Leistungsorientiert und zugleich eine kulturelle Bereicherung
Düsseldorf hat mit 7200 Mitgliedern die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland - nach Berlin und München. Im Herbst 2014 will sie ihr eigenes Gymnasium eröffnen. Ein noch umzubauendes Schulgebäude ist bereits gefunden - aber der Zeitplan ist sportlich.
Das jüdische Gymnasium sei, so wird betont, eine wichtige Investition in die Zukunft.
Das Bildungs- und Kulturangebot der jüdischen Gemeinde Düsseldorf ist höchst anspruchsvoll und weit gefächert: Es gibt einen Kindergarten, die Kinder- und Jugendakademie, ein Jugendzentrum, eine Religionsschule und die Yitzak Rabin-Grundschule.
So lernen Mädchen und Jungen von der ersten Klasse an neben Deutsch auch Hebräisch, Englisch und Russisch, - und natürlich viel über ihre jüdische Kultur und Religion. Wechseln sie dann auf ein städtisches Gymnasium, wird dieser Bildungskanon aber spürbar eingeschränkt. Statt ”jüdische Religion", können sie dann zum Beispiel nur das Fach ”Praktische Philosophie" belegen, erklärt der 13-jährige Dubi:
"Also, es wäre schon toll, wenn es dann einen Hebräischunterricht geben würde und eine tiefgründigere Lehre jüdischer Philosophie. Und vielleicht auch für die Leute, die nicht aus traditionellen oder orthodoxen Familien stammen, dass sie auch noch lernen, was das jüdische Alltagsleben beherbergt, sodass man die Leute aufklärt, und nicht das alle ein Weltbild haben, das nur aus einem Bart und einem Hut besteht. "
Überhaupt vermisst er in der Schule eine, wie er sagt, ”jüdische Umgebung":
"Morgens, da würde ich schon gerne beten. Aber das Problem ist, mit der Zeit komme ich nicht hin, und der Schule ist es doch schon etwas anders. Ich will einfach nicht, dass dort ein Konflikt entsteht."
Widrigkeiten, die Kinder jüdischer Familien in Düsseldorf bald nicht mehr treffen, wenn im Herbst nächsten Jahres das jüdische Gymnasium eröffnet wird. Das Konzept sieht eine vierzügige Ganztagsschule vor, also jeweils mit vier Klassen pro Jahrgangsstufe, erklärt Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde:
"Um ein Gymnasium in der Oberstufe so vernünftig anbieten zu können, dass alle Grundkurse und alle Leistungskurse angeboten werden, muss ein Gymnasium vierzügig sein. Ein vierzügiges Gymnasium ausschließlich mit jüdischen Kindern ist eine Illusion. Ich habe ungefähr, wenn es hochkommt, sagen wir mal 43-44 Kinder pro Jahrgang. Davon kann ich bestenfalls ein zweizügiges Gymnasium machen. Da kann ich also nicht alles anbieten."
Deshalb hat die jüdische Gemeinde mit der Stadt Düsseldorf vereinbart, dass in der Eingangsklasse, in der 5. also, 95 Prozent der Kinder aus Düsseldorf kommen müssen. Eine Verpflichtung, die ab der 6. Klassen nicht mehr gelten soll. So können nicht nur alle Mädchen und Jungen von der Yitzak-Rabin-Grundschule - und etwa fünf Kinder aus benachbarten jüdischen Gemeinden dorthin wechseln.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Von Anfang an planen wir: Die Hälfte der Kinder werden aller Voraussicht nach nich-jüdisch sein."
Frage nun an Rabbiner Ahron Ran Vernikowsky: Wird es für Kinder von städtischen Grundschulen vielleicht schwierig, beim Lernen mit ihren jüdischen Klassenkameraden mitzuhalten, von denen immerhin 90Prozent eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen?
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Das ist richtig. Wir haben auf der Yizak Rabin-Grundschule eine hohe Quote an Gymnasialempfehlungen. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus sehr leistungsorientierten Elternhäusern. Das ist richtig. Aber ich glaube nicht, dass deswegen die Schule jetzt für andere Schüler überhaupt nicht mehr infrage kommt."
