Letzte Ruhe unter Bäumen
Immer mehr Menschen in Deutschland suchen nach Alternativen zu einer traditionellen Bestattung. Auch wo sie ihre letzte Ruhe finden, ist ihnen nicht gleichgültig. Sie möchten nicht auf einem Friedhof mit seinen langen Gräberreihen und starren Friedhofsordnungen beerdigt werden, sie wünschen sich ein Urnengrab unter Bäumen - in einem sogenannten "FriedWald".
"So, wenn Sie vielleicht so ein bisschen einen Halbkreis bilden. Sie sehen zwei Markierungen. Einmal dieses runde Blättchen: Jeder FriedWaldbaum hat diese Markierung, das ist die Kennung des Baumes, so dass man jederzeit den Standort des Baumes finden kann."
Fritz Mewes ist unterwegs mit einer Besuchergruppe im FriedWald Reinhardswald in der Nähe von Kassel. Der 71-jährige pensionierte Förster macht regelmäßig Waldführungen. Er informiert nicht nur, er berät auch bei der Baumauswahl und begleitet Beisetzungen.
"Die Urne wird 80 Zentimeter tief beigesetzt, weil wir Schwarzwild haben, so tief kommen sie nicht. Dann kommt ein Froststein rein, ne? – Ja, die Steine haben wir oft schon an der Oberfläche."
Ein eisiger Wind fegt durch den Reinhardswald. Alte Eichen, Buchen, Lärchen und Birken – der Reinhardswald gilt als einer der romantischsten deutschen Wälder, er ist ein beliebtes Wandergebiet. Vor fast acht Jahren wurde hier Deutschlands erster FriedWald eröffnet. 15 Männer und Frauen, vor allem in mittleren Jahren, nehmen an diesem kalten Wintertag an der Waldführung teil, informieren sich über diese alternative Bestattungsform.
Umfrage:
"Solange es den FriedWald nicht gab, hat sich die Frage nicht gestellt. Und jetzt, da es ihn gibt, ist es gefühlsmäßig der schönere Ort, in der Natur zu sein, ohne den ganzen Kommerz drum herum, den teuren Grabstätten, Grabsteinen."
"Ich finde den Naturgedanken sehr schön. Wir haben keine Nachkommen und haben gedacht, es wird niemand sein, der unsere Gräber wird pflegen können und hatten die anonymen Gräber in Erwägung gezogen. Und diese Idee, dass die Natur das pflegt, gefällt mir noch viel besser."
"Ich liebe das sowieso, Wald, Tiere, also das isses für mich. Und wenn es eine kleine Krüppeleiche ist, hier möchte ich sein und Ende."
Immer mehr Menschen wollen ihre letzte Ruhe unter Bäumen finden. Die FriedWald AG ist neben Ruhe-Forst der größte deutsche Anbieter. 26 FriedWälder gibt es inzwischen deutschlandweit, rund 10.000 Menschen wurden bisher darin bestattet. Die meisten von ihnen im Reinhardswald. Etwa 25 Beisetzungen sind es mittlerweile in der Woche. Und das Interesse wächst weiter: Jeden Tag werden neue Urnenplätze für 99 Jahre verpachtet.
Der FriedWald Bramsche bei Osnabrück. Els und Pit Möller-Schlömann besuchen "ihren" Baum – gemeinsam mit ihrer Freundin Ulrike Althof. Über einen kleinen Bach geht es vorbei an alten Eichen und Buchen.
"Da vorne rechts und dann … .können wir unseren Baum daran erkennen, dass er einen etwas größeren Baumstumpf davor stehen hat. Da, da ist er schon. - Jetzt erkenne ich es auch. Und dahinter ist das freie Feld, das mir so gut damals gefallen hat, das für mich Licht bedeutet."
Els und Pit Möller-Schlömann haben keine Kinder. Eine traditionelle Beerdigung auf einem Friedhof kam für beide nicht in Frage.
"Kassel war für uns zu weit weg und plötzlich tat sich Bramsche auf. Und dann auch noch der Gehnwald. Den kennen wir, seitdem wir zusammenleben. Pit und ich haben viele Spaziergänge hier gemacht, hier gibt es herrliche Pilze. Und als wir den Baum aussuchten, war auch ´ne Frühlingszeit, die Vögel sangen, der Kleiber schmetterte – das war ´ne leichte Entscheidung."
