Schrei nach Glück
Gibt es "ethischen Konsum" oder "strategischen, kritischen Konsum"? Wie revolutioniert das Internet das Kaufverhalten? Darüber diskutiert Claus Leggewie mit Jörn Lamla, Autor von "Verbraucherdemokratie", und Birger Priddat, der ein Buch über den Onlinehändler Zalando bespricht.
Claus Leggewie: Willkommen zu einer neuen Ausgabe von Lesart Spezial aus dem Grillo-Theater in Essen, die das Deutschlandradio Kultur mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut und der Buchhandlung "proust" veranstaltet. Unser Medienpartner ist die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Mein Name ist Claus Leggewie, guten Tag.
Verbraucherinnen und Verbraucher gelten als der schlafende Riese im politischen System und als Machtfaktor, wenn er denn aufwacht, seine Käufermacht an der Kasse bündelt oder gar bestimmte Produkte und Dienstleistungen boykottiert. Wir kennen freilich alle die Slogans "Geiz ist geil" und "Schrei vor Glück".
Ob es auch anders geht und wie Konsumenten, Bürger eventuell einen Beitrag zur Demokratie leisten, möchte ich mit meinen heutigen Gästen besprechen: Jörn Lamla von der Universität Kassel, Autor des gerade erschienen Buches "Verbraucherdemokratie", und Birger Priddat von der Universität Witten-Herdecke repräsentiert das Buch des Wirtschaftsjournalisten Hagen Seidel über den Berliner Onlinehändler Zalando, der unser Kaufverhalten revolutionieren möchte.
Herr Lamla, Verbraucher waren nicht oft ein Hauptthema der Soziologie. Die politische Ohnmacht des Verbrauchers hat der Soziologe Helmut Schelsky in den 70er-Jahren zum Dogma erhoben. Den Konsumenten fehle es – anders als den organisierten Interessen von Kapital an Arbeit und auch mangels eines Stimmrechts bei Wahlen – an einer wirksamen Vertretung ihrer Interessen. 20 Jahre später hat dann der Soziologe Ulrich Beck den Boykott, den 1995 Kunden der Firma Shell übten, um gegen die geplante Versenkung der Bohrplattform Brent Spar zu protestieren, ein Bündnis der aktiven Konsumgesellschaft mit der direkten Demokratie heraufdämmern sehen.
Wo positionieren Sie sich in diesem Soziologenwettstreit?
Jörn Lamla: Verbraucherdemokratie sollte man meines Erachtens nicht so verstehen, wie Ulrich Beck sozusagen als Idee zumindest in den Raum gestellt hat, als sei es schon Demokratie, wenn die Konsumenten beim Einkaufen das Gefühl haben, sie würden auch politische oder moralische Gesichtspunkte dabei zum Tragen kommen lassen.
Also, die Idee, dass es gewissermaßen über das Portemonnaie, verwendet als eine Art Stimmzettel, möglich sei, Macht auszuüben, kollektive Macht auszuüben, ist, glaube ich, zu einfach. Vielleicht bin ich da näher bei Schelsky, wobei ich aber sagen würde, dass dieser Verbraucher nicht mehr ganz so vernachlässigt ist und nicht mehr vernachlässigbar ist, weil er sozusagen schon ins Zentrum rückt von Mobilisierungsbemühungen.
Wenn Sie sagen, das Kapital ist organisiert und die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind organisiert, dann geht’s ja auch da um Mobilisierung von Macht. Und diese Mobilisierungsbewegungen kann man durchaus schon sehen in Bezug auf die Verbraucher. Ein Boykott beispielsweise will ja auch organisiert sein und mobilisiert sein. Und es gibt Verbände, die sich sozusagen für Verbraucher einsetzen. Und es gibt aber natürlich auch eine Menge von publizistischen Büchern, die sozusagen diese Becksche Idee im Grunde aufgreifen und sagen, na ja, nach Wegen suchen, wie die Verbraucher Macht aneignen können. Insofern sind sie Thema im öffentlichen Diskurs.
Die Frage ist, ob dieser öffentliche Diskurs zu kurz greift oder ob er die Möglichkeiten einer Verbraucherdemokratie wirklich trifft. Das ist eigentlich meine Fragestellung.
Claus Leggewie: Es gibt ja viele Leute, die jetzt die Einkaufsrevolution propagieren, gerade auch als ein Mittel für die Energiewende, für Klimaschutz, Einstieg in eine nachhaltige Politik. Und meist wird gesagt, das ist naiv. "Ethischer Konsum", wie das dann heißt, oder auch "strategischer, kritischer Konsum" ist ein ganz vereinzelter Akt. Wenige machen das nur, ganz schmale soziale Milieus und es sei weitgehend symbolisch.
Und das, was man dann einspart an CO2, gibt man dann für den nächsten Billigflug dann gleich wieder aus. Ist das so eine Art Verdammnis, die dem heute doch aufgeklärten und sich bemühenden Verbraucher entgegenschlägt?