Es wird ein leistungsorientiertes Gymnasium, so der Rabbiner. Und eine kulturelle Bereicherung für Düsseldorf.
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Erstens, weil ein jüdisches Gymnasium der Stadt etwas bietet, was es bisher nicht gegeben hat. Und zweitens: Ich halte es für sehr wichtig, dass auf einem jüdischen Gymnasium alle Schüler diesen Zugang erhalten zum jüdischen Wissen. Über den Religionsunterricht zum Beispiel oder auf freiwilliger Ebene über Arbeitsgemeinschaften. Gleichzeitig möchten wir auch ein Profil anbieten, das besonders die nichtjüdischen Schüler noch mal anspricht."
Indem jeweils nur zwei Klassen pro Jahrgangsstufe einen jüdischen Schwerpunkt haben werden.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Und dass zwei weitere Züge den sogenannten MINT-Schwerpunkt haben: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Und das ist etwas, was in Düsseldorf in dieser Konstellation noch selten angeboten wird. So hätten wir im Endausbau auch ein 4-zügiges Gymnasium: einmal mit einem jüdischen Zweig und einmal mit einem technischen Zweig."
Natürlich nicht mir starren Grenzen, ergänzt Szentei-Heise noch.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Die Kinder können selbstverständlich auch kreuz und quer die Kurse wählen. Ich gehe auch davon aus, dass manche nichtjüdischen Kinder jüdische Themen wählen werden, genauso wie jüdische Kinder technische Themen wählen werden. Und das soll auch so gemeinsam funktionieren, das ist die Absicht. Das ist das Konzept."
Und wer will, kann auch wieder Russisch belegen.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Die Überlegung ist, dass für Kinder, wo zu Hause russisch gesprochen wird und die russisch ein bischen aufgewachsen sind, dass die russische Sprache es wert ist, dass man sie nicht vergisst."
Das offene Ganztags-Gymnasium mit seinem jüdischen Profil soll eine Schulsynagoge bekommen. Und natürlich eine Schülküche:
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Wenn jemand dort essen will, muss er koscher essen. Das kommt aber den Moslems auch entgegen. Und wenn aber jemand der christlichen Schüler Schweinefleisch essen will, muss er es draußen tun und nicht bei uns."
So können alle Schüler die jüdische Kultur kennenlernen. Und wer Interesse hat: während der hohen Feiertage auch den Kultus ihrer Religion. Freiwillig. Denn an jüdischen Feiertagen wird unterrichtsfrei sein. Ein Vorteil für nichtjüdische Schüler, zumindest auf den ersten Blick, erklärt Szentei-Heise.
"Jüdische Feiertage bedeutet: für die nichtjüdischen Schüler, dass sie sieben bis 13 Tage im Jahr mehr freihaben. Sie müssen dann an keinen Gottesdiensten teilnehmen. Natürlich muss der Unterricht an anderen Tagen nachgeholt werden. Es wird eine Verdichtung an anderer Stelle geben, um diese Tage freizumachen."
Bleibt noch die Frage, wo die jüdische Gemeinde Düsseldorf qualifizierte Pädagogen für ihr Gymnasium finden kann. Für die profanen Fächer wird man die Stellen ausschreiben. Und für jüdische Lehrer, erklärt Szentei-Heise, ist speziell Ungarn eine Option:
"Das hat damit zu tun: In Ungarn haben wir eine politische Situation, da entsteht gerade eine faschistische Diktatur und in Ungarn gibt es eine sehr große jüdische Gemeinde, die ist etwa vergleichbar mit der Größe in der Bundesrepublik. Und viele jüdische Menschen wollen aus Ungarn weg. Und es sind hervorragend ausgebildete Spezialisten im Lehrerbereich, im Beziehungsbereich. Und wenn die ohnehin weg wollen, würde ich sie gerne zum Beispiel nach Düsseldorf holen."
Bereits im Herbst 2014 will die jüdische Gemeinde Düsseldorf ihr Gymnasium in Betrieb nehmen. Es sei ”ein sportliches Ziel" - und eine Investition in die Zukunft.
