Leo, der Kirchenclown

Von Ralf Geißler |
Der Hallenser Steffen Schulz tritt seit mehreren Jahren in Kirchen als Clown Leo auf. Mit roter Knollnase und viel zu kurzen Hosen zeigt er, dass man sich der Bibel auch spielerisch nähern kann.
Sonntag am frühen Morgen. Steffen Schulz hat es eilig. Der 37-Jährige rast in einem grauen Kombi auf der Autobahn von seiner Heimatstadt Halle in Richtung Nordwesten. Sein Ziel: der altehrwürdige Quedlinburger Dom. In drei Stunden hat er dort einen Auftritt im Gottesdienst - als Clown.

Steffen Schulz: "Der Kirchen-Clown - das ist mein Hauptberuf. Also damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Im Auto hinten ist das Bühnenbild. Das baue ich nachher auf in Vorbereitung dann auf den Gottesdienst. Und mein Kostüm habe ich auch dabei. Das ist aber nicht viel. Ein Hemd, eine Hose, ein paar Schuhe. Das war's schon."

Auch ohne Kostüm sieht Schulz wie ein fröhlicher Zeitgenosse aus. Hinter dem Lenkrad sitzt ein schlanker, fast schon schlaksiger Mann mit vielen Lachfalten um die Augen. In der Vergangenheit hat Schulz als Krankenpfleger und später als Kulturmanager gearbeitet. Doch vor zehn Jahren schulte der tief gläubige Protestant noch einmal um.

"Also ich hab normal die Clownerie erlernt bei einem Clownsfreund aus Hamburg. Und irgendwann fragte mich der damalige Superintendent Günter Buchenau, Kirchenkreis Halle-Saalkreis, ob ich nicht mit ihm einen Gottesdienst machen könne."

So entstand das erste Kirchenprogramm - die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines Clowns. Die will Schulz auch heute in Quedlinburg aufführen. Nach einer Stunde Fahrt biegt er auf den Schlossberg ein. Vor der hohen Pforte des Doms wartet schon Pfarrer Ekkehard Steinhäuser.

Ekkehard Steinhäuser: "Wir feiern heute den Gottesdienst zum Schuljahresbeginn. Und das ist ein ganz besonderer Gottesdienst, zu dem wir viele Kinder erwarten. Und ich denke, dass es für die Kinder wichtig ist, wenn sie von der biblischen Botschaft gut etwas vermittelt bekommen sollen, dass wir dann pädagogische Konzepte anwenden, die sie erreichen. Und das macht ein Clown natürlich immer hervorragend."

Gegen zehn Uhr füllt sich das romanische Kirchenschiff. Dutzende Familien nehmen auf den Holzstühlen rund um den Altar Platz. In einem Nebenraum verwandelt sich Steffen Schulz in Clown Leo. Er zieht viel zu kurze dunkle Hosen an, streift ein weites weißes Hemd über und setzt sich eine rote Knollnase ins Gesicht. Augen und Mundpartie schminkt er weiß.

Steffen Schulz: "Bereschit bara Elohim ät ha schmajim we ät ha arez. ... Tohuwabohu."

Die Begrüßung im Gottesdienst klingt für die Kinder wie ein Zauberspruch. Aber in Wirklichkeit spricht Clown Leo hebräisch. Der Urtext der Bibel. Leicht abgewandelt. Am Anfang war Tohuwabohu oder korrekt übersetzt:

Steffen Schulz: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer."

Neben dem Altar spannt Clown Leo einen dunklen Regenschirm auf: der Himmel. Daran hängt er einen großen gelben Ball: die Sonne. Der Clown spritzt mit einer Wasserflasche herum. Und wirkt dann ausgesprochen unzufrieden.

"Am dritten Tag bemerkte Gott, dass er nasse Füße bekam. Um aber keine nassen Füße zu bekommen, schuf er das Land und die Berge."

Clown Leo zieht ein großes blaues Laken weg. Darunter verbirgt sich eine kleine Landschaft. Eine Leiter, ein Pult, ein großer Koffer. Nun konnte Gott Samen aussähen, erzählt Clown Leo, und sich über den Duft der Pflanzen freuen.

"Schnupper. Mmmh!"

Danach lässt Leo die ersten Tiere auftreten. In einem Lied.

"Gott sprach: Du lieber Himmel werde voll. Schmetterlinge, Meisen, Adler. Das ist toll. Möwen kreischen und der Kuckuck schreit. Papageien putzen sich in ihrem Federkleid. Alle Vögel sind schon da und die Fische schwimmen. Alle Vögel sind schon da und die Fische schwimmen."

Die ersten Kinder hält es nicht mehr auf den Stühlen. Sie stellen sich direkt vor den Altar und klatschen in die Hände. Zwischendurch wird das Programm unterbrochen. Pfarrer Steinhäuser tauft ein Kind. Die Gemeinde spricht Fürbitten und betet. Dann geht's mit der Clownerie weiter. Der sechste Tag.

Steffen Schulz: "Es war einmal ein kleiner Hund. Der war ganz glücklich und gesund. Mal schlief er, mal hat er gebellt. Gerad wie es Gott dem Herrn gefällt."

Am siebten und letzten Tag darf Gott sich ausruhen. Clown Leo bläst in eine kleine knallrote Trompete und empfiehlt auch seinem Publikum einen entspannten Sonntag.

"Ruh Dich aus, leg die Beine hoch. Schau Dich um, mach die Augen auf. Du bist frei und Du spürst ... Schöpfung hört nie auf."

Clown Leo verbeugt sich tief. Die Besucher verlassen mit einem Lächeln den Gottesdienst. Jonas hat es gefallen.

"Ich fand's gut. Also ich fand's lustig."


Und der achtjährige Timo pflichtet ihm bei. Einen Programmpunkt fand er besonders toll.

"Clown Leo am Anfang, wo er mit dem Regenschirm gespritzt hat und so."

Auch die Familie des getauften Kindes hat es nicht gestört, dass die Zeremonie in einem Clowns-Gottesdienst stattfand. Im Gegenteil, meint der Taufpate.

"Ich habe gedacht, dass es vielleicht für Erwachsene nicht so interessant wird, aber ich fand es doch spannend. Die Aufmerksamkeit wurde automatisch auch bei den Erwachsenen geweckt. Ich fand's toll. Hat mir gefallen. Und die Kinder waren total begeistert und gefesselt."

Als die letzten Besucher die Kirche verlassen, sitzt Clown Leo alias Steffen Schulz erschöpft auf einem Vorsprung des Dom-Gemäuers. Insgesamt acht Programme hat er bereits für Kirchen entworfen. Für ein besseres Verständnis des Christentums sogar ein Fernstudium in Theologie nachgeholt. Die Bibel, sagt er, stecke voller Humor.

"Man muss ihn nur auch lesen wollen. Wer sich den Glauben nur aus Ernsthaftigkeit erschließen möchte, dem ist das vielleicht nicht so nah."

Nach einer kurzen Pause fährt Steffen Schulz zurück in seine Heimatstadt Halle. Nächsten Sonntag gibt es den nächsten Auftritt. In einer anderen Kirche, in einer anderen Stadt. Das Programm heißt dann: Jesus - ein Clownstheaterstück.