Pit Möller liebt den Wald. Per Zufall fand der Berliner heraus, dass die Familie seines Vaters nachweislich seit Jahrhunderten in Bramsche gelebt hat.
"Und an diese Wurzeln zurückzukehren und mein Leben zu beenden, ist natürlich wirklich etwas ganz Außergewöhnliches für mich. Und bei meiner Beziehung zum Wald, meiner Naturverbundenheit, die ursprünglich ausschlaggebend war, diesen Grund noch dazu, ist etwas ganz Starkes für mich. Ein sehr gutes Gefühl."
In einem FriedWald kann man wählen zwischen einem Gemeinschaftsbaum, einem Familien- oder Freundschaftsbaum und einem Einzelbaum. Els und Pit Möller-Schlömann entschieden sich für den Freundschaftsbaum, für einen gemeinsamen Baum mit Ulrike Althof und ihrem Lebensgefährten Joachim Wulff. Nicht nur aus finanziellen Gründen.
"Wir kennen uns schon lange, wir haben viele gleiche Ideen entwickelt und gelebt – wir kennen uns gut, wir haben Vertrauen zueinander."
Rund 4200 Euro kostete die Eiche mit insgesamt zehn Urnengräbern. Das sind 420 Euro pro Person, hinzu kommen die üblichen Bestattungskosten. Auch Ulrike Althofs Familie will unter dem Freundschaftsbaum einmal bestattet werden. Eine erste Beerdigung gab es schon: Ulrike Althofs Vater, der vor 20 Jahren in Recklinghausen starb, wurde vor kurzem umgebettet.
"Und dann haben wir gedacht, dann gehört mein Vater auch dazu. Auch aus Gründen der Grabpflege, aber der Aspekt der Zusammenführung war wichtiger. Auch dass unsere Kinder einen Ort haben, wo sie sagen können, da können wir gemeinsam gedenken. Auch der Wald wäre im Sinne meines Vaters gewesen, der hätte das genauso gut gefunden wie wir."
Die Asche des Vaters wurde zwischen den Wurzeln beigesetzt. In einer Urne - biologisch abbaubar. Ohne Grabschmuck – die Natur übernimmt die Grabpflege. Ein kleines Namensschild erinnert an den Verstorbenen.
"Wenn man hier reinkommt, dann sieht man auch keine Plaketten und Schilder auf den ersten Blick, die sind aus Aluminium, braun eloxiert. Das ist uns besonders wichtig. Wenn man hier reinkommt, dann muss man hier das Gefühl haben, dass man hier in einen wunderschönen Wald steht. Blumen und ewige Lichter – das würde stören."
Motorradgeräusche aber störten hier nicht das FriedWald-Idyll, erklärt der 49 Jahre alte Förster Wolfram Buchwald. Er begleitet regelmäßig Beisetzungen im FriedWald Bramsche. In der Regel findet die Trauerfeier in der Heimatgemeinde statt, die Urne wird dann später im engsten Kreis beigesetzt. Manchmal anonym, manchmal mit einer großen Feier. Auch besondere Wünsche werden erfüllt.
Wie zum Beispiel beim Sound einer Harley Davidson ins Urnengrab abgesenkt zu werden. Denn anders als auf dem Friedhof können Beisetzungen im FriedWald individuell gestaltet werden. Wolfram Buchwald erinnert sich an ein junges Mädchen, das von seinem Vater Abschied nahm.
"Dann setzte sie sich auf die Decke und hatte so einen Stapel Briefe, und dann fing sie an, die ganzen Briefe zu lesen. Das war ihre Art, mit der Trauer umzugehen. Manchmal werden Lieder gesungen, manchmal wird auch ´ne Flasche Wein ausgepackt, und dann wird angestoßen auf den Verstorbenen, Luftballons mit Wünschen für die Verstorbenen – alles so etwas haben wir schon erlebt."
Es war ein langer Weg, bis der erste deutsche FriedWald im Reinhardswald eröffnet wurde. Die größte Herausforderung: die Behörden zu überzeugen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hinzukam: Die christlichen Kirchen taten sich anfangs schwer mit der Idee der Waldbestattung. Besonders die katholische Kirche hatte Bedenken: Friedwälder seien unmenschlich und unchristlich. Ein Bischof sah sogar "Anklänge neuheidnischer Naturvergötzung". FriedWald-Gründerin Petra Bach:
"Ich konnte sie am Anfang nachvollziehen, es war die Furcht vor Neuem, Ungewohnten. Die Idee ist, wenn man die Kulturgeschichte betrachtet, zwar nicht ganz neu. Ich konnte sie dann, nachdem das Konzept gangbar war, immer wieder erklärt wurde, nicht mehr nachvollziehen. Denn eine FriedWald-Bestattung ist nichts anderes als eine Alternative des Ortes. Es ist damit keine andere Religion, Weltanschauung verbunden als die, die wir gewöhnt sind."
