Lesen nach Zahlen
2002 eröffnete Albrecht Beutelspacher mit dem Mathematikum das erste Mitmachmuseum für Mathematik weltweit in Gießen. Die häufigsten Fragen seiner Besucher hat er jetzt in seinem "Kleinen Mathematikum" zusammengefasst.
Endlich mal einer, der Klartext redet und die Fragen der Verschreckten und zaghaft Neugierigen ernst nimmt. Sind Mathematiker weltfremd? Haben Zahlen eine Bedeutung? Kann man alles beweisen? Wer glaubt, in der Mathematik gehe es nur ums Rechnen, wird sich wundern. Und für wen Mathematik ein Angstfach in der Schule war oder auch nur ein einziges, großes Fragezeichen, für den hält Albrecht Beutelspacher mit seinem kleinen Mathematikum eine Überraschung bereit. Eine ganze Menge von dem, was man schon immer über Mathematik hätten wissen sollen, aber nie beigebracht bekam: Hier steht's drin.
2002 eröffnete Albrecht Beutelspacher mit dem Mathematikum das erste Mitmachmuseum für Mathematik weltweit in Gießen. Die häufigsten Fragen seiner Besucher hat er jetzt in seinem "Kleinen Mathematikum" zusammengefasst. Er nutzt die Gelegenheit, eine Menge Vorurteile gerade zu rücken. Mathematik als Forschungsgebiet? Was gibt es denn da, bitte schön, noch zu entdecken?
Eine ganze Menge. In der Mathematik wimmelt es nur so von Problemen. Manche davon, wie die Riemannsche Vermutung, sind seit über 100 Jahren ungelöst (worum es bei diesen Problemen geht, ist allerdings für Außenstehende oft kaum zu begreifen). Die meisten sind so speziell, dass sie auch unter Fachleuten keine großen Wellen schlagen. Aber 100.000 neue Fachartikel pro Jahr sprechen eine eigene Sprache für die Lebendigkeit der Mathematik als Forschungsgebiet.
Neu ist für viele vielleicht die Tatsache, dass die Mathematiker mit einer für sie schrecklichen Gewissheit leben müssen: Sie wissen, dass sie nicht alles beweisen können. Das wiederum ist nämlich bewiesen worden. Klingt verrückt, ist aber – wie alles, was in der Mathematik einmal bewiesen wurde – unumstößlich.
Natürlich wird es in den 101 kurzen Abschnitten auch mal mathematisch, etwa wenn Albrecht Beutelspacher erklärt, wie einfach man den Satz des Pythagoras beweisen kann (der den Babyloniern schon 1000 Jahre früher bekannt war, aber von Pythagoras zum ersten Mal bewiesen wurde) oder er Begriffe wie Axiom, Exponentialfunktion und Logarithmus erläutert. Daneben erfährt man aber auch, warum die Null gerade ist, was es mit dem Ziegenproblem in der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf sich hat, wie viel Mathematik mit Fantasie zu tun hat und was ein Googol ist, ein Begriff, von dem die Suchmaschine Google ihren Namen abgleitet hat.
Die Strenge der Mathematik ist Faszinosum und Abschreckung zugleich. Die einen bestaunen ihre Klarheit, die andern fürchten ihre Unbarmherzigkeit. Das Wesen dieser radikalsten Geisteswissenschaft, die der Mensch ersonnen hat, besser zu verstehen, dafür leistet das Kleine Mathematikum auf kurzweilige und verständliche Art unschätzbare Dienste, weil es gerade kein Rechenbuch ist. Stattdessen liest man verdutzt: Viele Mathematiker können gar nicht rechnen. Denn Rechnen allein ist keine Mathematik!
Besprochen von Gerrit Stratmann
Albrecht Beutelspacher: Beutelspachers kleines Mathematikum. Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten zur Mathematik
C. H. Beck Verlag, München 2010
189 Seiten, 14,95 Euro
2002 eröffnete Albrecht Beutelspacher mit dem Mathematikum das erste Mitmachmuseum für Mathematik weltweit in Gießen. Die häufigsten Fragen seiner Besucher hat er jetzt in seinem "Kleinen Mathematikum" zusammengefasst. Er nutzt die Gelegenheit, eine Menge Vorurteile gerade zu rücken. Mathematik als Forschungsgebiet? Was gibt es denn da, bitte schön, noch zu entdecken?
Eine ganze Menge. In der Mathematik wimmelt es nur so von Problemen. Manche davon, wie die Riemannsche Vermutung, sind seit über 100 Jahren ungelöst (worum es bei diesen Problemen geht, ist allerdings für Außenstehende oft kaum zu begreifen). Die meisten sind so speziell, dass sie auch unter Fachleuten keine großen Wellen schlagen. Aber 100.000 neue Fachartikel pro Jahr sprechen eine eigene Sprache für die Lebendigkeit der Mathematik als Forschungsgebiet.
Neu ist für viele vielleicht die Tatsache, dass die Mathematiker mit einer für sie schrecklichen Gewissheit leben müssen: Sie wissen, dass sie nicht alles beweisen können. Das wiederum ist nämlich bewiesen worden. Klingt verrückt, ist aber – wie alles, was in der Mathematik einmal bewiesen wurde – unumstößlich.
Natürlich wird es in den 101 kurzen Abschnitten auch mal mathematisch, etwa wenn Albrecht Beutelspacher erklärt, wie einfach man den Satz des Pythagoras beweisen kann (der den Babyloniern schon 1000 Jahre früher bekannt war, aber von Pythagoras zum ersten Mal bewiesen wurde) oder er Begriffe wie Axiom, Exponentialfunktion und Logarithmus erläutert. Daneben erfährt man aber auch, warum die Null gerade ist, was es mit dem Ziegenproblem in der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf sich hat, wie viel Mathematik mit Fantasie zu tun hat und was ein Googol ist, ein Begriff, von dem die Suchmaschine Google ihren Namen abgleitet hat.
Die Strenge der Mathematik ist Faszinosum und Abschreckung zugleich. Die einen bestaunen ihre Klarheit, die andern fürchten ihre Unbarmherzigkeit. Das Wesen dieser radikalsten Geisteswissenschaft, die der Mensch ersonnen hat, besser zu verstehen, dafür leistet das Kleine Mathematikum auf kurzweilige und verständliche Art unschätzbare Dienste, weil es gerade kein Rechenbuch ist. Stattdessen liest man verdutzt: Viele Mathematiker können gar nicht rechnen. Denn Rechnen allein ist keine Mathematik!
Besprochen von Gerrit Stratmann
Albrecht Beutelspacher: Beutelspachers kleines Mathematikum. Die 101 wichtigsten Fragen und Antworten zur Mathematik
C. H. Beck Verlag, München 2010
189 Seiten, 14,95 Euro