Lessing-Preis für einen streitbaren Künstler
Der Theatermacher und Bühnen-Haudegen Claus Peymann ist in Wolfenbüttel mit dem "Lessing-Preis für Kritik" ausgezeichnet worden. Bei der Verleihung zeigte sich der sonst oft lärmende und polternde Intendant des Berliner Ensembles vergleichsweise zahm.
Das kleine Wolfenbüttel steht für ein paar Stunden im Zentrum des intellektuellen Interesses - wenn die örtliche Herzog-August-Bibliothek, neben denen in Marbach und Weimar eine der drei großen Forschungsbibliotheken in Deutschland, und die Akademie, die den Namen des berühmtesten Bibliothekars der deutschen Literaturgeschichte trägt, gemeinsam den "Lessing-Preis für Kritik" vergeben. In der mittlerweile siebten Ausgabe erhielt den der Theatermacher Claus Peymann, seit 1999 (und wohl auf Lebenszeit) Intendant am "Berliner Ensemble". Der so oft Kritisierte, der seinerseits mit Kritik und Kritikern herzlich wenig anfangen kann, als Träger gerade dieses Preises - wie das?
Peymann: "Ich bin ja mein Theaterleben lang einer gewesen, der sich gern streitet. Und ich finde auch, dass das eine Aufgabe der Kunst und des Theaters ist: sich zu verhalten, Position zu beziehen. Und da bemerke ich heutzutage eben immer öfter, dass Intellektuelle, die sich nicht am Gardemaß der öffentlichen Meinung orientieren, also am Mainstream, immer wieder scharf angegriffen werden. Wenn zum Beispiel Peter Handke zum Jugoslawien-Krieg eine andere Meinung vertritt als die Mehrheit, soll er sofort den Heine-Preis nicht mehr bekommen, der ihm schon zuerkannt war. Und Günter Grass soll jetzt den Nobelpreis zurückgeben nach dem israelkritischen Gedicht. Alles soll verboten werden, was nicht zum Gardemaß passt. Und diese Entwicklung nimmt zu! Auch Lessing ist das übrigens zu seiner Zeit passiert."
Damit bezog sich Peymann in der Dankesrede zur Preisverleihung auf den Maulkorb, das Redeverbot, das den Wolfenbütteler Bibliothekar Lessing in der religiösen Auseinandersetzung mit dem Pfarrer Götze traf. Und nur weil er nicht öffentlich reden durfte, so Peymann, habe Lessing sich damals als Hilfsmittel des Theaters bedient - und "Nathan der Weise" geschrieben.
Darüber hinaus bedankte sich Peymann vor allem mit Erinnerungen an die beiden eigenen "Nathan"-Inszenierungen, Anfang der 80er in Bochum und bald nach dem Beginn der Berliner Intendanz; und er rezitierte (mit sich selber in verteilten Rollen, als Nathan und als Sultan Saladin) die "Ring-Parabel". Peymann lärmt und poltert ja oft und gern gegen politische Autoritäten, und deshalb ist er als Träger dieses Preises "für Kritik" sicher nicht die nächstliegende, aber sicher eine passable Wahl gewesen - in Wolfenbüttel allerdings gab er sich so zahm wie lange nicht mehr.
Jenseits aller ironischen Nettigkeiten über die gemeinsame Arbeit ging der österreichische Dramatiker Peter Turrini durchaus etwas kraftvoller ins Gericht mit aktuellen Trends der Kulturentwicklung:
"Peymann liebt die Autoren. Und er schützt deren Texte und das Urheberrecht - der letzte Mohikaner der Texttreue! Die Zukunft aber gehört den Piraten. Sie sind im Computer geboren und aufgewachsen im Internet. Sie besorgen sich von dort alles, was ihnen nicht gehört, und zerhäckseln und zerschroten alles so weit, dass es die Augenhöhe der eigenen Ahnungslosigkeit erreicht. Sie fühlen sich unerhört frei dabei - dies ist aber die Freiheit des Diebstahls!"
Der Dramatiker Turrini ist ein gutes Beispiel dafür, wie die unbeirrbaren und fundamentalen Gesellschaftskritiker von vor 30 Jahren vom grassierenden Zeitgeist heute schier zwangsläufig in die wertkonservativen Fraktion gedrängt werden. Der Dramatiker sorgte für die stärksten Momente in Wolfenbüttel.
Zu den Besonderheiten des Lessing-Preises gehört die Verleihung eines Förderpreises - Peymann verfiel da auf eine äußerst sympathische Idee und wählte die Schauspielerin Nele Winkler aus, die zum freien Berliner Ensemble "Ramba Zamba!" gehört, das die auf verschiedene Weise behindernden Abweichungen der Mitstreiterinnen und Mitstreiter verwandelt in eine Qualität und Intensität des Theaterspiels, wie sie in der handelsüblichen Schauspielausbildung nicht zu erreichen ist.