"Diese starre Friedhofsordnung ist für viele nicht das Richtige, da hat sich die Zeit auch geändert. Und ich finde, dass die Kirche mitgehen sollte, wenn sie interessiert ist, ihre Schäfchen unter ihrem Dach zu behalten. Wobei - da tut sich ja auch was, und die Kirche geht ja mit, und das finde ich auch richtig."
"Erstens kann ein Christ überall beerdigt werden, es gibt nirgendwo eine Vorschrift, dass ein Christ irgendwo nicht beerdigt werden kann. Das Zweite ist, dass immer, wenn gesellschaftliche Veränderungen da sind, Argumente gesammelt werden, um dagegen Front zu machen. Wenn Sie sich zum Beispiel angucken, als zum ersten Mal Feuerbestattungen da waren. Das änderte sich erst, als ein evangelischer Generalsuperintendent sich feuerbestatten ließ, dass Kirchen darüber nachdachten, na ja, irgendwie müssen wir den ja beerdigen, war ja sonst ein ganz netter Mensch."
Jürgen Loest ist seit 20 Jahren Pastor in Bramsche-Ueffeln. Auch in Bramsche war der FriedWald zunächst umstritten. Mittlerweile ist Jürgen Loest schon öfter im FriedWald als Pastor gefragt. Wichtig ist für den evangelischen Theologen vor allem Eines: sich einzulassen auf die Menschen, die Abschied nehmen.
"Wenn Sie das Kreuz haben, dann hat das Kreuz zwei Achsen. Eine Achse von Himmel zu Erde und eine Querachse. Bei der Achse Himmel und Erde sage ich die ganz einfache Botschaft 'Himmel und Erde, Gott und Mensch reißen nicht auseinander, egal, was passiert'. Und die Querachse ist, dass wir Lebenden und die Verstorbenen auf eine geheimnisvolle Weise in Jesus verbunden sind. Und diese Botschaft gibt es zu fühlen. Das können Sie auf dem Friedhof machen, das können Sie aber genauso im Wald machen. Es gibt viele Gleichnisse auch in der Bibel, wo das, was man im FriedWald erleben kann, auch aufgenommen wird: Der Mensch ist wie fallendes Laub."
Nach wie vor sind FriedWälder weltanschaulich neutral. Doch inzwischen ist fast jede zweite Beisetzung christlich.
"Je mehr der FriedWald zum selbstverständlichen Bestandteil unserer Bestattungskultur wird, desto mehr kommen Leute und sagen, ich hätte doch gerne eine christliche Bestattung oder christlichen Beistand, mein Pfarrer soll bitte mitgehen – das nimmt in der Tat zu."
In Bayern gibt es bereits den ersten evangelischen FriedWald Aber auch Muslime haben sich bereits in einem FriedWald bestatten lassen.
"Meine Vision ist, dass wir in fünf Jahren ein selbstverständliches Miteinander haben, uns gegenseitig ergänzen, helfen, den Menschen näher zu kommen. Dass jede Religion die Möglichkeit hat, ein bisschen mitzugestalten und in diesem Konzept eine Einheitlichkeit zu finden, in der alle ihren Platz haben."
Immer mehr FriedWälder haben auch Gedenksteine, oft mit einem Kreuz. Der erste stand im FriedWald Bramsche. Förster Buchwald:
"Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hatte damals auch Bauschmerzen, weil der FriedWald allen Konfessionen offen steht und auch für Menschen gedacht ist, die keiner Konfession angehören. Aber im Nachhinein hat es sich als gut erwiesen, weil dieses Kreuz nicht nur ein christliches Symbol ist, dieses Kreuz ist auch im Abendland ein Symbol für Tod und Trauer an sich und hat insofern auch seine Berechtigung hier."
