Letzte Ruhe unter Bäumen
Immer mehr Menschen lehnen herkömmliche Bestattungen ab. In Friedwäldern wird die Asche des Toten in einer biologisch abbaubaren Urne unter einem Baum beigesetzt. Die Journalistin Sylvia Frevert hat ein Buch über Friedwälder geschrieben.
"Ich würde es nicht als Alternative bezeichnen, das ist mir eigentlich zu schwach. Das Buch heißt zwar im Klappentextuntertitel 'Die Bestattungsalternative', es war ursprünglich ein anderer Untertitel vorgesehen: 'Die Bestattungsrevolution'. Den hätte ich auch unterstützt. Für mich hat Friedwald die moderne Bestattung, ja, revolutioniert. Das ist das richtige Ding zur richtigen Zeit."
Das richtige Ding zur richtigen Zeit. So sieht es die Autorin des Buches Sylvia Frevert. Und tatsächlich gibt es ja ganz pragmatische Gründe für eine Friedwaldbestattung. Das klassische Grab auf dem Friedhof braucht Pflege. Die Hinterbliebenen müssen sich darum kümmern oder es von einem Friedhofsgärtner pflegen lassen. Das kostet Zeit, wenn man zum Beispiel nicht am selben Ort wohnt und somit gegebenenfalls weite Fahrten nötig sind, um das Grab in Ordnung zu halten, oder es kostet eben Geld. Doch auch die Alternative, die anonyme Bestattung auf einem Gräberfeld, hat ihre Nachteile
"Psychologen haben festgestellt, dass den Menschen einfach etwas fehlt. Die traditionelle Grabstätte, die ist sehr pflegeintensiv, das können die Menschen, selbst wenn sie wollten, heute in den meisten Fällen nicht mehr leisten. Und Friedwald ist das erste, es ist ja ein Unternehmen, es ist das erste Unternehmen, die erste Art der Bestattung, die beides verbindet: das alte Bedürfnis, einen Ort der Trauer zu haben und die neue moderne Gesellschaft, die einen Ort braucht, die keine Ansprüche an sie stellt. Das ist für mich die Revolution."
Diese Revolution, von der die Autorin Sylvia Frevert spricht, begann 1998 in der Schweiz. In Mammern, einem kleinen Ort im Kanton Thurgau fand die erste Bestattung am Fuß eines Baumes statt. Bevor der erste Friedwald sozusagen offiziell in Betrieb genommen werden konnte, waren jahrelange Verhandlungen mit den Behörden nötig, um überhaupt die Erlaubnis zu bekommen, einen Friedwald zu betreiben. Ueli Sauter heißt der Pionier der Friedwaldbewegung. In Deutschland waren die Juristin Petra Bach und der Bankfachwirt Axel Baudach von der Idee fasziniert. Sie gründeten im Jahre 2000 die heutige FriedWald GmbH.
Auch in Deutschland waren anfänglich Widerstände zu überwinden, Gemeinden und Waldbesitzer mussten vom FriedWald-Konzept überzeugt werden. Im November 2001 war es dann so weit. Der erste Friedwald Deutschlands wurde eröffnet, im Reinhardswald in Hessen. Knapp zehn Jahre später ist die FriedWald GmbH ein florierendes Unternehmen mit fast 50 Mitarbeitern. Jährlich werden rund 7000 Baumgräber verkauft. Der Umsatz liegt bei zehn Millionen Euro. Mittlerweile haben auch die Kirchen, die schon mal von "neuheidnischer Naturvergötzung" sprachen, ihren Widerstand aufgegeben.
"Die katholische Kirche hat sich etwas zögerlich angeschlossen. Sie hat das zu Anfang wie die evangelische Kirche sehr sehr verhalten gesehen. Sie hat das sogar abgelehnt. Das liegt aber auch an den Voraussetzungen für die Friedwaldbestattung, weil das ist ja eine Verbrennung. Die Einäscherung ist in der katholischen Kirche erst im 20. Jahrhundert sozusagen erlaubt – in Anführungsstrichen – worden. Die katholische Kirche ist da immer noch sehr wenig vertreten, aber es ist ganz grundsätzlich eine sehr große Annäherung, bei den Evangelischen sowieso, und ein ganz großer Meilenstein für Friedwald war die Eröffnung des Friedwaldes von Schwanenberg, der ja sogar von lutherischen Ordensschwestern geführt wird. Die machen dort die Bestattung, die begleiten die Leute, die machen die Baumauswahl und die Friedwaldführung."
