Regisseurin Leni Riefenstahl

"Sie war eine große Manipulatorin"

Beim Reichsparteitag der NSDAP im Jahr 1934 in Nürnberg treffen Reichskanzler Adolf Hitler und seine Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl aufeinander. Er demonstriert seine Macht, sie hält das Ereignis im Propagandafilm "Triumph des Willens" fest.
Gut gelaunt beim Reichsparteitag der NSDAP im Jahr 1934 in Nürnberg: Reichskanzler Adolf Hitler neben seiner Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl, die dort den Propagandafilm "Triumph des Willens" dreht. © picture alliance / CPA Media Co. Ltd
Leni Riefenstahl trug mit ihren Propagandafilmen mit zum Erfolg des NS-Regimes bei. Nach dem Krieg inszenierte sie sich jedoch als Opfer. Eine Strategie, die auch heutige Rechtspopulisten gerne nutzen.
Leni Riefenstahl zählt zu den bekanntesten Regisseurinnen des 20. Jahrhunderts und hat NS-Propaganda in ästhetische Bilder gekleidet. Sie verstand sich zeitlebens als unpolitische Künstlerin und wehrte sich vehement gegen kritische Berichterstattung, zum Teil mit Erfolg. Dennoch endete ihre steile Karriere nach 1945 abrupt, weil sie sich nie glaubhaft von der NS-Diktatur distanzierte.
Die Journalistin und Produzentin Sandra Maischberger und der Regisseur Andres Veiel haben ihren Nachlass nun für einen Dokumentarfilm ausgewertet. Die Doku „Riefenstahl“ wurde im Sommer bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt und kommt am 31. Oktober 2024 in die deutschen Kinos.

Wer war Leni Riefenstahl?

Leni Riefenstahl war Adolf Hitlers Lieblingsregisseurin. Ihre Nähe zu ihm, zu Propagandaminister Joseph Goebbels und dem engsten Zirkel der Macht verhalfen ihr in der NS-Zeit zu großem Ruhm. An ihre Erfolge konnte sie jedoch nach 1945 nie wieder anknüpfen.
Geboren wurde Leni Riefenstahl am 22. August 1902 in Berlin. Sie war zunächst Tänzerin, dann wirkte sie als Schauspielerin in einigen Bergfilmen mit. Mit 30 drehte sie ihren ersten eigenen Film: „Das blaue Licht“ (1932) ist ein naturnahes, romantisches Berg-Heimat-Melodram. Der Film kam beim Publikum gut an und soll auch Hitler gefallen haben.
Wenige Jahre später gestaltete sie den wohl berühmtesten Film ihrer Karriere: „Triumph des Willens“ (1935). Der Propagandafilm zeigt den Reichsparteitag der NSDAP im Jahr 1934 in Nürnberg. Es folgte der zweiteilige Propagandafilm „Olympia“ (1938) über die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin. Noch während des Zweiten Weltkriegs drehte sie ihren vorletzten Film „Tiefland“, der jedoch erst 1954 uraufgeführt wurde.
In den 1960er-Jahren lebte die Filmemacherin für einige Monate im Sudan. Dort filmte und fotografierte sie Mitglieder der Nuba. Mit 70 machte sie einen Tauchschein, fotografierte Fische und Korallen und drehte den Unterwasserfilm „Impressionen unter Wasser“ (2002). 2003 starb sie im Alter von 101 Jahren.

Was Leni Riefenstahls Werk auszeichnet

Hollywood-Regisseure wie „Star Wars“-Erfinder George Lucas oder Quentin Tarantino bewundern die Ästhetik ihrer Filme. Leni Riefenstrahl nutzte modernste Technik, überraschte mit ungewöhnlichen Kameraperspektiven, spielte mit Licht und Schatten, setzte Musik effektvoll ein und schnitt die einzelnen Filmstreifen virtuos zusammen. So schuf sie einprägsame Bilder. Viele Szenen tauchten immer wieder in Dokumentationen über die NS-Zeit auf.
Leni Riefenstrahl stand in der Regel nicht selbst hinter der Kamera, sondern engagierte die besten Kameraleute ihrer Zeit. Ihre Motive wählte sie bewusst aus, so dass sie perfekt zur faschistischen Ideologie passten: Sie sparte alles Kranke, Schwache und Hässliche aus und konzentrierte sich in ihrer Bildsprache auf das Schöne, das Starke, das Erhabene.
Für ihren Film "Triumph des Willens" setzte sie Hitler gottgleich in Szene. Menschenmassen jubeln ihm zu, Hakenkreuzfahnen wehen über die Leinwand. Sandra Maischberger bezeichnet ihre Filme als „Meisterwerke der Propaganda“.
Eine Szene aus dem Riefenstahl-Film "Olympia: Fest der Schönheit" zeigt einen Sportler am Barren. Leni Riefenstahl filmte die Olympischen Spiele 1936 in Berlin.
Kraft und Stärke in Perfektion: Szene aus dem Film "Olympia: Fest der Schönheit", den Leni Riefenstahl während der Olympischen Spiele 1936 in Berlin drehte. © picture-alliance / akg-images / akg-images

Warum ist die Regisseurin Leni Riefenstahl umstritten?