"Dass dieser Jesus genau diese Situation, wo man nicht kämpfen und nicht fliehen kann, ausgehalten hat. Und das ist für mich das wichtige: In solchen Situationen ist er da. Und ich mach die Erfahrung, dass diese Deutung sehr vielen Menschen zugänglich ist – auch für die, die sich von der Kirche verabschiedet haben und aus anderen Religionen kommen."
Oft liegen Blumen auf dem großen Quarzit-Sandstein – von trauernden Angehörigen. Aber auch ohne Kreuz ist der FriedWald für viele ein Ort des Gedenkens und Erinnerns. Die 50-jährige Ute Müller-Ludolph etwa kommt alle 14 Tage sonntags aus Marburg – bei Wind und Wetter. Vor sechs Jahren wurde ihr Mann unter einer alten Eiche im Reinhardswald bestattet.
"Dann setze ich mich hier her. Je nach Wetter mal zwei, drei, vier Stunden, nehme mir ein Buch mit, lese, ja rede teilweise auch manchmal mit meinem Mann. Und es ist unheimlich friedlich hier und schön. Selbst wenn jemand vorbei kommt, es ist nicht wie auf dem Friedhof, wo man automatisch angesprochen wird. Hier bin ich wirklich mit ihm alleine."
Sieben Jahren ist es her, da wurde Jenny Bischoffs Mann im FriedWald Reinhardswald beigesetzt – als einer der ersten in Deutschland. Es war die richtige Entscheidung.
"Ich brauche eine Anlaufstelle. Und so ein Baum, der hat Wurzeln, gibt Kraft, ist fest verankert, gibt ein Gefühl der Sicherheit."
Im Freundeskreis haben sie damals von ihrem Mann Abschied genommen, alte Lieder gespielt, die er mit seinen Freunden aus der Pfadfindergruppe bis ins Rentenalter gesungen hat.
"Das ist eigentlich der beste Ort. Der Wald hat eine besondere Atmosphäre, das kann man so nicht beschreiben, das merkt man nur, wenn man es selbst erlebt hat. Man hat den ganzen Wald für sich, steht nicht unter Zeitdruck - eine halbe Stunde und dann ist schon die nächste Trauerfeier angesagt in der Trauerhalle. Man hat alle Zeit der Welt."
Förster Fritz Mewes hat sich bereits vor sieben Jahren einen Familienbaum gepachtet im FriedWald Reinhardswald. Auch Förster Wolfram Buchwald hat schon Pläne gemacht: der überzeugte Christ möchte von einem Pfarrer im FriedWald Bramsche beerdigt werden. Den Baum hat er sich schon ausgesucht.
"Natürlich eine Buche, `nen Familienbaum. Ich finde die Idee ganz toll, zurück zu den Wurzeln."
Fritz Mewes ist unterwegs mit einer Besuchergruppe im FriedWald Reinhardswald in der Nähe von Kassel. Der 71-jährige pensionierte Förster macht regelmäßig Waldführungen. Er informiert nicht nur, er berät auch bei der Baumauswahl und begleitet Beisetzungen.
"Die Urne wird 80 Zentimeter tief beigesetzt, weil wir Schwarzwild haben, so tief kommen sie nicht. Dann kommt ein Froststein rein, ne? – Ja, die Steine haben wir oft schon an der Oberfläche."
Ein eisiger Wind fegt durch den Reinhardswald. Alte Eichen, Buchen, Lärchen und Birken – der Reinhardswald gilt als einer der romantischsten deutschen Wälder, er ist ein beliebtes Wandergebiet. Vor fast acht Jahren wurde hier Deutschlands erster FriedWald eröffnet. 15 Männer und Frauen, vor allem in mittleren Jahren, nehmen an diesem kalten Wintertag an der Waldführung teil, informieren sich über diese alternative Bestattungsform.
Umfrage:
"Solange es den FriedWald nicht gab, hat sich die Frage nicht gestellt. Und jetzt, da es ihn gibt, ist es gefühlsmäßig der schönere Ort, in der Natur zu sein, ohne den ganzen Kommerz drum herum, den teuren Grabstätten, Grabsteinen."
"Ich finde den Naturgedanken sehr schön. Wir haben keine Nachkommen und haben gedacht, es wird niemand sein, der unsere Gräber wird pflegen können und hatten die anonymen Gräber in Erwägung gezogen. Und diese Idee, dass die Natur das pflegt, gefällt mir noch viel besser."
"Ich liebe das sowieso, Wald, Tiere, also das isses für mich. Und wenn es eine kleine Krüppeleiche ist, hier möchte ich sein und Ende."
