Aus einer Zeit ohne Schule
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Noch ist unklar, wann an den Schulen wieder ganz normal unterrichtet werden wird. Bis dahin lernen die Kinder weitestgehend von zu Hause. Wie klappt das praktisch und emotional? Lehrer, Eltern und Kinder berichten aus einem herausfordernden Alltag.
„Es geht in der Schule nie um Stoff, sondern um Kompetenzerwerb, der von Lehrerinnen und Lehrern begleitet wird“, sagt er. Daher sei es auch nicht sinnvoll, den Lehrplan und die klassischen Schulzeiten zu Hause strikt einzuhalten. „Ich glaube nicht, dass man Unterricht auf eine Art von Video-Konferenz übertragen kann.“ Stattdessen plädiert Blume für eine „flexible Verbindlichkeit“.
In seinem Deutschunterricht verteilt Blume so genannte „KAKAO“-Aufgaben, – die Abkürzung steht für kurz, angemessen, kreativ, offen und aktuell -. die die Lernenden in „vier plus eins“ Tagen erledigen können und die dann in einer digitalen Sprechstunde besprochen werden. „Das führt nach meinen Erfahrungen dazu, dass Schülerinnern und Schüler unfassbar loslegen können“, sagt Blume.
„Ich hatte Angst, dass er verlottert“
Loslassen von Idealvorstellungen sei die einzige Möglichkeit, mit der Situation umzugehen, findet Claire Funke, alleinerziehende Mutter eines Kitakindes und eines Zwölfjährigen. „Ich bin wirklich dankbar dafür, dass sich der Große weitestgehend selbst um seinen Wochenplan für die Schule gekümmert hat und ich die fertigen Aufgaben dann nur noch an die Lehrerin gemailt habe“, schreibt Funke auf ihrem Blog „Mama streikt“.
Trotzdem fühlte sich Funke innerlich zerrissen: „Ich hatte Angst, dass er verlottert, weil ich ihn so lange schlafen lasse.“ Anders hätte sie die Beschulung des Kindes neben ihrer Arbeit als virtuelle Assistentin aber auch gar nicht geschafft.
Die Kitaschließung kostete Funke noch mehr Kraft als die Schulschließung: „Das hat mich eigentlich über meine Belastungsgrenze gebracht. Auch wenn man da loslässt und dem Kind unendlich viel Medienzeit einräumt, ist es nicht schön, immer sagen zu müssen: ‚Ich habe keine Zeit, ich hab keine Zeit, weil ich arbeiten muss.‘“ Funke hat sich deswegen Hilfe gesucht und beraten lassen.
Eine weitere soziale Komponente werde in der Lernsituation zu Hause häufig nicht genug berücksichtigt, findet Funke. Auch, wenn ein Computer vorhanden sei, brauche ein Elternteil diesen vielleicht zum Arbeiten.
Trotz der Einschränkungen menschliche Begegnungen und Sozialkontakte aufrecht zu halten und auch über die emotionalen Auswirkungen der Krise zu sprechen, sei essentiell, findet Bob Blume. „Meine Zwölfklässler haben Ängste geäußert in Bezug auf die Zeit, wenn sie wieder zusammenkommen. Aber auch – und damit habe ich gar nicht gerechnet – eine gewisse Gelassenheit. Dann ist das jetzt eben so.“
Trotz digitaler Kommunikation fielen manche Schüler aktuell durch das Raster. Einige Schülerinnen und Schüler seien seit der Schulschließung gar nicht mehr erreichbar, berichtet Bob Blume. „Zu normalen Zeiten würde dann der Klassenlehrer bei den Eltern anrufen und fragen, was los ist.“
In der Debatte um die digitale Schule ärgert Blume verallgemeinernde Lehrerkritik von Eltern und Medien. Auch wenn einige Lehrer sicher noch Nachholbedarf im digitalen Unterrichten hätten, kenne er viele Lehrerinnen und Lehrer die gerade alles in ihrer Macht Stehende täten, ohne dass sie auf flächendeckend implementierte digitale Lernplattformen zurückgreifen könnten.
Blume wünscht sich einen Tag, an dem Lehrer sich einmal ohne schlechtes Gewissen austauschen können, welche Lernmodelle wirklich funktionieren und welche nicht. Dafür müssten Ressourcen und Zeit zur Verfügung gestellt werden. Schulen könnten die Krise nutzen, um digitale Plattformen auszubauen und mit kreativen Formen des Lernens zu experimentieren, findet Bob Blume. Kinder und Jugendliche ihrem eigenen Biorhythmus entsprechend lernen zu lassen, dafür plädiert Claire Funke.
Die Kultusministerkonferenz informiert über aktuelle Entscheidungen über graduelle Schulöffnungen in den verschiedenen Bundesländern.