Das "Dancing Baby" und der Alltag im Urheberrecht
Alltäglich werden auf YouTube Videos gesperrt, weil sie angeblich Urheberrechte verletzen. Nur wer nachweisen kann, dass dies nicht der Fall ist, darf seinen Clip wieder online stellen. Im Fall "Dancing Baby" wird nun in den USA vor Gericht über dieses Vorgehen gestritten.
Ein 13-monatiges Kind schiebt einen Spielzeugwagen durch eine Wohnung und wackelt lustig zu dem im Hintergrund laufenden Prince-Song "Let's Go Crazy". Die Mutter, Stephanie Lenz, nimmt diese kurze Szene auf Video auf und lädt sie im Februar 2007 auf YouTube hoch.
In Deutschland wäre das "Dancing Baby"-Video wahrscheinlich schnell gelöscht worden - wegen des Streits zwischen der Verwertungsgesellschaft GEMA und YouTube - in den USA sind solche Videos aber erlaubt. Fair Use heißt die Regelung. Ganz knapp umrissen erlaubt sie die Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials, wenn es in einem neuen, eigenständigen Werk verwendet wird.
Der Fall wird zum Musterprozess
Trotzdem hat die Firma Universal, die die Rechte an dem Song hält, das Video sperren lassen. Stephanie Lenz widersprach. Die Bürgerrechtsorganisation EFF nahm sich des Falls an und klagte für Lenz. Die EFF will den Fall als Musterprozess führen, eine endgültige Entscheidung könnte die zukünftige Rechtsprechung in den USA maßgeblich beeinflussen. Dabei geht es nicht darum, ob das Video unter "Fair Use" fällt oder nicht - das scheint unstrittig.
Die Frage ist vielmehr: Darf eine Firma wie Universal Inhalte im Netz auf Verdacht sperren? Oder muss Sie vorher nachprüfen, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt? In einer Zwischenentscheidung legten die Richter jetzt fest: Ja, Rechteinhaber müssen auf Fair Use prüfen bevor sie eine Sperrverfügung bei YouTube erwirken. Für Vera Ranieri von der Bürgerrechtsorganisation EFF, die den Fall begleitet, ist das ein wichtiges Signal:
"Der Fall ist wichtig, weil er klarstellt: Fair Use ist ein Recht, keine Verteidigungsmaßnahme und das müssen Firmen beachten, bevor sie eine Sperrung auslösen."
Fair Use – ein Recht der Verbraucher?
Denn in der Vergangenheit war Fair Use eine Verteidigungsstrategie der Nutzer. Das heißt, die Rechteinhaber konnten sperren und erst, wenn nachgewiesen werden konnte, dass Fair Use vorliegt, wurde die Sperre aufgehoben. Die aktuelle Entscheidung könnte das umkehren: Im Zweifel wird von Fair Use ausgegangen, die Rechteinhaber müssen erst prüfen, ob tatsächlich Urheberrecht verletzt wurde.
Zumindest theoretisch. Denn das Urteil ist so formuliert, dass diese Prüfung nicht sonderlich sorgfältig ausfallen muss. In einem Artikel des Magazins "Gamasutra" kommen die Rechtsexperten Mona Ibrahim und Zachary Strebeck zu der Ansicht, dass sich im Alltagsgeschäft nicht viel ändern wird. Vera Ranieri von der EFF ist zwar optimistischer, aber auch für sie ist die Entscheidung nur ein Anfang:
"Wir sind zuversichtlich, dass in Zukunft zweimal drüber nachgedacht wird, bevor eine Sperrverfügung ausgelöst wird. Rechtsprechung ist manchmal behäbig und das hier ist ein erster wichtiger Schritt, die Menschen, die sich auf Fair Use verlassen, zu schützen."
Die Entscheidung ist also nur ein erster Schritt, der Fall auch noch längst nicht abgeschlossen. Trotzdem die Frage: Wird das vielleicht auch hier in Deutschland Auswirkungen haben? David Pachali, Redaktionsleiter des Fachportals irights.info, versteht das Urteil zumindest als Chance. Er glaubt nämlich, dass das Urteil auch dazu führen wird...
"...dass YouTube selbst noch mal an seinen Prozeduren und seinen automatischen Prüfsystemen noch mal schraubt und möglicherweise mehr Inhalte sozusagen durch den Filter kommen, das hätte auch die Auswirkung, dass man eben möglicherweise mehr US-amerikanische Inhalte auch hierzulande sehen kann."
Spekulation über grundsätzliche Konsequenzen
Zumindest solange der GEMA-Streit nicht doch noch zur Sperrung von solchen Inhalten führt. Selbst wenn es einen ähnlichen Fall in Deutschland gäbe, hätte das noch lange keine grundsätzlichen Konsequenzen, meint David Pachali:
"Der wird das ganze US-Urheberrecht sehr viel stärker prägen, als das jetzt ein einzelner Fall in Deutschland könnte, hier könnte man mit einer einzelnen Entscheidung nicht gleich das gesamte Recht in der Weise fortbilden."
Es bleibt also erst einmal alles wie es ist, als Nächstes kommt der Fall des "Dancing Baby" vor ein Geschworenengericht. Und wer weiß, vielleicht ist dies doch der erste Schritt zu einer grundlegenden Änderung im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten im Netz - zumindest in den USA.