Der Roman als Leseshow
Der 57-jährige Kölner Frank Schätzing weiß, wie man schwierige Themen für das breite Publikum aufbereitet – mit knalligen Action-Plots. Passend zu seinen Romanen inszeniert Schätzing seine Lesungen als Literatur-Shows. Auf Lesetour geht der Bestseller-Autor nun auch mit seinem aktuellen Roman "Breaking News", einer Mischung aus Thriller und israelischer Familiensaga.
Es ist dunkel im Audimax der Hamburger Universität. Aus Lautsprecherboxen, die im ganzen Raum verteilt sind, ertönen Nachrichtenjingles und Schlagzeilen-Schnipsel. Ein Stimmen-Inferno, das sich steigert und immer lauter wird.
Frank Schätzing betritt die Bühne. Nur der Bildschirm seines Tablet-Computers, von dem er abliest, erhellt von unten sein Gesicht.
Spannungsaufbau wie bei einem Blockbuster – bloß ohne Leinwand. Schätzings Lesung ist eigentlich ein Live-Hörspiel. Immer wieder illustrieren wabernde Klänge und Geräusche das, was gerade im Text geschieht.
"Breaking News", Schätzings aktuelles Werk über den zynischen Kriegsreporter Tom Hagen, spielt nicht nur in Afghanistan. Der Stoff, an dem Schätzing sich abarbeitet, könnte gleich mehrere Romane füllen. Und genauso vielschichtig inszeniert der 57-jährige Bestseller-Autor auch seine Leseshow zum Buch.
Schätzing: "Guten Abend, meine Damen und Herren."
Einstudierte Gesten und und launige Einspielungen
Frank Schätzing hat seinen Computer aus der Hand gelegt, ein Spot geht an und zeigt den Schriftsteller lässig in Cowboystiefeln, Lederhose und Jeanshemd. Mit großen langsamen Schritten geht er vor einem schwarzen Vorhang auf und ab und erzählt mit einstudierten, wohldosierten Gesten von seiner Recherchereise nach Israel und ins Westjordanland. Denn hauptsächlich geht es in "Breaking News" um den Nahostkonflikt.
Launige Einspielungen strukturieren Schätzings freie Rede. Das klingt nach Werbespot und nicht nach großer Politik. Doch trotzdem gelingt es dem Kölner, kurz und präzise die gesamte Geschichte des Staates Israels und der besetzten Gebiete nachzuerzählen.
Hass zwischen den beiden verfeindeten Völkern habe er auf seiner Reise nicht erlebt, das sei wohl eher die Sache radikaler Politiker. Stattdessen habe er bei den normalen Menschen auf beiden Seiten viel Sinn für Selbstironie vorgefunden, berichtet Schätzing und gibt zwei derzeit in Nahost kursierende Witze wieder. Über den ersten lachen die Israelis, über den zweiten die Palästinenser.
"In einem Klamottenladen in Tel Aviv haben sie lustige, bedruckte T-Shirts. Auf einem ist die Google-Startseite abgebildet, Suchbegriff Israel. Darunter: Sorry, no matches found. Did you mean Palestine? (Lachen) Oder über den: Wie viele Palästinenser braucht man, um eine Glühbirne einzuschrauben? Antwort: keinen einzigen. Sie bleiben im Dunkeln sitzen und geben den Juden die Schuld." (Lachen)
Mit Sängerin und viel Kawumm
Mit seinen vielen Anekdoten nimmt Schätzing sein Publikum auch bei diesem schwierigen Thema mit. Wenn der Ton ernster wird, unterstützt ihn auf der Bühne die israelische Sängerin Ofrin. Zwischen ihren Gesangspausen streut Schätzing kurze Passagen aus "Breaking News" über die tiefe Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft ein.
Schätzing: "Mit der Bedrohung von außen kannst du leben. Wenn dein ärgster Feind aus den eigenen Reihen kommt, gibt es keine Geborgenheit mehr ..."
Damit taucht Schätzing schließlich wieder in die Handlung seines Romans ein, das Licht geht aus, und, begleitet von großem Kawumm aus den Lautsprechern, trägt der Autor den langen Showdown aus seinem Buch vor.
Zuschauer: "Im ersten Dreiviertelteil sehr eindrucksvoll, sehr gut auch seine Art, wie er eben diesen Konflikt zwischen Palästina und Israel geschildert hat. Dann da, wo er das Buch zitiert hat, da fand ich einfach gewisse Beschreibungen zu übertrieben."
Zuschauerin: "Ich mein, Frank Schätzing ist ein toller Typ. Ich bin echt schwer beeindruckt, hätte ich nicht gedacht."
Info: Frank Schätzings Lesetour geht weiter. Die nächsten Termine:
09. Oktober – Köln; Balloni Hallen, 20 Uhr
12. Oktober – Nürnberg; Meistersingerhalle, 20 Uhr
13. Oktober – Göttingen; Lokhalle, 19 Uhr