Mawil zeichnet als erster Deutscher einen Lucky Luke-Comic
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Markus Witzel, Künstlername Mawil, zeichnet als erster Deutscher Lucky Luke und setzt den Helden gleich mal auf einen Drahtesel statt aufs weise Pferd Jolly Jumper. Mawil sagt: "Ich musste irgendetwas machen, wo ich selber auch Lust drauf habe."
Frank Meyer: Eine von fünf Messehallen hier bei der Leipziger Buchmesse, die gehört den Comics und den Mangas und anderen Formen des Erzählens mit Bildern. Das ist also ein großes Thema hier. Und auch deshalb freue ich mich sehr, dass wir jetzt einen der tollsten Comic-Zeichner und Comic-Autoren überhaupt hier haben, nämlich Mawil aus Berlin, herzlich willkommen!
Markus Witzel: Danke!
Meyer: Sie haben 2014 eine große Auszeichnung bekommen, bester deutschsprachiger Comic wurde "Kinderland", steht auch hier auf unserem Tisch. Und dieses Jahr gibt es wieder eine große Auszeichnung, Sie dürfen als erster Deutscher einen Lucky Luke Comic zeichnen, ein Album zeichnen, also in eine der erfolgreichsten Comicserien der Welt einsteigen. Wie ging es Ihnen denn, als Sie das erfahren haben, dass Sie das machen dürfen?
Nervös und mit Startschwierigkeiten
Witzel: Ich war zuerst ein bisschen nervös und hatte ein bisschen Startschwierigkeiten, aber dann habe ich einfach gedacht, okay, die haben mich ja gefragt, weil sie meine bisherigen Bücher auch gut fanden, also ich lege einfach los. Man darf sich nicht so sehr verrückt machen. Natürlich zeichne ich nicht so toll wie der Original-Zeichner, und natürlich sind die Geschichten nicht so geil wie die von René Goscinny, aber …
Meyer: Das werden wir dann noch sehen.
Witzel: Gucken wir mal.
Meyer: Sie haben wohl schon als Zehnjähriger in Ost-Berlin eigene Lucky Luke Comics gezeichnet, da hat der schon eine Rolle in Ihrem Leben.
Witzel: Nachgezeichnet. Ja, das war halt neben Asterix und so, war das halt, und neben den Mosaik Comics war das halt so der bekannteste Comic. Da kam man natürlich relativ schwer ran, also, man war froh, wenn man das mal irgendwie ausgeliehen bekommen hat.
Meyer: Man hört jetzt sehr Besorgniserregendes darüber, was Sie vorhaben oder was Sie tun mit Lucky Luke. Sie sehen es auch schon auf diesem Bild hier an unserem Stand, denn Sie trennen Lucky Luke von Jolly Jumper, von seinem wunderbaren, ironischen, weisen Pferd. "Lucky Luke sattelt um" heißt das Buch, Sie setzen ihn aufs Fahrrad. Was hat Sie denn da geritten?
Drahtesel statt Jolly Jumper
Witzel: Ich muss gestehen, ich mag den Jolly Jumper nicht so sehr, der ist mir immer ein bisschen zu cool, und ich kann auch Pferde nicht so gut zeichnen. Ich musste irgendetwas machen, wo ich selber auch Lust drauf habe. Und wir haben sozusagen historisch geguckt, dass es ungefähr hinhaut. Die meisten Bände von Lucky Luke spielen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und das haut so ungefähr hin, dass es da die Fahrräder des modernen Typs gab, die gab es da gerade so. Und ich bin ein großer Fahrradfahr-Fan und dachte, das wäre mal eine witzige Idee. Es soll noch nicht zu viel verraten werden, aber Lucky Luke muss mit dem Fahrrad einmal durch Amerika.
Meyer: Aber Jolly Jumper muss doch stinksauer sein auf Sie und auf Lucky Luke.
Witzel: Das ist auch so eine Art Roadmovie, Verwechslungskomödie: Jolly Jumper will natürlich auch, die wollen zueinander, aber können es nicht.
Meyer: Das Tolle an Ihrem Stil ist, wenn man sich "Kinderland" anguckt, das hat in vielen Bildern so etwas ganz Rohes und Freies, es gibt zum Beispiel ein großartiges Tischtennisturnier, da dehnen sich Arme und Gesichter, und die Platte dehnt sich, das ist ungeheuer expressiv. Wenn Sie jetzt reingehen in so ein Großunternehmen wie Lucky Luke, da können Sie sich so etwas wahrscheinlich nicht erlauben, da gibt es doch wahrscheinlich enge Vorgaben oder?