Jörn Lamla: Es ist auch, glaube ich, nicht ganz falsch, da Kritik dran zu üben. Die Verbraucher sind in einer schwierigen Situation. Die Frage ist nur, welche Konsequenz man daraus zieht. Also, wenn man sich die verschiedenen Positionen im Diskurs anschaut, dann kann man ja immer auch fragen, diejenigen, die jetzt jene Bücher kritisieren, die also Möglichkeiten bei den Konsumenten verankert sehen, was schlagen die denn als Alternative vor. Und oftmals kommt dann: "Ja, der Staat, der Einzige, der noch irgendwas richten kann, ist der Staat." – Aber wenn man dann ein bisschen weiter nachdenkt, dann weiß man, dass das ganze Problem nur deswegen angefangen wurde zu durchdenken, weil der Staat ja nicht mehr die Regulierungskapazitäten hat in Bezug auf eine Wirtschaft, die sich immer stärker verselbständigt hat.
Also, mein Ansatz ist, und das formuliere ich im Begriff des "demokratischen Experimentalismus", dass wir keine einfachen Antworten finden werden für die Verbraucherdemokratie, aber dass die Suchbewegung wichtig ist und dass wir es mit einer Vielzahl von Experimenten haben. Wenn also die Lösungen dahin gehen, der Verbraucher sei sozusagen das neue politische Subjekt, was die einen sagen, dann ist das ein zu einfaches Experiment, aber die anderen haben auch keine besseren Experimente.
Claus Leggewie: Sie schreiben über diese Diskurse, über die Engagementformen, die gerade in der Publizistik jetzt zu finden sind. Es gibt ja unendlich viele Bücher, die uns eigentlich als Ratgeber was an die Hand geben sollen, wie man CO2 einsparen kann und all diese Dinge. Und ausgehend davon betten Sie das so ein in die soziologische Theorie. Das finde ich sehr gut an diesem Buch, dass es also auch einen theoretischen Hintergrund hat. Die ist die Figur des Consumer Citizen – mit Fragezeichen, also des "Konsumbürger" spielt eine Rolle. Normalerweise würden wir denken, Herr Priddat, der Konsumbürger ist eigentlich einer, der jetzt auch so wählt, als wäre er Konsument, der also gewissermaßen SPD, CDU, Piraten oder Grüne wählt wie ein Produkt. Also, in der ökonomischen Theorie wird ja häufig auch das Wählerverhalten als ein so gesehen rationales diskutiert.
Birger Priddat: Das funktioniert ja so nicht.
Claus Leggewie: Das funktioniert genau genauso nicht.
Birger Priddat: Weil Produkte der Parteien keine richtigen Preise haben. Da kann man gar nicht bewerten.
Claus Leggewie: Obwohl jetzt bei den Koalitionsverhandlungen so getan wurde, als könnte man den Preis… Was halten Sie von der Figur des Consumer Citizen, des Konsumbürgers?
Birger Priddat: Urban Citizen, der schon mal so schaut, was ist Neues, also, es ist eher ein Neugier-Überfluteter. Der guckt, welche Dinge seinen Lebensstandard oder seinen Ausdruck seines Lebensstandards bereichern und der wahrscheinlich nicht konventional kauft. Aber das hat ja nichts zu tun mit irgendeiner moralischen oder sonstigen Entscheidung, sondern das ist eher so was wie eine Neugiersehnsucht. – Wie toll bin ich? Was machen die anderen? Mache ich es mit, mache ich es nicht mit? Oder mache ich genau das Gegenteil von den anderen, damit ich anders dastehe?
Dafür wird schon viel Geld ausgegeben. Aber das hat nichts mit einer Verbraucherdemokratie zu tun. Und ich bin auch sehr skeptisch diesem moralischen Kauf gegenüber. Ich glaube, dass er funktioniert, aber – ich schätze – zweieinhalb Wochen lang und dann ist Schluss.
Ich habe mehrfach untersucht, von "Brent Spar" angefangen, dann gab es französische Atomversuche, dann gibt es Fischbakterien und weiß ich was oder sogar irgendwelche Rinderpest, also, zwei bis maximal vier Wochen geht das aufs Verbraucherverhalten, aber nicht wirklich. Bei Brent Spar sind, glaube ich, 18 Prozent Kraftstoffkaufrückgang an den Tankstellen gewesen. Danach geht’s wieder normal. – Also, es bleibt nicht im Gedächtnis.