Immer mehr Menschen wollen ihre letzte Ruhe unter Bäumen finden. Die FriedWald AG ist neben Ruhe-Forst der größte deutsche Anbieter. 26 FriedWälder gibt es inzwischen deutschlandweit, rund 10.000 Menschen wurden bisher darin bestattet. Die meisten von ihnen im Reinhardswald. Etwa 25 Beisetzungen sind es mittlerweile in der Woche. Und das Interesse wächst weiter: Jeden Tag werden neue Urnenplätze für 99 Jahre verpachtet.
Der FriedWald Bramsche bei Osnabrück. Els und Pit Möller-Schlömann besuchen "ihren" Baum – gemeinsam mit ihrer Freundin Ulrike Althof. Über einen kleinen Bach geht es vorbei an alten Eichen und Buchen.
"Da vorne rechts und dann … .können wir unseren Baum daran erkennen, dass er einen etwas größeren Baumstumpf davor stehen hat. Da, da ist er schon. - Jetzt erkenne ich es auch. Und dahinter ist das freie Feld, das mir so gut damals gefallen hat, das für mich Licht bedeutet."
Els und Pit Möller-Schlömann haben keine Kinder. Eine traditionelle Beerdigung auf einem Friedhof kam für beide nicht in Frage.
"Kassel war für uns zu weit weg und plötzlich tat sich Bramsche auf. Und dann auch noch der Gehnwald. Den kennen wir, seitdem wir zusammenleben. Pit und ich haben viele Spaziergänge hier gemacht, hier gibt es herrliche Pilze. Und als wir den Baum aussuchten, war auch ´ne Frühlingszeit, die Vögel sangen, der Kleiber schmetterte – das war ´ne leichte Entscheidung."
Pit Möller liebt den Wald. Per Zufall fand der Berliner heraus, dass die Familie seines Vaters nachweislich seit Jahrhunderten in Bramsche gelebt hat.
"Und an diese Wurzeln zurückzukehren und mein Leben zu beenden, ist natürlich wirklich etwas ganz Außergewöhnliches für mich. Und bei meiner Beziehung zum Wald, meiner Naturverbundenheit, die ursprünglich ausschlaggebend war, diesen Grund noch dazu, ist etwas ganz Starkes für mich. Ein sehr gutes Gefühl."
In einem FriedWald kann man wählen zwischen einem Gemeinschaftsbaum, einem Familien- oder Freundschaftsbaum und einem Einzelbaum. Els und Pit Möller-Schlömann entschieden sich für den Freundschaftsbaum, für einen gemeinsamen Baum mit Ulrike Althof und ihrem Lebensgefährten Joachim Wulff. Nicht nur aus finanziellen Gründen.
"Wir kennen uns schon lange, wir haben viele gleiche Ideen entwickelt und gelebt – wir kennen uns gut, wir haben Vertrauen zueinander."
Rund 4200 Euro kostete die Eiche mit insgesamt zehn Urnengräbern. Das sind 420 Euro pro Person, hinzu kommen die üblichen Bestattungskosten. Auch Ulrike Althofs Familie will unter dem Freundschaftsbaum einmal bestattet werden. Eine erste Beerdigung gab es schon: Ulrike Althofs Vater, der vor 20 Jahren in Recklinghausen starb, wurde vor kurzem umgebettet.
"Und dann haben wir gedacht, dann gehört mein Vater auch dazu. Auch aus Gründen der Grabpflege, aber der Aspekt der Zusammenführung war wichtiger. Auch dass unsere Kinder einen Ort haben, wo sie sagen können, da können wir gemeinsam gedenken. Auch der Wald wäre im Sinne meines Vaters gewesen, der hätte das genauso gut gefunden wie wir."
Die Asche des Vaters wurde zwischen den Wurzeln beigesetzt. In einer Urne - biologisch abbaubar. Ohne Grabschmuck – die Natur übernimmt die Grabpflege. Ein kleines Namensschild erinnert an den Verstorbenen.
"Wenn man hier reinkommt, dann sieht man auch keine Plaketten und Schilder auf den ersten Blick, die sind aus Aluminium, braun eloxiert. Das ist uns besonders wichtig. Wenn man hier reinkommt, dann muss man hier das Gefühl haben, dass man hier in einen wunderschönen Wald steht. Blumen und ewige Lichter – das würde stören."
