dieses Spinnereirundgangs – von Damien Hirst sind drei großformatige Leinwände und eine übermannsgroße Bronzeskulptur zu sehen.
Große Namen also als Publikumsmagnete. Daneben aber gibt es die Entdeckungen. Frank Bölter zum Beispiel stellt ein neun Meter langes Origami-Schiff aus. Das hat er aus Milchkartons gefaltet, gemeinsam mit den Kindern von Werftarbeitern in Lauenburg. "Bis ans Ende der Welt" hieß sein Aktions-Kunstprojekt – und es geriet zu einer Satire auf die Reguliertheit unseres verwalteten Lebens:
"Dann war es so, dass die Behörden die Auflagen so hochgeschraubt haben, dass ich die nicht erfüllen konnte. Ich bin aber trotzdem gestartet. Und als das Rolltor dann hochging von der Werft und das Schiff zu Wasser gelassen wurde mit mir als Passagier, stand die Wasserschutzpolizei direkt davor vor dem Tor und hat die Elbe gesperrt, so dass das Ende der Welt eigentlich ein bürokratisches geworden ist und die Reise dann schon zu Ende war."
Die Columbus Art Foundation hat Frank Bölter ihren Galerieraum in Leipzig zur Verfügung gestellt. Charmantes Chaos neben Kommerz - in der Spinnerei geht das zusammen. Die Fallhöhe der hiesigen Galerien sei in Krisenzeiten gering, hört man, die Gründe: Niedrige Mieten, kleine Mitarbeiterstäbe, ein international bekanntes Etikett. Und Galerist Judy Lybke hat seine ganz eigene Erklärung für die Leipziger Stabilität.
"Der Leipzig-Boom ist schon seit Zwölfhundertnochwas nicht ausgelaufen. Seitdem sind wir Handelsstadt, und Johann Sebastian Bach war 27 Jahre lange dort, hat fast alle seine Kantaten dort geschrieben, und jetzt lebt dort Neo Rauch und die anderen. Ich meine, da ist nichts mit Auslaufen, sondern das ist eine Tradition. An einer langen Schnur werden dort einfach die Perlen aufgefädelt."
"Wir machen ein Zelt vor dem Schornstein, ein weißes Zelt mit Austern und Champagner, und wir glauben einfach, es ist angemessen, ein weißes Zelt auf diese grüne Fläche draufzustellen und da mal Hummer und Champagner zu reichen in der Zeit, wo es sonst wahrscheinlich kein anderer macht, und wir haben es in den Jahren vorher nicht gemacht, von daher machen wir’s jetzt einfach."
In Leipzig sieht man, was den Kunstmarkt angeht, der Krise gelassen ins Auge. Zwar ist der Boom um die Malerei der Neuen Leipziger Schule vorbei, aber Leipzig hat sich als Stadt der Kunst etabliert. Hier wird immer noch verkauft, und vor allem gemacht und gezeigt – und die Baumwollspinnerei ist der Ort dafür.
Bertram Schultze führt durch Halle 14, das Herzstück des alten Industriegeländes im Leipziger Stadtteil Plagwitz. Hier sieht es so gar nicht nach Austern und Champagner aus, eher nach Bockwurst und Brause. Denn zwischen den Backsteinwänden mit den rostigen Fensterrahmen wurde einst hart gearbeitet, genauer Baumwolle versponnen – im größten kontinental-europäischen Betrieb dieser Art.
"Wir stehen jetzt im ersten Obergeschoss der Halle 14, so ein Geschoss in der Halle 14 hat ungefähr 4000 Quadratmeter. Mit Keller sprechen wir also in der Halle 14 von fast 20.000 Quadratmetern Nutzfläche, die man hier hat."
Auf einem Symposium vor sieben Jahren dachten hier Architekten, Wissenschaftler und Künstler über die Zukunft der Spinnerei nach.