Wenn wir all das erinnern würden, was uns damals gestört hat und was garantiert immer noch im Essen drin ist oder immer noch politisch anhaftet, dann dürften wir ganze Batterien nicht mehr kaufen. Das tun wir aber nicht. Wir vergessen. Es geht weg im Gedächtnis und dann wird flott wieder gekauft. – Das ist ja auch schwierig. Wenn man weiß, das Spielzeug, billiges Spielzeug, von chinesischen Kindern unter schwierigen Arbeitsbedingungen sozusagen gebaut wurde, und wir wissen, das wollen wir nicht kaufen, dann gucken wir, wo wird denn ordentliches Spielzeug (…). Das gleiche kostet dann 38,50 Euro. Und das ist dann aber zu teuer. Das heißt, dieses Bewusstsein nützt gar nichts, selbst wenn es da ist bei den Leuten. Wenn sie dann in der Kaufsituation davor stehen, sagen sie: "Ach komm jetzt, das Kind weiß es sowieso nicht und es ist auch eigentlich egal."
Wer hat denn dieses hohe kognitive Bewusstsein, diesen Aufwand, sozusagen wirklich diese Entscheidung zu treffen? Natürlich kann man die machen. Es gibt Leute, ganz wenige, drei, vier, fünf Prozent vielleicht, die haben so eine Haltung dazu entwickelt. Das muss aber so als Haltung ein Prinzip sein, weil sie auch keine Lust haben, jedes Mal neu zu entscheiden. Die haben einfach eine Haltung und mit der Haltung gehen sie dann durch.
Ich bin ja dafür, wenn man klug kauft. Warum denn nicht? Das ist doch eigentlich vernünftig, vernünftig zu kaufen. Aber was glauben Sie, wie schwierig das ist, wenn man dann so voller Neugier ist und wenn es einen reizt. Dann ist man doch nicht mehr vernünftig.
Die empirische Forschung beim ökonomischen Kaufen sagt: nicht rational. Rational ist ein Elitephänomen von ganz wenigen Leuten, die das können. Das heißt, Sie müssen da, wo die Emotion hoch schwillt, cool bleiben und dann Preis und Nutzen entscheiden. Wer kann das schon?
Claus Leggewie: Herr Lamla, was müsste passieren, damit aus drei oder vier oder zehn Prozent 30 Prozent werden? Hilft da Information? Hilft da Verbraucherberatung? Sie beispielsweise sind ja in einem Gremium, das das Landwirtschafts- und Verbraucherministerium berät genau in diesen Fragen. Hilft da staatliche Intervention oder was könnten gewissermaßen die Konsumenten, Bürger selber beitragen zu einer Verbesserung dieser Bilanz, die gerade ja sehr nüchtern beschrieben wurde?
Jörn Lamla: Um hinten gleich anzufangen bei Ihrer Frage, ich habe auch noch zu dem, was Herr Priddat gesagt hat, was zu sagen. Die Ministerien interessieren sich jetzt sehr stark für das Thema Verbraucherbildung. Die Kultusministerkonferenz beispielsweise hat das auf die Agenda gesetzt. Das sei ein ganz wichtiger Punkt für die Zukunft. Die Leute wissen nicht beim Handyvertrag, was sie da sozusagen für Risiken mit eingehen usw. Deswegen steht Verbraucherbildung ganz hoch auf der Agenda.
Da ist natürlich die Idee im Grunde sozusagen, diesen Prozentanteil zu vergrößern. Ich gebe aber Herrn Priddat Recht, das ist ein sehr, sehr langer Weg, wenn man auf diesem Wege gewissermaßen die Wirtschaft verändern wollte, steuern wollte. Ich bin da auch skeptisch – eigentlich genau wie Sie.
Ich finde aber an diesen Diskussionen was interessant. Ich will jetzt nicht einfach als Wissenschaftler hergehen, als Soziologe, und sagen, na ja, Consumer Citizen ist eine komische Idee, die trifft die Realität nicht, sondern ich glaube, das ist ein sehr reales Phänomen im Sinne der Mobilisierung, also auch des Zuschreibens von Verantwortung in der Politik. Also, die Politik ist eine politische Erfindung der Consumer Citizen. Mich interessiert gar nicht so sehr, ob es den wirklich gibt, also, ob die Konsumenten tatsächlich so politisch handeln. Aber als politische Erfindung ist er unglaublich real.
Das heißt, da soll jetzt die Verantwortung geschultert werden für die Klimakatastrophe und Ähnliches mehr. Insofern muss man sich anschauen, ob das ein realistisches Experiment ist, also, ob da wirklich die tauglichen Lösungen gefunden werden können.
Ich hab mir, wenn ich noch einen Satz dazu sagen darf, die Verbraucher schon auch empirisch angeschaut und glaube, dass es so drei verschiedene Typen geben könnte – einer, der tatsächlich sehr überzeugt und innenorientiert so eine Art inneren Kompass hat beim Einkaufen. Da könnte man sagen, also, es ist auch so ein bisschen das alte Bildungsbürgertum. Da könnte man sagen, na ja, die haben eigentlich schon so den Versuch, bestimmte Werte zumindest, ethische Ziele beim Konsum zu berücksichtigen und auch konsistent zu sein. Der Punkt ist nur: Das können ja die unterschiedlichsten Ziele sein. Was ist denn das Citizen-Moment da drin? Inwiefern werden denn diese Ziele, die ich vielleicht für politisch wichtig erachte, noch im Sinne eines bürgerschaftlichen Raums, im Sinne einer Demokratie zur Diskussion gestellt und zur Abstimmung gestellt? Wie kommen wir denn da zu kollektiven Zielen, an denen wir unseren Konsum ausrichten? Erst dann wäre es doch Demokratie.
