Leonard Cohen: "You want it Darker"

Dunkler Dialog mit dem Schöpfer

Der Musiker Leonard Cohen im Jahr 2012.
Der Musiker Leonard Cohen im Jahr 2012. © AFP / JOEL SAGET
Von Gesa Ufer |
Das "schwärzeste Album der Popgeschichte", hat die "Süddeutsche Zeitung" Leonard Cohens neues Album genannt. Der Titelsong "You want it darker" zeigt Cohens Hadern mit einem zynischen Gott.
Tiefer und rauher kann ein Mensch nicht singen. Wie ein großer massiver Subwoofer klingt die Stimme des 82-jährigen Leonard Cohen in diesem – vielleicht letzten - Dialog mit seinem Schöpfer.
"If you are the dealer, I'm out of the game
If you are the healer, it means I'm broken and lame
If thine is the glory then mine must be the shame"
Unterstützt vom Chor der jüdischen Gemeinde seiner Heimatstadt Montreal beschreibt Cohen die Ambivalenz seiner Gefühle: Die Unausweichliche göttlicher Ordnung einerseits und andererseits sein Hadern und sein Wunsch, sich gegen sie aufzulehnen:
"Wenn du die Karten gibst, verlasse ich das Spiel
Wenn du der Heiler bist, bedeutet das
Ich bin gebrochen und gelähmt."
Und dann die vielleicht stärksten Zeilen:
"You want it darker
We kill the flame"
Während Gott den Kreis des Lebens mit dem Alter, dem Leiden und Tod schließt, leisten wir, die Menschen, unser Bestes, um die Flamme zu löschen, und noch mehr Tod und Verderben in die Welt zu bringen.
Nach seinem berühmten ambivalent-spirituellen Song "Halleluja" von 1984, dem eine Leonhard-Cohen-Fan-Homepage über einhundert Cover-Versionen nachweist, zitiert der Nachfahre einer jüdisch-kanadischen Tuchhändler-Familie in diesem Song einen weiteren biblischen Ausruf:
"Hineni, Hineni"
"Hineni, Hineni" – der wohl mächtigste Ausdruck, den die hebräische Sprache für die Aufmerksamkeit und Bereitschaft kennt, eine Aufgabe mit viel Hingabe zu übernehmen.
"Hier bin ich. Ich bin bereit, o Herr".

Warum greift Gott nicht ein?

Sein Leben lang hat Cohen die direkte Konfrontation mit Gott und spirituellen Fragen gesucht, anfangs noch als Dichter, wie in seinem ersten Lyrikband "Let us compare Mythologies" von 1956, später dann mithilfe seiner Musik. 15 Jahre lebte Cohen sogar in einem Zen-Kloster und kochte dort für seinen Meister.
Beschäftigt hat ihn, den Meister der Melancholie, immer auch das Schweigen und Nichteingreifen eines Gottes trotz unermesslicher Grausamkeiten auf der Welt. Ob Cohen auch in diesem Song darauf anspielt, wenn er von seinen Dämonen singt, von Tätern, die ihre Gefangenen säuberlich in Reihen stellten, um sie zu töten und zu verstümmeln?
"They're lining up the prisoners
And the guards.
are taking aim

I struggled with some demons
They were middle class and tame
I didn't know I had permission to murder and to maim
You want it darker"
Du willst es dunkler, scheint Cohen seinem zynischen Gott mit Grabesstimme zuzuraunen.

Ankündigung des eigenen Todes

Und dann ist da noch die Sache mit dem eigenen Tod, über die Leonard Cohen immer gern seine Witze gemacht hat. "Entschuldigen Sie bitte, dass ich noch nicht sterbe", hat er noch vor zwei Jahren bei einem Konzert gefrotzelt. Anfang diesen Jahres hat er seiner langjährigen Geliebten und Muse, der todkranken Norwegerin Marianne Ihlen einen Brief geschickt, in dem er sich von ihr verabschiedet und ihr ankündigt, ihr bald folgen zu wollen.
"You want it Darker" könnte zu seinem musikalischen Testament werden.
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