Motorradgeräusche aber störten hier nicht das FriedWald-Idyll, erklärt der 49 Jahre alte Förster Wolfram Buchwald. Er begleitet regelmäßig Beisetzungen im FriedWald Bramsche. In der Regel findet die Trauerfeier in der Heimatgemeinde statt, die Urne wird dann später im engsten Kreis beigesetzt. Manchmal anonym, manchmal mit einer großen Feier. Auch besondere Wünsche werden erfüllt.
Wie zum Beispiel beim Sound einer Harley Davidson ins Urnengrab abgesenkt zu werden. Denn anders als auf dem Friedhof können Beisetzungen im FriedWald individuell gestaltet werden. Wolfram Buchwald erinnert sich an ein junges Mädchen, das von seinem Vater Abschied nahm.
"Dann setzte sie sich auf die Decke und hatte so einen Stapel Briefe, und dann fing sie an, die ganzen Briefe zu lesen. Das war ihre Art, mit der Trauer umzugehen. Manchmal werden Lieder gesungen, manchmal wird auch ´ne Flasche Wein ausgepackt, und dann wird angestoßen auf den Verstorbenen, Luftballons mit Wünschen für die Verstorbenen – alles so etwas haben wir schon erlebt."
Es war ein langer Weg, bis der erste deutsche FriedWald im Reinhardswald eröffnet wurde. Die größte Herausforderung: die Behörden zu überzeugen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hinzukam: Die christlichen Kirchen taten sich anfangs schwer mit der Idee der Waldbestattung. Besonders die katholische Kirche hatte Bedenken: Friedwälder seien unmenschlich und unchristlich. Ein Bischof sah sogar "Anklänge neuheidnischer Naturvergötzung". FriedWald-Gründerin Petra Bach:
"Ich konnte sie am Anfang nachvollziehen, es war die Furcht vor Neuem, Ungewohnten. Die Idee ist, wenn man die Kulturgeschichte betrachtet, zwar nicht ganz neu. Ich konnte sie dann, nachdem das Konzept gangbar war, immer wieder erklärt wurde, nicht mehr nachvollziehen. Denn eine FriedWald-Bestattung ist nichts anderes als eine Alternative des Ortes. Es ist damit keine andere Religion, Weltanschauung verbunden als die, die wir gewöhnt sind."
"Diese starre Friedhofsordnung ist für viele nicht das Richtige, da hat sich die Zeit auch geändert. Und ich finde, dass die Kirche mitgehen sollte, wenn sie interessiert ist, ihre Schäfchen unter ihrem Dach zu behalten. Wobei - da tut sich ja auch was, und die Kirche geht ja mit, und das finde ich auch richtig."
"Erstens kann ein Christ überall beerdigt werden, es gibt nirgendwo eine Vorschrift, dass ein Christ irgendwo nicht beerdigt werden kann. Das Zweite ist, dass immer, wenn gesellschaftliche Veränderungen da sind, Argumente gesammelt werden, um dagegen Front zu machen. Wenn Sie sich zum Beispiel angucken, als zum ersten Mal Feuerbestattungen da waren. Das änderte sich erst, als ein evangelischer Generalsuperintendent sich feuerbestatten ließ, dass Kirchen darüber nachdachten, na ja, irgendwie müssen wir den ja beerdigen, war ja sonst ein ganz netter Mensch."
Jürgen Loest ist seit 20 Jahren Pastor in Bramsche-Ueffeln. Auch in Bramsche war der FriedWald zunächst umstritten. Mittlerweile ist Jürgen Loest schon öfter im FriedWald als Pastor gefragt. Wichtig ist für den evangelischen Theologen vor allem Eines: sich einzulassen auf die Menschen, die Abschied nehmen.
"Wenn Sie das Kreuz haben, dann hat das Kreuz zwei Achsen. Eine Achse von Himmel zu Erde und eine Querachse. Bei der Achse Himmel und Erde sage ich die ganz einfache Botschaft 'Himmel und Erde, Gott und Mensch reißen nicht auseinander, egal, was passiert'. Und die Querachse ist, dass wir Lebenden und die Verstorbenen auf eine geheimnisvolle Weise in Jesus verbunden sind. Und diese Botschaft gibt es zu fühlen. Das können Sie auf dem Friedhof machen, das können Sie aber genauso im Wald machen. Es gibt viele Gleichnisse auch in der Bibel, wo das, was man im FriedWald erleben kann, auch aufgenommen wird: Der Mensch ist wie fallendes Laub."