Heute steht die Halle 14 für die erfolgreiche Mischnutzung des Spinnereigeländes. Innen nichtkommerzielle Ausstellungen, außen in den Nebengebäuden drumherum kommerzielle Galerien und kunstnahe Dienstleister, aber auch ein Callcenter und ein Computergroßmarkt. Die Spinnerei ist keine Hochglanzkulisse geworden, aus der die alten Mieter verdrängt werden. Rund einhundert Künstler haben ihre Ateliers auf dem Gelände – Tendenz steigend.
Leipzigs Alpha-Galerist Judy Lybke freut das Treiben auf dem Spinnerei-Areal. Seine Kollegen in Berlin und München müssen Galerien schließen. In Leipzig, sagt er, lässt sich die Krise aushalten.
"Wenn du überall rumguckst, und du hast überall Mieten für sieben, acht Euro, und du hast dort eine Miete für drei Euro fünfzig in einem funktionierenden System wie die Spinnerei es ist, na ja, dann gehst du dorthin und zahlst deine drei Euro fünfzig, hast sogar mehr Aufmerksamkeit, bist in einem Pool drin. In einer Krisenzeit kannst du dort überleben.
Der Mexikaner, der da ist, der freut sich tot. Der zahlt 5000 Euro für so einen ganz kleinen Raum fürs Jahr und hat einfach noch die Werkhalle dazugemietet und macht eine große Ausstellung dort."
Der Mexikaner, das ist Hilario Galguera. Zum Frühsjahrsrundgang letztes Jahr eingeladen, blieb er gleich in Leipzig. Jetzt veranstaltet er so etwas wie den Rundgangshöhepunkt dieses Jahres. Eine Ausstellung nach einem Film von Sergej Eisenstein, der in den 1930er-Jahren Mexiko bereiste.
Der mexikanische Galerist arrangierte die Gruppenausstellung in der von Licht durchfluteten, gut 900 Quadratmeter großen Werkschauhalle. Junge mexikanische Künstler treffen auf Stars des Kunstmarkts. Jannis Kounellis baute einen Totentanz aus Damenschuhen und Beinprothesen auf. Daniel Buren hat die Säulen der Halle mit seinen Streifenbildern versehen. Und – die Überraschung dieses Spinnereirundgangs – von Damien Hirst sind drei großformatige Leinwände und eine übermannsgroße Bronzeskulptur zu sehen.
Große Namen also als Publikumsmagnete. Daneben aber gibt es die Entdeckungen. Frank Bölter zum Beispiel stellt ein neun Meter langes Origami-Schiff aus. Das hat er aus Milchkartons gefaltet, gemeinsam mit den Kindern von Werftarbeitern in Lauenburg. "Bis ans Ende der Welt" hieß sein Aktions-Kunstprojekt – und es geriet zu einer Satire auf die Reguliertheit unseres verwalteten Lebens:
"Dann war es so, dass die Behörden die Auflagen so hochgeschraubt haben, dass ich die nicht erfüllen konnte. Ich bin aber trotzdem gestartet. Und als das Rolltor dann hochging von der Werft und das Schiff zu Wasser gelassen wurde mit mir als Passagier, stand die Wasserschutzpolizei direkt davor vor dem Tor und hat die Elbe gesperrt, so dass das Ende der Welt eigentlich ein bürokratisches geworden ist und die Reise dann schon zu Ende war."
Die Columbus Art Foundation hat Frank Bölter ihren Galerieraum in Leipzig zur Verfügung gestellt. Charmantes Chaos neben Kommerz - in der Spinnerei geht das zusammen. Die Fallhöhe der hiesigen Galerien sei in Krisenzeiten gering, hört man, die Gründe: Niedrige Mieten, kleine Mitarbeiterstäbe, ein international bekanntes Etikett. Und Galerist Judy Lybke hat seine ganz eigene Erklärung für die Leipziger Stabilität.
"Der Leipzig-Boom ist schon seit Zwölfhundertnochwas nicht ausgelaufen. Seitdem sind wir Handelsstadt, und Johann Sebastian Bach war 27 Jahre lange dort, hat fast alle seine Kantaten dort geschrieben, und jetzt lebt dort Neo Rauch und die anderen. Ich meine, da ist nichts mit Auslaufen, sondern das ist eine Tradition. An einer langen Schnur werden dort einfach die Perlen aufgefädelt."