Leistungssport der 35-Jährigen

Alter Sack oder alter Hase?

Jens Lehmann hält einen Elfmeter gegen Argentinien im Viertelfinale der Fußball-WM 2006.
Jens Lehmann hält einen Elfmeter gegen Argentinien im Viertelfinale der Fußball-WM 2006. Da war er 36 Jahre alt, seine Karriere beendete er mit 41. © dpa / picture alliance / Michael Hanschke
Von Stefan Osterhaus |
Leistungssportler, die dem Alter trotzen, werden oft bewundert. Dafür gibt es aber überhaupt keinen Grund. Der alte Sack hat im Sport nichts zu suchen. Denn er ist eine blanke Provokation.
Alter ist relativ. Genauso wie das Verhältnis von Alter und Leistung. Früher galt mal im Schwimmen, dass nur Weltklasse sein kann, wer gerade knapp der Pubertät entronnen ist. Turner wirken noch immer wie frisch aus der Grundschule gekommen.
Niemand käme auf die Idee, einen jungen Sportler wegen seiner Jugend zu bewundern. Denn das Alter ist ja kein Wert an sich. Jung ist man einfach. Das ist im Sport normal, und weil dies normal ist, wird deren Gegenteil bewundert: der alte Sack.
Aber niemand würde ihn öffentlich einen alten Sack nennen. Es sind statt dessen freundliche Umschreibungen, die den Wert der Erfahrung herausstreichen sollen: Man nennt ihn Routinier, manchmal auch den alten Hasen. Man feiert ihn nicht unbedingt wegen seiner Leistung. Sondern wegen seines Alters. Das galt auch mal für Lothar Matthäus, als er mit beinahe 40 noch zur EM fuhr. Torhüter wie Jens Lehmann waren schon aus der Ferne an tiefen Geheimratsecken zu erkennen. Und auch etliche Boxer verstanden sich gut darauf, ihre Form zu konservieren. George Foreman wurde mit imposanten Punch und dicker Plautze Weltmeister. Da war er 45.
Der alte Sack lässt uns alle alt aussehen
Natürlich wurden diese alten Herren von Weltklasse gefeiert. Das war dann endlich mal einer, der den eigenen Altersgenossen aufzeigte, was alles so gehen kann im fortgeschrittenem Alter, kurz vor der Sportler-Rente.
Aber wenn wir ganz ehrlich sind: All das Gequatsche darum war unerträglich. Warum? Die alten Herren (und Damen), die sich zur Höchstleistung aufschwingt, halten den Jungen einen Spiegel vor: Seht her, wir können es immer noch genauso gut wie ihr. Und denen, die am Alter und im Alter leiden, zeigen sie nur, wie weit sie von ihnen – von uns Normalsterblichen – entfernt sind, wie überlegen sie sind.
Der alte Sack lässt uns alle alt aussehen. Und indem er die Jungen alt und die Alten noch älter aussehen lässt, diskriminiert er Alter und Jugend gleichermaßen. Das ist eine Provokation, die wir nicht hinnehmen können, eigentlich. Aber niemand schreit auf. Weil wir alle älter werden. Konsequent machen es leider nur die Amateurboxer. Mit 37 ist Schluss. Eine humane Lösung. Also, liebe Weltklasse-Omas und Opas: Raus aus dem Wettbewerb! Ab zum Seniorensport!
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