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Wir müssen ja immer schauen, dass wir unsere Jugend integrieren, und zwar jüdisch integrieren. Das ist ja auch ein Hintergedanke von uns."
Das Bildungs- und Kulturangebot der jüdischen Gemeinde Düsseldorf ist höchst anspruchsvoll und weit gefächert: Es gibt einen Kindergarten, die Kinder- und Jugendakademie, ein Jugendzentrum, eine Religionsschule und die Yitzak Rabin-Grundschule.
So lernen Mädchen und Jungen von der ersten Klasse an neben Deutsch auch Hebräisch, Englisch und Russisch, - und natürlich viel über ihre jüdische Kultur und Religion. Wechseln sie dann auf ein städtisches Gymnasium, wird dieser Bildungskanon aber spürbar eingeschränkt. Statt ”jüdische Religion", können sie dann zum Beispiel nur das Fach ”Praktische Philosophie" belegen, erklärt der 13-jährige Dubi:
"Also, es wäre schon toll, wenn es dann einen Hebräischunterricht geben würde und eine tiefgründigere Lehre jüdischer Philosophie. Und vielleicht auch für die Leute, die nicht aus traditionellen oder orthodoxen Familien stammen, dass sie auch noch lernen, was das jüdische Alltagsleben beherbergt, sodass man die Leute aufklärt, und nicht das alle ein Weltbild haben, das nur aus einem Bart und einem Hut besteht. "
Überhaupt vermisst er in der Schule eine, wie er sagt, ”jüdische Umgebung":
"Morgens, da würde ich schon gerne beten. Aber das Problem ist, mit der Zeit komme ich nicht hin, und der Schule ist es doch schon etwas anders. Ich will einfach nicht, dass dort ein Konflikt entsteht."
Widrigkeiten, die Kinder jüdischer Familien in Düsseldorf bald nicht mehr treffen, wenn im Herbst nächsten Jahres das jüdische Gymnasium eröffnet wird. Das Konzept sieht eine vierzügige Ganztagsschule vor, also jeweils mit vier Klassen pro Jahrgangsstufe, erklärt Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde:
"Um ein Gymnasium in der Oberstufe so vernünftig anbieten zu können, dass alle Grundkurse und alle Leistungskurse angeboten werden, muss ein Gymnasium vierzügig sein. Ein vierzügiges Gymnasium ausschließlich mit jüdischen Kindern ist eine Illusion. Ich habe ungefähr, wenn es hochkommt, sagen wir mal 43-44 Kinder pro Jahrgang. Davon kann ich bestenfalls ein zweizügiges Gymnasium machen. Da kann ich also nicht alles anbieten."
Deshalb hat die jüdische Gemeinde mit der Stadt Düsseldorf vereinbart, dass in der Eingangsklasse, in der 5. also, 95 Prozent der Kinder aus Düsseldorf kommen müssen. Eine Verpflichtung, die ab der 6. Klassen nicht mehr gelten soll. So können nicht nur alle Mädchen und Jungen von der Yitzak-Rabin-Grundschule - und etwa fünf Kinder aus benachbarten jüdischen Gemeinden dorthin wechseln.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Von Anfang an planen wir: Die Hälfte der Kinder werden aller Voraussicht nach nich-jüdisch sein."
Frage nun an Rabbiner Ahron Ran Vernikowsky: Wird es für Kinder von städtischen Grundschulen vielleicht schwierig, beim Lernen mit ihren jüdischen Klassenkameraden mitzuhalten, von denen immerhin 90Prozent eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen?
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Das ist richtig. Wir haben auf der Yizak Rabin-Grundschule eine hohe Quote an Gymnasialempfehlungen. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus sehr leistungsorientierten Elternhäusern. Das ist richtig. Aber ich glaube nicht, dass deswegen die Schule jetzt für andere Schüler überhaupt nicht mehr infrage kommt."
Es wird ein leistungsorientiertes Gymnasium, so der Rabbiner. Und eine kulturelle Bereicherung für Düsseldorf.
