Radeln in der Bibliothek
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Sportgeräte in der Bibliothek: Damit können Studierende für körperlichen Ausgleich beim bewegungsarmen Lernen sorgen. Eine naheliegende Idee. In Berlin und Bayreuth gibt es dafür Beispiele.
"Move4Health" heißt das Projekt der Freien Universität Berlin. Das Ziel: Anreize für mehr Bewegung im Uni-Alltag schaffen. Denn Untersuchungen haben ergeben, dass sich Studierende weitaus weniger bewegen, als die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Das sind pro Woche zwei Stunden Ausdauersport und eine halbe Stunde Krafttraining, erklärt Burckhart Gusy, promovierter Psychologe und Gesundheitswissenschaftler.
"Wenn man acht Stunden gesessen hat, hat man schon eine gewisse Einschränkung, die man mit Sport abends nicht ausgleichen kann. Man muss die Bewegung häufiger wechseln, also die Bewegungswechsel sind das Wesentliche, das heißt: Aufstehen, was tun, das ist das, worauf es dabei ankommt."
Ergometer in der Leselounge
Dieser Meinung ist auch Janet Wagner, Bibliotheksmitarbeiterin im Fachbereich Philologie der Freien Universität. Sie hat ihre Bachelor-Arbeit über "lernfördernde Angebote am Lernort" geschrieben. Das Resultat war die Anschaffung eines Ergometers. Das steht jetzt in der Leselounge der Bibliothek der Philologen.
Vor einem etwas erhöhten Sitz befindet sich eine Schreibtischplatte mit einer Steckdose, darunter Pedalen. Jordan Harris schwingt sich auf den Sitz, nimmt ein Buch in die Hand und fängt an zu treten. "Ich hab grad mein Handy eingepluggt, eingestöpselt, ganz entspannt, voll gemütlich, lädt auch schon."
Das ist das Besondere: Mit dem Strom, den man beim Radfahren erzeugt, kann man gleichzeitig den Handy-Akku aufladen. Das Radeln selbst ist etwas gewöhnungsbedürftig, sagt der 21-jährige Biologie-Student.
"Um ehrlich zu sein, finde ich das ein bisschen zu leicht, von der Kraft, die ich hier reinpacken muss, so dass ich mich zu schnell bewegen muss, um entspannt lesen zu können."
Stundenlanges Sitzen - nicht unbedingt gesundheitsfördernd
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich kurze, leichte Bewegungseinheiten positiv auf Konzentration und Aufmerksamkeit auswirken, sagt Janet Wagner. Skandinavien, Belgien und die Niederlande seien uns deutlich voraus.
"Gerade die skandinavischen Bibliotheken sind da alle schon einen Schritt weiter, weil sie um die hohe Aufenthaltsdauer pro Tag oder Woche der Lernenden wissen. Das heißt, man geht eigentlich nur zum Essen raus, oder um etwas zu trinken, oder man geht mal eine Runde an die Luft. Aber sonst sind die hier, stundenlang, und da sollte man mehr anbieten als einen harten Stuhl und einen Einzelarbeitsplatz."
Stehpulte, Yogamatten, höhenverstellbare Schreibtische, Fahrräder seien in vielen wissenschaftlichen Bibliotheken Skandinaviens bereits gang und gäbe. Von den positiven Effekten auf Körper und Geist ist Susanne Tittlbach, Sportwissenschaftlerin an der Uni Bayreuth, überzeugt. Im Rahmen ihres Projekts "Smart Moving" hat die Universität kürzlich ein Laufband angeschafft, das nun in der Zentralbibliothek steht. Auch hier kombiniert mit einer Schreibtischplatte zum Lesen und Arbeiten.
Walken auf dem Laufband in der Bibliothek
Zum Joggen ist das Band allerdings nicht geeignet, betont Susanne Tittlbach. "Das ist kein Sport-Laufband, auf dem ich renne, sondern das ist ein Laufband, auf dem ich gehe, auf dem ich walke, und das ich auch nur durch meine eigenen Schritte antreibe. Wenn ich stehenbleibe, dann bleibt das Band auch stehen. Und deswegen ist die Geschwindigkeit sehr langsam und gemäßigt. Und das gibt eben die Möglichkeit, dass man eben durch diese automatisierte, langsamere Bewegung nebenher auch lesen kann."
Dabei ist das Laufband so geräuscharm, dass es in der Bibliothek niemanden stört. Sitzen verringern, Bewegung erhöhen. So könnte Rückenbeschwerden vorgebeugt und die Durchblutung angeregt werden. Dadurch werde mehr Sauerstoff durch den Körper transportiert und das Lernen automatisch effektiver. Das sei noch nicht jedem bewusst. Jeder müsse sich darüber klar werden, dass "Lernen nicht gleich Sitzen" bedeute.
"Es muss wirklich in den Arbeitsalltag integriert werden, ganz regelmäßig und täglich. Und langfristig hat man durch diese Erhöhung der Bewegung und die Reduktion der Sitzzeiten, insbesondere der Zeiten, die ich dauerhaft ohne Pause sitze... Ich sollte eigentlich alle 30 Minuten meine Sitzhaltung verändern. Dann hat man in epidemiologischen Studien gesehen, dass langfristig Effekte im Hinblick auf Vermeidung von Diabetes, Übergewicht und anderer Zivilisationskrankheiten möglich sein können."
Biologie-Student Jordan Harris hat sich mittlerweile auf dem Ergometer der Philologen gut eingeradelt: "Jetzt habe ich gerade die Geschwindigkeit gefunden, ich glaube, dann kann man schon richtig schreiben. Man muss sich bisschen daran gewöhnen. Aber ich glaube, es geht schon klar. Gerade wenn man ein bisschen müde ist oder einfach keine Kraft mehr hat, um aufzuwachen, dann ist es eine gute Idee."