Claus Leggewie: Sie hatten uns einen Typus genannt.
Jörn Lamla: Ja, genau. Die anderen beiden Typen sind eher ein außen Geleiteter, also, wenn wir später auf das Internet kommen, also auf soziale Netzwerke oder Ähnliches mehr, es gibt Konsumenten, von denen ich glaube, dass sie sehr von Anerkennung durch Peergroups und durch andere abhängig sind und dadurch auch sehr viel mehr so nach Außeneinflüssen, nach Meinungen der anderen ihr Konsumverhalten ausrichten.
Und es gibt noch so etwas wie taktische Konsumenten. Ich denke dabei an diejenigen, die sich im Internet die Filme kostenlos angucken. Das sind nicht wenige, wie wir wissen, oder die Musik runterladen oder Ähnliches mehr oder die auch mal klauen. Also, es gibt eine Möglichkeit, sich taktisch von den Regeln des Marktes zu distanzieren.
Und die Idee, die ich habe, ist, dass diese drei kombiniert durchaus Kompetenzen eines Consumer Citizen ergeben können. Leider sind das drei getrennte Typen. Wenn man daraus einen mixen könnte, wäre das schon mal nicht schlecht.
Vielleicht noch einen Satz: Weil der Außengeleitete natürlich immerhin auch anschlussfähig wäre, nicht nur für Peergroups, sondern auch für öffentliche Meinungsbildung und damit für kollektive Willensbildung, während die Innengeleiteten eigentlich ihrer Überzeugung nachgehen und mit dem Kopf durch die Wand.
Claus Leggewie: Herr Priddat, was ändert sich durch das Netz?
Birger Priddat: Ich möchte mal so formulieren: Wir Ökonomen haben ja immer gesponnen, dass alle Akteure rational sind, dass sie also immer sozusagen nach Alternativen gucken und dann die beste auswählen. Das hat man früher nicht gemacht, sondern man hat die erstbeste gekauft oder, es war sowieso sehr wenig da, immer das Gleiche.
Im Netz passiert fantastischerweise das, dass plötzlich die Theorie realistisch wird. Das heißt, wenn nämlich plötzlich wird, wenn wir was auswählen – gucken Sie sich so einen Katalog wie bei Zalando an, da haben Sie, ich weiß nicht, 15.000 Teile. Dann gibt’s bestimmte Suchalgorithmen, wie man das am besten erreicht, wie man so Bereiche festlegen kann für sich. Und dann sind Preise da. Und was machen Sie? Sie kaufen doch nicht sofort, sondern gehen jetzt erst mal in eine Suchmaschine und suchen, wo ist der beste Preis für das Produkt. Oder Sie gehen in einen Laden bei Saturn, lassen sich so ein Elektronikteil erklären und sagen, aha, ist ja interessant, was ist Ihr Preis, 515,00, dann sagen Sie, schönen Dank, oder gleich noch da, tippen ein, Suchmaschine, wo ist der beste Preis, und gehen woanders kaufen.
Das heißt, diese Optimierung, bester Preis, beste Alternative, höchster Nutzen, das wird tatsächlich jetzt realisiert durch das Netz. Ich hätte das nicht für möglich gehalten als Ökonom, dass das jemals stattfindet.
Claus Leggewie: Kann ich da andere Signale als den Preis einspeisen, so, wie gerade Herr Lamla gesagt hat? Ja, wie zum Beispiel: Wie kriege ich die Information CO2-freundlich?
Birger Priddat: Das noch nicht. So ein footprint, so ein economical footprint muss noch eingebaut werden. Aber bestimmt gibt es Apps schon, die einem da helfen, wahrscheinlich aber für kleine Produktgruppen. Das ist ja eine ungeheure Arbeit. Wer finanziert denn das, alle Produktgruppen jetzt mit einem grünen footprint einmal sozusagen zu markieren. Da müsste das Wuppertal-Institut, weiß ich, nochmal 300 Leute einstellen à 20 Jahre, damit man alles bewertet und immer wieder neu bewertet. Das ist eine hohe Arbeit. Das macht ja nicht die Maschine.
Claus Leggewie: Was könnte es für Signale geben, Herr Lamla?