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Erstens, weil ein jüdisches Gymnasium der Stadt etwas bietet, was es bisher nicht gegeben hat. Und zweitens: Ich halte es für sehr wichtig, dass auf einem jüdischen Gymnasium alle Schüler diesen Zugang erhalten zum jüdischen Wissen. Über den Religionsunterricht zum Beispiel oder auf freiwilliger Ebene über Arbeitsgemeinschaften. Gleichzeitig möchten wir auch ein Profil anbieten, das besonders die nichtjüdischen Schüler noch mal anspricht."
Indem jeweils nur zwei Klassen pro Jahrgangsstufe einen jüdischen Schwerpunkt haben werden.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Und dass zwei weitere Züge den sogenannten MINT-Schwerpunkt haben: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Und das ist etwas, was in Düsseldorf in dieser Konstellation noch selten angeboten wird. So hätten wir im Endausbau auch ein 4-zügiges Gymnasium: einmal mit einem jüdischen Zweig und einmal mit einem technischen Zweig."
Natürlich nicht mir starren Grenzen, ergänzt Szentei-Heise noch.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Die Kinder können selbstverständlich auch kreuz und quer die Kurse wählen. Ich gehe auch davon aus, dass manche nichtjüdischen Kinder jüdische Themen wählen werden, genauso wie jüdische Kinder technische Themen wählen werden. Und das soll auch so gemeinsam funktionieren, das ist die Absicht. Das ist das Konzept."
Und wer will, kann auch wieder Russisch belegen.
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Die Überlegung ist, dass für Kinder, wo zu Hause russisch gesprochen wird und die russisch ein bischen aufgewachsen sind, dass die russische Sprache es wert ist, dass man sie nicht vergisst."
Das offene Ganztags-Gymnasium mit seinem jüdischen Profil soll eine Schulsynagoge bekommen. Und natürlich eine Schülküche:
Michael Szentei-Heise, Verwaltunsdirektor:
"Wenn jemand dort essen will, muss er koscher essen. Das kommt aber den Moslems auch entgegen. Und wenn aber jemand der christlichen Schüler Schweinefleisch essen will, muss er es draußen tun und nicht bei uns."
So können alle Schüler die jüdische Kultur kennenlernen. Und wer Interesse hat: während der hohen Feiertage auch den Kultus ihrer Religion. Freiwillig. Denn an jüdischen Feiertagen wird unterrichtsfrei sein. Ein Vorteil für nichtjüdische Schüler, zumindest auf den ersten Blick, erklärt Szentei-Heise.
"Jüdische Feiertage bedeutet: für die nichtjüdischen Schüler, dass sie sieben bis 13 Tage im Jahr mehr freihaben. Sie müssen dann an keinen Gottesdiensten teilnehmen. Natürlich muss der Unterricht an anderen Tagen nachgeholt werden. Es wird eine Verdichtung an anderer Stelle geben, um diese Tage freizumachen."
Bleibt noch die Frage, wo die jüdische Gemeinde Düsseldorf qualifizierte Pädagogen für ihr Gymnasium finden kann. Für die profanen Fächer wird man die Stellen ausschreiben. Und für jüdische Lehrer, erklärt Szentei-Heise, ist speziell Ungarn eine Option:
"Das hat damit zu tun: In Ungarn haben wir eine politische Situation, da entsteht gerade eine faschistische Diktatur und in Ungarn gibt es eine sehr große jüdische Gemeinde, die ist etwa vergleichbar mit der Größe in der Bundesrepublik. Und viele jüdische Menschen wollen aus Ungarn weg. Und es sind hervorragend ausgebildete Spezialisten im Lehrerbereich, im Beziehungsbereich. Und wenn die ohnehin weg wollen, würde ich sie gerne zum Beispiel nach Düsseldorf holen."
Bereits im Herbst 2014 will die jüdische Gemeinde Düsseldorf ihr Gymnasium in Betrieb nehmen. Es sei ”ein sportliches Ziel" - und eine Investition in die Zukunft.
Ahron Ran Vernikowsky, Rabbiner:
"Wir müssen ja immer schauen, dass wir unsere Jugend integrieren, und zwar jüdisch integrieren. Das ist ja auch ein Hintergedanke von uns."