Lesung als ästhetisches Erlebnis
Das "Prosanova"-Festival in Hildesheim steht für eine frische Form der Literaturvermittlung. Organisiert von Studierenden findet es alle drei Jahre statt und zieht mit unkonventionellen Ideen vor allem junges Publikum an.
Szenische Lesung: "Gott, mach, das Glück ohne Wachstum möglich ist ..."
Eine junge Frau streichelt ein auf ein Pappschild gemaltes Hochhaus, eine andere faltet Papierflugzeuge und lässt sie ins Publikum segeln. Eine szenische Lesung des Dramafragments "Tod und Auferstehung der Welt meiner Eltern" von Nils-Momme Stockmann heute Nachmittag beim "Prosanova"-Festival in Hildesheim.
Verstörend, rührend und absurd, alles andere als eine normale Autorenlesung – Prosanova - Festival für junge Literatur, nach eigenen Angaben das größte Festival junger deutschsprachiger Gegenwartsliteratur, will mehr: Video-Slams, Literaturperformances, Meditations-Lesungen im Dunkeln, Wort- und Klangkunstwerke. Der Anspruch des Festivals: den Rahmen des Erwartbaren sprengen und die Lesung als ästhetisches Erlebnis gestalten.
Artur Dziuk: "Wir wollen keine Lesung, wo einfach nur der Autor den Text dem Publikum vermittelt, sondern wir wollen die Lesung zu einer eigenen Kunstform erheben. Wie wurde mit dem Raum gearbeitet? Welche Mittel hat der Autor genutzt, um den Text in der Lesungssituation stärker zu machen. Es geht nicht darum, einfach nur ein Feuerwerk starten zu lassen, während der Text gelesen wird, wir wollen Textereignisse schaffen."
Artur Dziuk studiert an der Uni Hildesheim "Kreatives Schreiben" und Kulturjournalismus und gehört zu den Herausgebern der dort gegründeten Literaturzeitschrift "BELLA triste". Das Magazin hat nach 2005 und 2008 bereits zum dritten Mal "Prosanova" organisiert, diesmal in einer aufgegebenen Bundeswehr-Kaserne. Bevor die abgerissen wird, wurde sie vier Tage lang Bühne für arrivierte Autoren wie Moritz Rinke, die Bachmann-Preisträgerin Inka Parei oder für Nachwuchsschriftsteller wie Robert Wenrich. Normale Lesungen, sagt der 28Jährige, finde er langweilig.
Seine Vision einer perfekten Lesung fand gestern Abend in der ehemaligen Kasernen-Reithalle statt. Das Publikum hatte in einer Art Arena Platz genommen, in der Mitte waren im Dunkeln Dutzende kühl strahlende Neonröhren ausgelegt und der Autor trug seine düstere Lyrik auf einem Jägerhochsitz vor. Am Ende: die Flucht durch ein Rolltor.
Wenrich: "Und dann habe ich durch's Schlüsseloch über 20 Minuten zugesehen, wie die Leute sich über den Text unterhalten haben. Ich hab auch Leute gesehen, die sich total aufgeregt haben, andere Leute, die wirklich so still da standen, sodass man sozusagen am Ende den Raum, in dem irgendwas passiert ist, den Leuten überlässt. Das geht, finde ich, vor allem im Theater, aber auch bei jeder Lesung immer verloren. Der Autor sitzt da oben und dann ist es am Ende wieder ein Buchladen."
Textszene: "Nichts bleibt baby"
...hieß es in einem weißen Raum, in dem die Möbelstücke mit schwarzer Farbe an die Wand gepinselt wurden. Erfrischende Ideen beim "Prosanova"-Festival - Literaturinstallationen wie das begehbare Gedicht, das erst durch die Anwesenheit des Besuchers entsteht und sich immer wieder neu aufbaut. Renate Baricz aus dem Künstlerteam:
"Es gibt einen Basistext, ein Textfragment, das abgespielt wird, sobald man den Raum betritt und den abgegrenzten Arealen denen sind Textfragmente zugeordnet und so baut man durch seine eigene Bewegung das Gedicht."
Das Literaturfestival wurde in den 14 Monaten Vorbereitungszeit in den Uni-Alltag eingebunden, Seminare und Übungen dazu abgehalten. 70 Studierende haben die vergangenen Wochen damit verbracht, dem rauen, heruntergekommenen Bundeswehrgelände mit kleinem Budget kurzzeitig neues Leben einzuhauchen.
In der ehemaligen Panzergarage frühstückten und diskutierten Autoren und Literaturwissenschaftler. Wo früher Soldaten geschlafen hatten, spielten Bands und tanzten Besucher am Ende eines Festivaltages und die ehemalige Schlosserei wurde zur Literaturlounge: ausgelegt mit Teppich, liebevoll möbliert mit Flohmarktsofas und Stehlampen und mit Lieblingsbüchern der teilnehmenden Autoren, die an Schnüren von der Decke baumelnd zum Schmökern einluden.
Das Konzept ging auf: Mehrere hundert, zumeist junge Besucher haben sich an diesem Wochenende auf die ungewöhnlichen Literaturabenteuer eingelassen.
Frau: "Als ich das erste Mal auf dieses Gelände gekommen bin, waren gerade ein paar Leute dabei, mit Äxten Bücher zu zertrümmern, ansonsten war es aber eigentlich abwechslungsreich, also interessant."
Mann: "Zwischen Autoren, Veranstaltern und Besuchern sind die Grenzen nicht so klar gezogen. Die Autoren sind gleichzeitig Besucher von anderen Leuten, ist halt alles nicht so klar strukturiert und festgelegt, ist eigentlich auch ganz schön."