Nach wie vor sind FriedWälder weltanschaulich neutral. Doch inzwischen ist fast jede zweite Beisetzung christlich.
"Je mehr der FriedWald zum selbstverständlichen Bestandteil unserer Bestattungskultur wird, desto mehr kommen Leute und sagen, ich hätte doch gerne eine christliche Bestattung oder christlichen Beistand, mein Pfarrer soll bitte mitgehen – das nimmt in der Tat zu."
In Bayern gibt es bereits den ersten evangelischen FriedWald Aber auch Muslime haben sich bereits in einem FriedWald bestatten lassen.
"Meine Vision ist, dass wir in fünf Jahren ein selbstverständliches Miteinander haben, uns gegenseitig ergänzen, helfen, den Menschen näher zu kommen. Dass jede Religion die Möglichkeit hat, ein bisschen mitzugestalten und in diesem Konzept eine Einheitlichkeit zu finden, in der alle ihren Platz haben."
Immer mehr FriedWälder haben auch Gedenksteine, oft mit einem Kreuz. Der erste stand im FriedWald Bramsche. Förster Buchwald:
"Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hatte damals auch Bauschmerzen, weil der FriedWald allen Konfessionen offen steht und auch für Menschen gedacht ist, die keiner Konfession angehören. Aber im Nachhinein hat es sich als gut erwiesen, weil dieses Kreuz nicht nur ein christliches Symbol ist, dieses Kreuz ist auch im Abendland ein Symbol für Tod und Trauer an sich und hat insofern auch seine Berechtigung hier."
"Dass dieser Jesus genau diese Situation, wo man nicht kämpfen und nicht fliehen kann, ausgehalten hat. Und das ist für mich das wichtige: In solchen Situationen ist er da. Und ich mach die Erfahrung, dass diese Deutung sehr vielen Menschen zugänglich ist – auch für die, die sich von der Kirche verabschiedet haben und aus anderen Religionen kommen."
Oft liegen Blumen auf dem großen Quarzit-Sandstein – von trauernden Angehörigen. Aber auch ohne Kreuz ist der FriedWald für viele ein Ort des Gedenkens und Erinnerns. Die 50-jährige Ute Müller-Ludolph etwa kommt alle 14 Tage sonntags aus Marburg – bei Wind und Wetter. Vor sechs Jahren wurde ihr Mann unter einer alten Eiche im Reinhardswald bestattet.
"Dann setze ich mich hier her. Je nach Wetter mal zwei, drei, vier Stunden, nehme mir ein Buch mit, lese, ja rede teilweise auch manchmal mit meinem Mann. Und es ist unheimlich friedlich hier und schön. Selbst wenn jemand vorbei kommt, es ist nicht wie auf dem Friedhof, wo man automatisch angesprochen wird. Hier bin ich wirklich mit ihm alleine."
Sieben Jahren ist es her, da wurde Jenny Bischoffs Mann im FriedWald Reinhardswald beigesetzt – als einer der ersten in Deutschland. Es war die richtige Entscheidung.
"Ich brauche eine Anlaufstelle. Und so ein Baum, der hat Wurzeln, gibt Kraft, ist fest verankert, gibt ein Gefühl der Sicherheit."
Im Freundeskreis haben sie damals von ihrem Mann Abschied genommen, alte Lieder gespielt, die er mit seinen Freunden aus der Pfadfindergruppe bis ins Rentenalter gesungen hat.
"Das ist eigentlich der beste Ort. Der Wald hat eine besondere Atmosphäre, das kann man so nicht beschreiben, das merkt man nur, wenn man es selbst erlebt hat. Man hat den ganzen Wald für sich, steht nicht unter Zeitdruck - eine halbe Stunde und dann ist schon die nächste Trauerfeier angesagt in der Trauerhalle. Man hat alle Zeit der Welt."
Förster Fritz Mewes hat sich bereits vor sieben Jahren einen Familienbaum gepachtet im FriedWald Reinhardswald. Auch Förster Wolfram Buchwald hat schon Pläne gemacht: der überzeugte Christ möchte von einem Pfarrer im FriedWald Bramsche beerdigt werden. Den Baum hat er sich schon ausgesucht.
"Natürlich eine Buche, `nen Familienbaum. Ich finde die Idee ganz toll, zurück zu den Wurzeln."