Jörn Lamla: Ich finde das interessant, diese Idee, mit so einem Scanner über die Produkte zu gehen und Informationen aus dem Netz zu ziehen, finde ich schon auch sehr innovativ. Und da gäb’s auch Möglichkeiten. Wenn die Apps aber gewissermaßen dann sehr plural von den unterschiedlichsten Organisationen gewissermaßen bereitgestellt werden, von denjenigen, die also den günstigsten Preis in den Vordergrund stellen, bis zu denjenigen, die irgendwelche ökologischen Implikationen der Produkte in den Vordergrund stellen, dann bleibt es ja letztlich wieder eine Sache der Konsumenten zu entscheiden, nach welcher App man denn da jetzt letztlich geht, also welche Informationen einen interessieren.
Und die Demokratie würde erst dann einsetzen, wenn man wieder darüber diskutiert, welche Informationen wirklich wichtig sind und an welcher Information man gewissermaßen nicht vorbeigehen sollte.
Claus Leggewie: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das genau das, was man jetzt von Verbraucher, Verbraucherin erwarten kann, dass das eventuell passieren kann, dass genau diese Debatte stattfindet: Gehe ich einzig und allein nach dem Preissignal – Geiz ist geil? Oder tue ich Elemente von Fairness, von Nachhaltigkeit und anderes da rein? Und welche sind für mich prioritär? – Das ist das, was Sie als demokratisches Experiment verstehen?
Jörn Lamla: Ja, aber weil Sie sagen, was man von dem Verbraucher erwarten kann: Ich glaube, wenn man von dem Verbraucher redet, dann sind es meistens irgendwelche, die den Verbraucher in eine bestimmte Richtung mobilisieren wollen. Der Verbraucher ist eigentlich immer eine Konstruktion von Akteuren, sei es Bewegungen, NGO oder Unternehmen, die Unternehmen konstruieren sich ihren Verbraucher auch zurecht, die ihn zu einem bestimmten Handeln motivieren wollen.
Deswegen glaube ich, dass das demokratische Experiment vielmehr auf der Ebene der Organisationen stattfinden müsste, die Regeln dafür finden müssen, welche Informationen beispielsweise in so eine App rein müssen oder was da nicht geht.
Birger Priddat: Da können Sie nicht eine Organisation erfinden, die Regeln gibt. Die Leute akzeptieren die nicht, sondern anders: Ich mache mal ein Beispiel.
Es gibt eine App. Wenn man zum Beispiel ein Restaurant suchen will, das ist alles gekoppelt mit den Satelliten, wenn man ein Restaurant suchen will, nehmen wir mal an, ich suche jetzt, ich will jetzt ein indonesisches Restaurant, also regional, dann sucht dieses App das Restaurant, aber nicht danach – wonach soll es suchen, ich habe ja gar keine Kriterien, außer „indonesisch“, also, es zählt nicht einfach indonesische Restaurants auf, sondern welche meiner Freunde, meiner Netzwerkfreunde bei Twitter oder Facebook welche indonesischen Restaurants schon bevorzugt haben.
Das heißt, ich kriege ein Restaurant, das meine Freunde schon mögen. Das heißt, das Kriterium ist nicht der Preis, auch nicht der Öko, sondern sozusagen, was alle, was meine Freunde mögen. Ich gehe sozusagen in das soziale Netzwerk und sage, oh, ich bin mittendrin und ich bin nicht fremd und ich mache nicht was anderes, sondern ich bin im Zentrum der Aufmerksamkeit und ich mache genau das, was meine Freunde machen. Und was die machen, muss schon gut sein, weil, das sind ja meine Freunde. – Das wird der neue Selektor.
Claus Leggewie: "Schrei vor Glück" ist der Slogan einer Berliner Firma, die gerade wieder Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse macht. Vor fünf Jahren wurde Zalando, ein Online-Händler gegründet, hat im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Umsatz gemacht, Kunden in 14 Ländern und baut jetzt, das können Sie sehen, überall Versandcentren auf. Der Schritt an die Börse ist geplant. Der Wert des Unternehmens, wer auch immer so was schätzt, soll 3,7 Mrd. Euro betragen.
Da sagt dann die FAZ "auf dem Amazon-Weg", während Amazon gerade unter Streikdrohung steht, weil die Weihnachtspakete vielleicht nicht ganz so pünktlich ankommen, weil nämlich Amazon unter Tarif zahlt und es jetzt gegen die Arbeitsbedingungen geht, die übrigens auch bei Zalando ein Problem sind.
Herr Priddat, Sie haben für uns ein Buch von Hagen Seidel gelesen. Das ist ein Wirtschaftsjournalist, der heute für die Textilwirtschaft tätig ist. Er hat ein Buch über Zalando oder "Shoppen gehen war gestern" geschrieben. Wie fanden Sie das Buch?
Birger Priddat: Anregend. Der Mann wiederholt sich natürlich häufig. So viele Informationen gibt’s gar nicht, dass man ein ganzes Buch draus machen kann. Die Firma ist ja noch klein. Es ist aber gut geschrieben und man kriegt einen Eindruck über diese Dimension.