Mann: ""Auf der einen Seite natürlich anstrengend manchmal, weil man eben so was ganz Neues sieht, sich drauf einzulassen, aber das ist auf jeden Fall auch was Angenehmes."
Eine junge Frau streichelt ein auf ein Pappschild gemaltes Hochhaus, eine andere faltet Papierflugzeuge und lässt sie ins Publikum segeln. Eine szenische Lesung des Dramafragments "Tod und Auferstehung der Welt meiner Eltern" von Nils-Momme Stockmann heute Nachmittag beim "Prosanova"-Festival in Hildesheim.
Verstörend, rührend und absurd, alles andere als eine normale Autorenlesung – Prosanova - Festival für junge Literatur, nach eigenen Angaben das größte Festival junger deutschsprachiger Gegenwartsliteratur, will mehr: Video-Slams, Literaturperformances, Meditations-Lesungen im Dunkeln, Wort- und Klangkunstwerke. Der Anspruch des Festivals: den Rahmen des Erwartbaren sprengen und die Lesung als ästhetisches Erlebnis gestalten.
Artur Dziuk: "Wir wollen keine Lesung, wo einfach nur der Autor den Text dem Publikum vermittelt, sondern wir wollen die Lesung zu einer eigenen Kunstform erheben. Wie wurde mit dem Raum gearbeitet? Welche Mittel hat der Autor genutzt, um den Text in der Lesungssituation stärker zu machen. Es geht nicht darum, einfach nur ein Feuerwerk starten zu lassen, während der Text gelesen wird, wir wollen Textereignisse schaffen."
Artur Dziuk studiert an der Uni Hildesheim "Kreatives Schreiben" und Kulturjournalismus und gehört zu den Herausgebern der dort gegründeten Literaturzeitschrift "BELLA triste". Das Magazin hat nach 2005 und 2008 bereits zum dritten Mal "Prosanova" organisiert, diesmal in einer aufgegebenen Bundeswehr-Kaserne. Bevor die abgerissen wird, wurde sie vier Tage lang Bühne für arrivierte Autoren wie Moritz Rinke, die Bachmann-Preisträgerin Inka Parei oder für Nachwuchsschriftsteller wie Robert Wenrich. Normale Lesungen, sagt der 28Jährige, finde er langweilig.
Seine Vision einer perfekten Lesung fand gestern Abend in der ehemaligen Kasernen-Reithalle statt. Das Publikum hatte in einer Art Arena Platz genommen, in der Mitte waren im Dunkeln Dutzende kühl strahlende Neonröhren ausgelegt und der Autor trug seine düstere Lyrik auf einem Jägerhochsitz vor. Am Ende: die Flucht durch ein Rolltor.
Wenrich: "Und dann habe ich durch's Schlüsseloch über 20 Minuten zugesehen, wie die Leute sich über den Text unterhalten haben. Ich hab auch Leute gesehen, die sich total aufgeregt haben, andere Leute, die wirklich so still da standen, sodass man sozusagen am Ende den Raum, in dem irgendwas passiert ist, den Leuten überlässt. Das geht, finde ich, vor allem im Theater, aber auch bei jeder Lesung immer verloren. Der Autor sitzt da oben und dann ist es am Ende wieder ein Buchladen."
Textszene: "Nichts bleibt baby"
...hieß es in einem weißen Raum, in dem die Möbelstücke mit schwarzer Farbe an die Wand gepinselt wurden. Erfrischende Ideen beim "Prosanova"-Festival - Literaturinstallationen wie das begehbare Gedicht, das erst durch die Anwesenheit des Besuchers entsteht und sich immer wieder neu aufbaut. Renate Baricz aus dem Künstlerteam:
"Es gibt einen Basistext, ein Textfragment, das abgespielt wird, sobald man den Raum betritt und den abgegrenzten Arealen denen sind Textfragmente zugeordnet und so baut man durch seine eigene Bewegung das Gedicht."
Das Literaturfestival wurde in den 14 Monaten Vorbereitungszeit in den Uni-Alltag eingebunden, Seminare und Übungen dazu abgehalten. 70 Studierende haben die vergangenen Wochen damit verbracht, dem rauen, heruntergekommenen Bundeswehrgelände mit kleinem Budget kurzzeitig neues Leben einzuhauchen.
In der ehemaligen Panzergarage frühstückten und diskutierten Autoren und Literaturwissenschaftler. Wo früher Soldaten geschlafen hatten, spielten Bands und tanzten Besucher am Ende eines Festivaltages und die ehemalige Schlosserei wurde zur Literaturlounge: ausgelegt mit Teppich, liebevoll möbliert mit Flohmarktsofas und Stehlampen und mit Lieblingsbüchern der teilnehmenden Autoren, die an Schnüren von der Decke baumelnd zum Schmökern einluden.
Das Konzept ging auf: Mehrere hundert, zumeist junge Besucher haben sich an diesem Wochenende auf die ungewöhnlichen Literaturabenteuer eingelassen.
Frau: "Als ich das erste Mal auf dieses Gelände gekommen bin, waren gerade ein paar Leute dabei, mit Äxten Bücher zu zertrümmern, ansonsten war es aber eigentlich abwechslungsreich, also interessant."
Mann: "Zwischen Autoren, Veranstaltern und Besuchern sind die Grenzen nicht so klar gezogen. Die Autoren sind gleichzeitig Besucher von anderen Leuten, ist halt alles nicht so klar strukturiert und festgelegt, ist eigentlich auch ganz schön."
Mann: ""Auf der einen Seite natürlich anstrengend manchmal, weil man eben so was ganz Neues sieht, sich drauf einzulassen, aber das ist auf jeden Fall auch was Angenehmes."