Lucky Luke muss mehr schwitzen
Witzel: Der Lucky Luke, der ist bei mir auch nicht so cool wie der Original-Lucky Luke, der kann ja meistens alles mit einer ganz schnellen Handbewegung retten. Meiner muss schon ein bisschen mehr schwitzen und sich auch mal so einen Berg hochquälen oder fällt auch mal hin, der leidet schon ein bisschen mehr. Von den französischen Lizenzgebern, das war aber doch relativ einfach. Die haben vorher alles gesehen – die ersten Entwürfe, die Storyboards – und haben alles abgesegnet. Eine Frage war zum Beispiel, ob ich den mit drei Fingern malen darf, weil ich zeichne die Figuren immer nur mit drei Fingern, das ist einfach einfacher, und das war auch okay.
Meyer: Es gab letztes Jahr schon einen ähnlichen Fall: Ihr Berliner Kollege Flix konnte auch in so eine große franco-belgische Comic-Serie einsteigen, Spirou war das. Dass es jetzt diese beiden Fälle gibt, zwei deutsche Zeichner, die so berühmte Comic-Figuren weiterspinnen dürfen, sehen Sie das auch als Anerkennung für die deutsche Comic-Szene?
Witzel: Ja, schon. Vor allem freut es mich, dass der Herr Flix das so gemacht hat, weil der das echt sehr gut gemacht hat. Und wir kennen uns seit Jahren, seit wir beide unsere ersten autobiographischen, traurigen Verliebt-Comics gemacht haben. Finde ich super, ich freue mich!
Comic über eine Kindheit in der DDR
Meyer: Ich finde es auch super! Und wenn wir über Anerkennung reden – Ihr Verlag, der Reprodukt Verlag, der hat Ihnen jetzt eine Taschenbuch-Ausgabe ihres "Kinderland"-Buches, das gab es vorher in einer größeren Hardcover-Ausgabe, jetzt gibt es neu die Taschenbuch-Ausgabe. Das ist Ihnen spendiert worden. Das war ein Bestseller, "Kinderland", was es ja bei Comic-Büchern dieser Form bei uns nicht so oft gibt. Was ist denn Ihre Vermutung, was hat denn dieses "Kinderland"-Buch, das ja von einem Jungen in den letzten Jahren der DDR erzählt, was hat das so erfolgreich gemacht?
Witzel: Ich habe es, ich selber wollte zu dem Zeitpunkt eigentlich gar nicht so ein ernstes Thema anfangen, ich wollte eher so eine Kindheitsgeschichte, ein bisschen Pingpong zeichnen und hatte ein bisschen Angst davor vor diesem ernsten Thema DDR, weil das ja doch ein Land ist, unter dem viele Leute doch sehr gelitten haben. Die Idee war zwar gut, aber es ging einfach ganz schön schief. Aber von Flix kam halt die Super-Idee – ich kann doch einfach meine Pingpong-Geschichte in diese DDR-Geschichte reinpacken. Und ich habe das Land halt nur als kleiner, naiver Junge erlebt und kann sozusagen die ganzen ernsten Themen nur aus der Sicht eines kleinen, dummen Kindes so kurz anreißen. Aber es steckt halt ganz viel Liebe drin. Ich habe mir einfach eine lange Liste gemacht: Was war für mich als Kind emotional wichtig. Und das sind vielleicht Sachen, über die man als Erwachsener im Nachhinein schmunzelt, aber für ein Kind sind ja ganz andere, kleine Sachen sehr dramatisch. Und natürlich ist es auch ein bisschen eine Auflistung an kleinen Details, an Sachen, die man fast vergessen hat und sich dann halt freut, wenn man die wiedererkennt.
Meyer: Also: Neu von Mawil gibt es "Kinderland" als Taschenbuch, gleicher Inhalt, aber nur noch 10 Euro statt 29 Euro vorher.
Witzel: Ein bisschen schwerer zu lesen, aber man hat so das Gefühl von so einem lustigen, kleinen Taschenbuch, das kann man sich so in die Westentasche, in die Jackentasche stecken.
Meyer: Der Reprodukt Verlag bringt das raus – oder hat es rausgebracht. Und am 2. Mai erscheint "Lucky Luke sattelt um" im Egmont Verlag. Viel Erfolg damit, Mawil, und vielen Dank für den Besuch!
Witzel: Danke!
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