Ich nenne mal zwei Dimensionen. Die eine ist nachher nämlich die Grundfrage: Was heißt das eigentlich, "Netzkauf"? Was ändert sich da in der Kultur? Da gehen wir gleich drauf ein. Jetzt erst mal die Firma: Das sind zwei Jungs, kümmern sich überhaupt nicht um die sonstige Wirtschaft, gehen auch nicht zur Handelskammer oder so hin, weil, da sagen sie immer, "dicke alte Männer mit Schlipsen, mit denen sie sich nicht unterhalten können und die nicht verstehen, was sie machen". Es sind so eine kleine junge Truppe, 29 ist schon für die Jungen, für die Startups schon alt, aber sie sind gut drauf und haben begonnen eine ganz verrückte Idee. Die beiden mochten lateinamerikanische Länder, haben also Facebook als Deutsche in lateinamerikanischen Ländern selbständig machen wollen – haben sogar dafür ein paar Hunderttausend gekriegt. – Ist völlig gescheitert, weil keiner von denen dort zahlt, unzuverlässig und deswegen keine Werbung. Aber sie hatten trotzdem den Mut zu sagen, wir sind so gescheitert, jetzt trauen wir uns richtig was.
Und das ist natürlich eine Haltung, die wir in Deutschland kaum kennen. Und haben dann etwas begonnen, wovon sie keine Ahnung haben, hatten und bis jetzt auch noch fast keine haben, Schuhe zu verkaufen. Das sind zwei Betriebswirte, die aber von dem Produkt keine Ahnung haben. Und alle Schuhhändler haben auch gesagt, es wird nie was. Aber sie haben eine Idee, die, also einer der Samwer-Brüder, diese berühmten Financiers, die haben sozusagen so viel Projekte schon gemacht, dass sie dauernd neue solche Projekte finanzieren… Deren Idee ist im Grunde, also, das ist ein bisschen arrogant, das gehört anscheinend zum Geschäft, die sagen: Was wollt ihr? Die Welt beherrschen. Das heißt, wir wollen größer als Amazon werden, fertig. Das ist das einzige Ziel, was wir machen – weltweit als deutsche Firma. Da werden wir den Amerikanern mal zeigen, wo die Harke steht.
Solche Ziele haben die und so arbeiten die, so denken die. Das heißt, immer groß, groß, groß, bloß nicht klein, also nicht ein Schuhgeschäft machen, sondern gleich den gesamten Schuhhandel Deutschlands einmal übernehmen.
Das dauert. Das dauert fünf Jahre, sechs, sieben Jahre. Und jetzt haben sie natürlich, jetzt kommt das Internet: Die meisten Schuhhändler sind Einzelhandelshäuser oder Ketten, die alle nicht wissen, wie Internet geht, also die meisten. Es gibt einen, Deichmann, glaube ich, der hat so eine Dimension. Graz hat so eine Dimension, aber im Grunde: Hauptgeschäft Schuhe im Regal und dann noch mal so eine kleine Linie online.
Die haben kein einziges Geschäft, wollen auch keins aufmachen, obwohl alle möglichen Leute sagen, macht so Fashiongeschäfte wie Prada, ein Geschäft, wo dann nur drei Teile stehen in einer Riesenhalle, drei Teile gut beleuchtet. – Das ist aber nebensächlich.
Die sind voll ins Onlinegeschäft gegangen und haben drei Bedingungen gemacht, die auch andere Onlinehändler nicht machen, sozusagen ganz schnelle Bedienung, das kostet viel Geld – das macht erst mal Verluste – und sofortige Zurücknahme. Alle können zurückschicken, was sie kaufen, alles. In diesen großen Kundencentern ist die Hälfte, sagen wir mal, 10.000 Quadratmeter sind Auslieferung und dann noch mal 5.000 Quadratmeter, wo sie alle wieder annehmen.
Das heißt, das kostet ein Schweinegeld, aber dadurch kriegen sie die Kunden, weil alle das Gefühl haben, das ist doch risikolos dort zu kaufen.
Claus Leggewie: Ich habe mich mal mit Herrn Schneider darüber unterhalten. Es gibt ja das Same-Day-Delivery-Prinzip. Im Grunde genommen möchte man jetzt einen Wunsch haben. Und der Slogan von Zalando heißt ja "alles überall sofort".
Jörn Lamla: Sofort heißt drei Tage.
Claus Leggewie: Sofort heißt möglichst heute, spätestens gestern. Und die Zahlen der Bestellungen, wenn man signalisiert, dieser Schuh braucht aber zehn Tage, gehen sofort wieder runter. Das heißt, das Produkt wird gar nicht bestellt, auch wenn man die Schuhe vielleicht erst in einem Monat brauchen würde.
