Lesen und Abtauchen

Rezensiert von Lutz Bunk |
Alexander Kent schuf mit seinen Romanen eine Saga um den fiktiven britischen Seehelden Richard Bolitho. Und obwohl der Zyklus eigentlich abgeschlossen ist, legt Kent nun den Band "Bruderschaft zur See" nach und führt den Leser ins Schmuggler-Milieu des Jahres 1774. Lektüre zum Abschalten und Abtauchen.
Dieses Jahr jährt sich die Seeschlacht von Trafalgar zum 200. Mal. In dieser Epoche spielt auch der neue Roman des britischen Autors Douglas Reeman, erschienen allerdings unter dessen Pseudonym Alexander Kent. 49 historische Romane hat Reeman insgesamt geschrieben, weltweite Auflage 24 Millionen.

In seinen 28 Alexander-Kent-Romanen schuf Reeman, -ähnlich wie das auch Patrick O´Brian und C.S. Forester taten-, eine Saga um den fiktiven britischen Seehelden Richard Bolitho. Nun ist ein weiterer Alexander-Kent-Roman erschienen: "Bruderschaft zur See. Richard Bolitho in schweren Wassern".

Richard Bolitho, Kents Serien-Held, in diesem Roman 17 Jahre alt, ist Offizier in der britischen Marine, geboren 1756 und gestorben 1814 in Reemans 25. Bolitho-Roman. Damit war die Saga um Richard Bolitho eigentlich abgeschlossen. Eine Frage allerdings bewegte die Bolitho-Fans: Was nämlich war aus Martyn Dancer, dem Jugendfreund Bolithos geworden, der in Roman Nummer 3 verschwunden war. Dieser Frage nun geht Reeman alias Kent in seinem neuen Bolitho-Roman nach, der uns ins Schmuggler-Milieu des Jahres 1774 entführt.

Schmuggler-Milieu klingt nach Piraten- und Abenteuer-Literatur. So nannte man jedenfalls diese Art von Literatur in Deutschland, - wenigstens bis in die 90er Jahre hinein. Geschichten, die auf dem Meer spielten, ob von Jack London oder B. Travens "Totenschiff", galten automatisch als Abenteuer- oder als Jugend- und Männer-Literatur. Dann erwachte in den 90er Jahren in den USA wie in Deutschland, gerade auch durch den Erfolg von Autorinnen wie Annie Proulx, das Interesse für maritime Literatur als Genre-Form. Und plötzlich - auf der Frankfurter Buchmesse 1999 - erhob die deutsche Kritiker-Zunft den britischen Genre-Autor Patrick O´Brian - bis dahin als Trivial-Schriftsteller abqualifiziert - zu einem Kult-Autor der Hochliteratur.

Und was beide, also O´Brian und Reeman alias Kent gemeinsam haben: Sie schreiben einfach hervorragende historische Romane aus der Zeit der Napoleonischen Kriege um 1800. Ähnlich wie in dem Film "Master and Commander" hat auch Kents Sprache etwas Kammerspielartiges. Reemans/Kents Erzählmodus ist ruhig, zurückgenommen; die äußere Handlung wird durch Dialoge und Aktionen vorangetrieben, Reflexionen und Gefühle bleiben im Bereich innerer Monologe.

Rahmenhandlungen und Retrospektiven braucht der Roman nicht: Er beginnt und er endet - basta. Das ist im Prinzip erzählen pur, angereichert mit trocken britischem Humor und ab und zu auch mit fast expressionistischen Naturbeschreibungen: "Der Horizont leuchtete wie ein glühender Draht."

Im Vordergrund stehen aber immer der Mensch und seine Position in der Gruppe, also die Psychologie einer Gesellschaft. Und die britische Gesellschaft ruht nun einmal auf einem Hauptpfeiler und das ist ihr Team-Geist. Oder sagen wir es mit Shakespeares martialischen Worten: "Der heut´ sein Blut mit mir vergießt, ihn nenn´ ich Bruder." (Heinrich V.)

"Bruderschaft zur See" ist ein Vergnügen für Freunde historischer Romane schlechthin, und es ist Unterhaltungsliteratur im allerbesten Sinne. Wer einfach einmal abschalten möchte, der sollte zu einem Alexander Kent-Roman greifen und abtauchen.

Alexander Kent: Bruderschaft zur See. Richard Bolitho in schweren Wassern.
Übersetzt von Uwe D. Minge
Ullstein-Verlag 2005
240 Seiten, 7.95 Euro