Alex Capus: Léon und Louise
Hörspielfassung von Margret Nonhoff und Lukas Holliger
Laufzeit: 220 Minuten, Hörverlag, München, 2015
2 CD, 14,99 Euro
Nach jedem Glück folgt eine Trennung
Die 60 Jahre währende Liebesgeschichte erzählt Alex Capus im Roman "Léon und Louise". Eine neue Hörspielfassung vertont diese großen Gefühle vor historischem Panorama anrührend.
Es war einmal. So beginnt die Geschichte von "Léon und Louise" zwar nicht, aber so könnte diese wundersame Liebesgeschichte, die in Siebenmeilenstiefeln 60 Jahre des 20. Jahrhunderts durcheilt, losgehen: Entrückt wie ein Märchen.
Es war einmal ein junger Mann, der fuhr im Jahr 1918 in der Normandie mit dem Fahrrad eine Landstraße entlang. Militärlastwagen am Wegesrand erinnerten daran, dass gerade der Erste Weltkrieg wütete. Léon war trotzdem frohen Mutes. Er hatte sein Elternhaus verlassen, das Leben lag vor ihm wie ein Versprechen.
"Da hörte er hinter sich ein Quietschen, das sich in hastiger Folge gleichmäßig wiederholte und stetig lauter wurde. Léon sah eine junge Frau auf einem alten, ziemlich rostigen Herrenfahrrad... Bonjour."
Gestatten: Louise. Sommersprossen und dichtes dunkles Haar. Großer Mund, zartes Kinn. Lustige Lücke zwischen den Schneidezähnen.
"Und verdammt schnell gefahren war sie! Ein sensationelles Mädchen..."
So stark Louises Eindruck auf Léon ist, so schnell rauscht das Liebesglück wieder vorbei. Die beiden verlieben sich, aber nach wenigen Wochen schlägt das Schicksal, beziehungsweise die Zeitgeschichte zu.
"Louise war eben hinter einem Hügel verschwunden, als gerade dort eine Explosionswolke aufstieg."
Kriegswirren und Umwälzungen
Das ist natürlich noch lange nicht das Ende der Geschichte. Aber das episodische Erzählprinzip des Romans und der gelungenen, sich eng an die Vorlage haltenden Hörspielfassung von Margret Nonhoff und Lukas Holliger. Nach jedem Glück folgt eine Trennung – erst durch die Kriegswirren im Ersten Weltkrieg, später, als die beiden sich in Paris wieder begegnen, durch die Familie, die Léon inzwischen gegründet hat. Schließlich werden die beiden von den Umwälzungen des Zweiten Weltkrieges erfasst.
"Achtung, Achtung! Anweisung der Deutschen Besatzungsbehörde... Ab heute gilt in Frankreich die Deutsche Uhrzeit. Sämtliche Uhren sind um eine Stunde vorzustellen."
Während Léon als Polizeichemiker von einem SS-Hauptsturmführer drangsaliert wird, verbringt Louise die Kriegsjahre im Senegal.
"Mein geliebter Léon. Ich bin's, die kleine Louise, die Dir schreibt. Wunderst Du dich? Ich wundere mich."
Es ist dieses Immer-wieder-neu-über-die-Liebe-Wundern, das den Charme der Geschichte ausmacht, und der große Reiz dieses Hörspiels liegt an der im wahrsten Sinne des Wortes wunderbaren Musik von Martin Bezzola und dem Belenus Quartett.
Schalkhaft verspielt
Anders als das Hörbuch, das Ulrich Noethen 2011 mit nuancenreicher Schlichtheit eingelesen hat, setzt das Hörspiel all die Mittel ein, um die Geschichte im Kopf des Hörers realistisch zu vergegenwärtigen und sie zugleich anrührend zu romantisieren. Die Musik gibt der Geschichte eine Leichtigkeit und Frische, eine schalkhafte Verspieltheit, die mitunter an den Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" erinnert. Auch wenn die historischen Umstände mit Léon und Louise machen, was sie wollen – in Bezzolas Klängen bleibt die Euphorie des Anfangs, die Irrationalität der Frischverliebten stets lebendig.
Burghart Klaußner spricht den Erzähler, Siegfried Teerporten den staunenden und gewissenhaften Léon, und Yvon Jansen gibt Luise etwas mitreißend Übersprudelndes.
Alex Capus ist ein geschickter Arrangeur großer kleiner Gefühle vor historischem Panorama:
"Léon klopfte unsinnigerweise gegen die Scheibe, aber sie blickte ins Leere... Louise. Jetzt endlich wandte sie sich ihm zu. Jetzt endlich trafen sich ihre Blicke... Dann nahmen beide Züge gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung Fahrt auf."
Anrührend und lehrreich. Vielleicht lässt sich diese flockige, ganz spezielle Capus-Mischung im Hörspiel sogar mehr genießen als zwischen zwei Buchdeckeln.