Was sagt uns das über den Citizen Consumer, was wir hier erleben? Amazon wäre ein anderes Beispiel. Wir müssen ja nicht so tun, als würden wir da noch nie eingekauft haben. Das ist eben genau das, was heute uns gewissermaßen auch anmacht. Herr Priddat hat ja auch gerade beschrieben, was daran sexy ist. Also, ich mache das, was meine Peergroup auch gut findet, "like it", und ich kriege irgendwie eine persönliche Ansprache. Ich freue mich immer, wenn mir Amazon sagt, dass ich dieses Buch auch noch gerne lesen möchte. Und es stimmt. Ich möchte es auch noch gerne lesen. Herr Lamla, was sagt uns das für die Verbraucherdemokratie?
Jörn Lamla: Zum einen ist natürlich erstaunlich, dass solche Leute immer noch als Helden quasi in so einem Buch verehrt werden, die einfach ein Konsumprinzip sozusagen verfestigen, was sich natürlich auch eingespielt hat, was im Grunde auch in der ganzen Werbesymbolik darauf hinaus läuft, dass man gar nicht genug Schuhe haben kann und so. Das ist natürlich irgendwie schon bisschen was anderes als das, worüber wir vorher geredet haben.
Wenn man sozusagen an die Grenzen des Wachstums denkt mit Blick auf Ressourcen und mit Blick auf den Erdball, das Klima und anderes mehr, dann zeigt das für mich, wie tief das in unserer Kultur verwurzelt ist, dieses Wachstumsprinzip und durch Wachstum sozusagen den Wohlstand zu heben, dass das gewissermaßen die Legitimationsgrundlage doch noch immer der Gesellschaft zu sein scheint. Und vielleicht ist das auch ein Moment des Consumer Citizen, dass er da seine sozusagen, dass das seine Werte sind. Aber das wäre jedenfalls ein anderer als den, den wir im Blick haben.
Die zweite Geschichte, die ich daran interessant finde, ist, wenn Sie auf Amazon und Ihre Buchempfehlungen hinweisen, was Herr Priddat vorhin gesagt hat mit dieser App, mit den Restaurants, das findet man ja eben, das ist ja das Prinzip von Amazon, das ist ja das Prinzip, dass sozusagen Konsumenten jetzt die Werbung übernehmen, nämlich dadurch, dass sie sozusagen Empfehlungen abgeben, Rezensionen schreiben, Testberichtet machen im Netz. Also, vielleicht beteiligen sich viele von den Zuhörern auch an solchen Sachen. Und da steckt natürlich etwas drin, was auch für den Consumer Citizen wichtig ist, auch als eine Warnung sozusagen, dass man da nicht zu viel Hoffnung haben soll. Nämlich da steckt drin, dass eben die Unternehmen gerade über das Internet selber den Konsumenten mobilisieren aktiv zu werden, nicht nur zu kaufen, sondern gewissermaßen noch mehr zu tun, als zu kaufen, auch zu verkaufen im Grunde, sich an der Werbung zu beteiligen, sich an den Rahmungen, also, was gilt als wertvoll, was ist ein guter Preis usw., sich zu beteiligen und darüber die Meinungen zu bilden.
Was ich nicht glaube, ist eben, dass die Konsumenten da in hohem Maße unabhängig sind, dass man automatisch sagen kann, das ist eine Form von Demokratie, weil eben diese Unternehmen sehr geschickt darin sind, im Grunde sozusagen auch Jubelrezensionen herbeizuführen oder Werbung eben durch Konsumenten machen zu lassen.
Claus Leggewie: Bevor wir jetzt darauf nochmal zurückkommen, ob das eine andere Form von Demokratie wird, wird es eine andere Form von Ökonomie, von Markt, Herr Priddat?
Birger Priddat: Ja, es wird, weil im Grunde die Leute… Also, im Grunde ist das eine ganz intelligente Form der Erweiterung der Kredit-Card. Normalerweise kauft man ja. Ich brauche ein paar Schuhe und gucke, wie viel Geld habe ich noch übrig. Und dann hat man hundert Euro und dann kauft man sich ein paar Schuhe für hundert, weil man nicht mehr hat, was auch irgendwie klappt.
Was hier passiert, ist, dass man sagt, ich brauche ein paar Schuhe, ich bestelle mal fünf oder sechs. Das ist ja alles völlig risikolos. Und dann stehen die da, diese geilen Teile. Und dann behält man zwei oder drei Paar, weil, sie sind ja auch relativ günstig, 80 Euro, 120 oder so. Mein Gott. Und schon hat man das Konto, was man eigentlich vernünftigerweise hat, überzogen, einfach so: Mein Gott, notfalls kann ich die immer noch zurückschicken Aber er zieht sie dann doch an.
Und das ist etwas, das heißt, dass die Unternehmen eine Form gefunden haben, uns – sagen wir mal so – ein Geschenk zu machen, das ist ja das raffinierte, ein Geschenk. Wir zeigen euch mal so schöne Dinge. Ihr braucht auch gar nicht rumlaufen und die Mühe machen, auch noch zu Fuß irgendwo hinzugehen, sondern ihr kriegt’s ins Wohnzimmer und breiten gewissermaßen einen Gabentisch aus. Und dann haben alle so ein Geburtstagsgefühl, wenn die Dinger, diese Kartons da kommen.