Leni Riefenstahl profitierte vom Nationalsozialismus. Sie stieg in die höchsten gesellschaftlichen Kreise auf und wurde reich und berühmt. Über Hitler sagte sie einmal: „Ich war tief beeindruckt von ihm, von seiner Person, von seinem Reden, von seiner Art.“ Die Nähe zu Hitler verhalf ihr zu den großen Aufträgen. Ihre Filme trugen wiederum aktiv zum Aufstieg und Erfolg des NS-Regimes bei.
Dennoch betonte Leni Riefenstahl zeitlebens, dass sie unpolitisch wäre und von den NS-Verbrechen nichts gewusst hätte. Dabei kam ihr zugute, dass sie nie Mitglied der NSDAP war. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde sie lediglich als Mitläuferin eingestuft.
Andererseits soll sie für ihren Film „Tiefland“ in einem Zwangslager Statisten ausgewählt haben, wie die Dokumentarfilmerin und Riefenstahl-Biografin Nina Gladitz herausgefunden hat. Mehr als die Hälfte der Sinti und Roma, die in dem Film mitspielen, wurden anschließend in Auschwitz ermordet.
Riefenstahl bestritt stets, je ein KZ betreten zu haben, und behauptete, dass sie alle Darsteller nach dem Krieg wiedergetroffen hätte. Sie zog gegen Nina Gladitz vor Gericht und verlor in mehreren Punkten.
Aber sie erwirkte, dass Nina Gladitz‘ kritische TV-Doku „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ über das Schicksal der Sinti und Roma, die in „Tiefland“ als Komparsen engagiert wurden, fast 30 Jahre lang nicht ausgestrahlt werden durfte.

Was ist über Leni Riefenstahls Persönlichkeit und ihre politische Einstellung überliefert?

Mehr als 20 Jahre lebte Leni Riefenstahl in einer schicken Villa am Starnberger See. Dort befand sich auch ihr umfassendes Privatarchiv, das sie selbst kuratierte und vor fremden Blicken hütete. 2018 ging es – verpackt in 700 Umzugskartons – an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Der Nachlass besteht aus Filmausschnitten, Fotografien, Manuskripten, Drehbüchern, Briefen, Notizen, Kleidung, Telefonbüchern, einem Tagebuch und Audiokassetten mit Mitschnitten von Telefongesprächen.
Dass Riefenstahl der NS-Ideologie näher stand als sie zugab, belegen aufgezeichnete Telefongespräche, in denen sie aus ihrer faschistischen Ideologie keinen Hehl machte. In den Telefonaten relativierte sie den Holocaust und leugnete die Reichspogromnacht.
Riefenstahls Nachlass und ihre öffentlichen Auftritte lassen noch weitere Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit zu. „Sie war geschickt, sie war eine große Manipulatorin. Sie hat ganz genau gespürt auch, wenn ihr Dinge gefährlich wurden“, erklärt Sandra Maischberger.
Andres Veiel findet ähnliche Worte: „Also erstmal ist sie eine Verführerin, die kann unglaublich charmant sein. Sie hat Menschen, die sie sehr kritisch gesehen haben, mit diesem Charme eingefangen. Und wenn aber Menschen an ihren Legenden zweifeln, kann sie eben aggressiv und ausfallend und bösartig werden. Das heißt, das Wichtigste für sie ist, sie Kontrolle zu behalten oder zumindest eine Kontrolle wiederherzustellen.“
Die Regisseurin Leni Riefenstahl blickt während der Dreharbeiten zum Propagandafilm "Triumph des Willens"   durch eine große Kamera. Neben ihr steht der Chefkameramann Sepp Allgeier, seinerzeit ein Star.
Leni Riefenstahl nutzte ihre guten Verbindungen zum NS-Regime, um beruflich aufzusteigen: Regisseur Andres Veiel bezeichnet Leni Riefenstahl als den „Prototyp einer faschistischen Karrieristin“.© picture alliance / CPA Media Co. Ltd

Warum ist Leni Riefenstahl heute noch aktuell?

Sandra Maischberger ist davon überzeugt, dass Leni Riefenstahl eine Bedeutung hat, die über ihre Person hinausgeht.
„Es gibt viele Leni Riefenstahls heute: Manipulatoren, Propagandisten, Fake-News-Erschaffer. Sie hat doch so eine Art von Blaupause geliefert für genau diese schamlose Art, Dinge in Szene zu setzen, aber auch geradeaus zu lügen“, so Maischberger. „Vieles von der faschistischen Ideologie, von dem nationalistischen Gedankengut ist wieder gegenwärtig, gerade in der heutigen Zeit.“
Die Glorifizierung des Schönen und Gesunden, die Riefenstahls Werk innewohnt, erscheine nur auf den ersten Blick harmlos. Sie sei nichts anderes als die Abwertung und Ausgrenzung von allen, denen diese Attribute nicht anhaften.
Riefenstahl distanzierte sich nie vom NS-Regime. Ihr sei es immer nur um Kunst gegangen, nicht um Politik, argumentierte sie stets. Nach 1945 beschwerte sie sich immer wieder öffentlich, dass über sie so viele Lügen verbreitet würden. Dabei war sie es, die es mit der Wahrheit nicht ganz genau nahm, wenn sie ihr hätte schaden können.
Sie bediente sich eines Tricks, den rechte Populisten heutzutage vielfach ausspielen: Sie wiederholte ihr Lügen einfach so lange, bis die Menschen um sie herum ihr glaubten. Am Ende wurde die Lüge Teil einer eigenen Wahrheit, so Andres Veiel.
„Das finde ich das Erschreckende, das war für mich so der Moment, wo ich dachte, ja, da ist diese Leni Riefenstahl unglaublich aktuell.“

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