Nele Winkler hat auch in Filmen mitgespielt und neben Anne Tismer in der Volksbühne. Gemeinsam mit Mutter Angela Winkler (und für die mitgereiste 98-jährige Großmutter!) sang Nele Winkler zum Dank das "Lied der Seeräuber-Jenny". Das von Claus Peymann weitergereichte Preisgeld von 20.000 Euro reicht Nele Winkler übrigens zur Hälfte weiter an "Ramba Zamba!", "ihr" Theater.
Peymann: "Ich bin ja mein Theaterleben lang einer gewesen, der sich gern streitet. Und ich finde auch, dass das eine Aufgabe der Kunst und des Theaters ist: sich zu verhalten, Position zu beziehen. Und da bemerke ich heutzutage eben immer öfter, dass Intellektuelle, die sich nicht am Gardemaß der öffentlichen Meinung orientieren, also am Mainstream, immer wieder scharf angegriffen werden. Wenn zum Beispiel Peter Handke zum Jugoslawien-Krieg eine andere Meinung vertritt als die Mehrheit, soll er sofort den Heine-Preis nicht mehr bekommen, der ihm schon zuerkannt war. Und Günter Grass soll jetzt den Nobelpreis zurückgeben nach dem israelkritischen Gedicht. Alles soll verboten werden, was nicht zum Gardemaß passt. Und diese Entwicklung nimmt zu! Auch Lessing ist das übrigens zu seiner Zeit passiert."
Damit bezog sich Peymann in der Dankesrede zur Preisverleihung auf den Maulkorb, das Redeverbot, das den Wolfenbütteler Bibliothekar Lessing in der religiösen Auseinandersetzung mit dem Pfarrer Götze traf. Und nur weil er nicht öffentlich reden durfte, so Peymann, habe Lessing sich damals als Hilfsmittel des Theaters bedient - und "Nathan der Weise" geschrieben.
Darüber hinaus bedankte sich Peymann vor allem mit Erinnerungen an die beiden eigenen "Nathan"-Inszenierungen, Anfang der 80er in Bochum und bald nach dem Beginn der Berliner Intendanz; und er rezitierte (mit sich selber in verteilten Rollen, als Nathan und als Sultan Saladin) die "Ring-Parabel". Peymann lärmt und poltert ja oft und gern gegen politische Autoritäten, und deshalb ist er als Träger dieses Preises "für Kritik" sicher nicht die nächstliegende, aber sicher eine passable Wahl gewesen - in Wolfenbüttel allerdings gab er sich so zahm wie lange nicht mehr.
Jenseits aller ironischen Nettigkeiten über die gemeinsame Arbeit ging der österreichische Dramatiker Peter Turrini durchaus etwas kraftvoller ins Gericht mit aktuellen Trends der Kulturentwicklung:
"Peymann liebt die Autoren. Und er schützt deren Texte und das Urheberrecht - der letzte Mohikaner der Texttreue! Die Zukunft aber gehört den Piraten. Sie sind im Computer geboren und aufgewachsen im Internet. Sie besorgen sich von dort alles, was ihnen nicht gehört, und zerhäckseln und zerschroten alles so weit, dass es die Augenhöhe der eigenen Ahnungslosigkeit erreicht. Sie fühlen sich unerhört frei dabei - dies ist aber die Freiheit des Diebstahls!"
Der Dramatiker Turrini ist ein gutes Beispiel dafür, wie die unbeirrbaren und fundamentalen Gesellschaftskritiker von vor 30 Jahren vom grassierenden Zeitgeist heute schier zwangsläufig in die wertkonservativen Fraktion gedrängt werden. Der Dramatiker sorgte für die stärksten Momente in Wolfenbüttel.
Zu den Besonderheiten des Lessing-Preises gehört die Verleihung eines Förderpreises - Peymann verfiel da auf eine äußerst sympathische Idee und wählte die Schauspielerin Nele Winkler aus, die zum freien Berliner Ensemble "Ramba Zamba!" gehört, das die auf verschiedene Weise behindernden Abweichungen der Mitstreiterinnen und Mitstreiter verwandelt in eine Qualität und Intensität des Theaterspiels, wie sie in der handelsüblichen Schauspielausbildung nicht zu erreichen ist.
Nele Winkler hat auch in Filmen mitgespielt und neben Anne Tismer in der Volksbühne. Gemeinsam mit Mutter Angela Winkler (und für die mitgereiste 98-jährige Großmutter!) sang Nele Winkler zum Dank das "Lied der Seeräuber-Jenny". Das von Claus Peymann weitergereichte Preisgeld von 20.000 Euro reicht Nele Winkler übrigens zur Hälfte weiter an "Ramba Zamba!", "ihr" Theater.