Deswegen "Schrei vor Glück", die Werbung ist schon raffiniert und richtig. Das ist so ein Moment, ah, jetzt das Geschenk auspacken, weil, das ist ja erst mal ein Geschenk. Und dann kauft man mehr als man will. Das die neue, das ist natürlich die alte Ökonomie, aber die Art und Weise der Verpackung, der Darreichung – und ich hab manchmal das Gefühl, deswegen nenne ich das so eine „Gaben-Ökonomie“, man kriegt ein Geschenk und dann möchte man auch sich verpflichtet fühlen, wieder zu schenken. Das heißt, man kauft ein bisschen mehr, weil die sich ja schon die Mühe gemacht haben, mich so nett zu bedienen. Ich meine, das ist doch wirklich charmant und gleichzeitig raffiniertes Zeug.
Claus Leggewie: Ich bin da ganz miesepetrig und denke an die Logistik, die dafür erforderlich ist, denke ans Klima, denke an solche wirklich nicht so lustigen Dinge. – Egal. Herr Lamla, ganz zum Schluss und ganz kurz: Gibt’s ne App für Verbraucherdemokratie? Gibt’s irgendein Prinzip, was wir aus dem, was wir gerade gehört haben, lernen können für die Verbesserung von Demokratie?
Jörn Lamla: Na ja, ich denke, die App gibt’s, glaube ich, noch nicht, aber man sieht, dass die Experimente in Richtung einer Verbraucherdemokratie auch viel mit solchen technischen Formen zu tun haben könnten, also mit Formgebung. Und das ist tatsächlich auch eine Überlegung, die ich im Beirat für das Verbraucherministerium mal angedacht habe, dass sozusagen die Formen der Internetkommunikation modifiziert werden könnten, dass man da mehr investieren könnte, dass man das Feld zumindest nicht den Unternehmen alleine überlässt. Weil, die haben nicht unbedingt sozusagen die bürgerschaftlichen Ziele im Blick, wenn sie die Konsumenten mobilisieren.
Claus Leggewie: Wir sind schon wieder am Schluss der Sendung – wie immer Buchempfehlungen unserer Gäste. Herr Priddat empfiehlt "Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens", erschienen bei Antje Kunstmann.
Birger Priddat: Das ist von Skidelsky/ Skidelsky, Vater und Sohn. Er ist Philosoph, Vater ist Ökonom, berühmter Keynes-Biograph. Also, wer denn mal über den großen Keynes was lesen ist, das ist die beste Biographie, die man je gelesen hat. Und das Buch ist ganz interessant, weil er fragt, "wie viel ist genug?". Das heißt: Müssen wir ständig wachsen, um ein gutes Leben zu führen? Kann man nicht andere Formen des guten Lebens, jetzt ganz unter uns und ohne große Sparsamkeit, einfach darüber noch mal nachdenken – ein kluges Buch.
Claus Leggewie: Herr Lamla empfiehlt das Buch eines Kollegen, Wolfgang Streek, "Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus". Das waren Adorno-Vorlesungen 2012 in Frankfurt, jetzt bei Suhrkamp erschienen. Warum soll man das lesen?
Jörn Lamla: Das soll man lesen, weil das nochmal eine Dimension aufzeigt, wie kompliziert es ist, aus der Krise herauszukommen. Was hier gekauft wird, ist eben jetzt Zeit. Das bedeutet, die Konsumgesellschaft ist tatsächlich ein ganz wichtiges Integrationsprinzip der Gesellschaft gewesen. Damit sozusagen alle mitmachen und es nicht zu Konflikten kommt, damit die Ungleichheiten ertragen werden können in der in der Gesellschaft, hat man immer auf Wachstum gesetzt, das sozusagen über den Konsum dann das Gefühl von Wohlstand und von Verbesserung liefern sollte. Und damit das möglich war, muss man sich immer verschulden. Das hat die Verschuldungsspirale in Gang gebracht.
Ich finde das Buch sehr gut, weil es sehr radikal sozusagen die Stufen und die Steigerungslogik dieser Verschuldung zeigt und damit auch die Herausforderung, man könnte sagen, auch für eine Verbraucherdemokratie, da rauszukommen und weil das Buch auch sehr experimentalistisch denkt, zum Beispiel auch sagt, der Euro war ein Experiment. Ist es gelungen oder ist es gescheitert?
Claus Leggewie: Das machen wir in der nächsten Sendung. Das war Lesart Spezial aus dem Essener Grillo-Theater mit Deutschlandradio Kultur. Es verabschiedet sich Claus Leggewie vom Kulturwissenschaftlichen Institut und wünscht noch einen schönen Sonntag.