Wer sich für eine Bestattung in einem Friedwald interessiert, findet in der FriedWald GmbH eine gut organisierte Ansprechpartnerin. Dies erklärt den Erfolg des Unternehmens – schließlich geht es um das sensible Thema Tod; die Betreuung von Hinterbliebenen und von Menschen, die sich schon frühzeitig mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen. Regelmäßig bieten die Friedwald-Förster Führungen an, sie stellen den jeweiligen Friedwald vor, informieren über die zur Verfügung stehenden Bäume, damit jeder, der auf solche Weise bestattet werden möchte, genau den Baum findet, von dem er dann, wenn er ihn gekauft hat, sagen kann: Das ist mein Baum.
Auch die Beerdigungsfeier kann ganz individuell gestaltet werden.
"Ob eine Blaskapelle mit in den Friedwald kommt, Sie lachen, das ist alles schon dagewesen, das ist wirklich passiert. Ein Friedwaldförster hat mir erzählt, dass eine Tochter die Urne ihres Vaters mit einem Pferd zur Bestattungsstelle gebracht hat. Die Begründung: Der Vater hat sie immer so gerne reiten sehen, war selber auch passionierter Reiter. All das ist möglich.
Ein anderer Förster erzählte mir eine sehr bewegende Geschichte von einer Frau, die ihr Kind sehr spät verloren hat in der Schwangerschaft. Er sagte mir, die Frau konnte nicht den direkten Weg gehen über die normalen Wege zum Bestattungsbaum, sondern sie hat sich förmlich durch das Unterholz gekämpft mit der ganzen Trauergesellschaft, weil sie sich das erst erarbeiten musste, dass dieses Kind wirklich gestorben ist, das war für sie ein so schwerer Weg, das zu akzeptieren, dass es für sie nicht stimmig war, einfach wie bei einem Spaziergang über die befestigten Wege zu gehen. Das fand ich sehr ergreifend."
So erlaubt die Bestattung in einem Friedwald mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Trauerfeier als dies bei einer herkömmlichen Beerdigung auf einem Friedhof möglich ist. Für die Autorin Sylvia Frevert, die in ihrem reich bebilderten Buch die Geschichte der Friedwaldbewegung skizziert, aber vor allem zahlreiche nützliche Tipps zur Bestattung in einem Friedwald gibt, besteht der Vorzug der Baumbestattung darin, dass der Platz unter einem Baum ein natürliches Grabmal ist – ein Grabmal, dessen Pflege die Natur übernimmt.
Zum Thema:
Sylvia Frevert: "Friedwald. Die Bestattungsalternative"
Gütersloher Verlagshaus, 2010, 17,95 Euro
Das richtige Ding zur richtigen Zeit. So sieht es die Autorin des Buches Sylvia Frevert. Und tatsächlich gibt es ja ganz pragmatische Gründe für eine Friedwaldbestattung. Das klassische Grab auf dem Friedhof braucht Pflege. Die Hinterbliebenen müssen sich darum kümmern oder es von einem Friedhofsgärtner pflegen lassen. Das kostet Zeit, wenn man zum Beispiel nicht am selben Ort wohnt und somit gegebenenfalls weite Fahrten nötig sind, um das Grab in Ordnung zu halten, oder es kostet eben Geld. Doch auch die Alternative, die anonyme Bestattung auf einem Gräberfeld, hat ihre Nachteile
"Psychologen haben festgestellt, dass den Menschen einfach etwas fehlt. Die traditionelle Grabstätte, die ist sehr pflegeintensiv, das können die Menschen, selbst wenn sie wollten, heute in den meisten Fällen nicht mehr leisten. Und Friedwald ist das erste, es ist ja ein Unternehmen, es ist das erste Unternehmen, die erste Art der Bestattung, die beides verbindet: das alte Bedürfnis, einen Ort der Trauer zu haben und die neue moderne Gesellschaft, die einen Ort braucht, die keine Ansprüche an sie stellt. Das ist für mich die Revolution."
Diese Revolution, von der die Autorin Sylvia Frevert spricht, begann 1998 in der Schweiz. In Mammern, einem kleinen Ort im Kanton Thurgau fand die erste Bestattung am Fuß eines Baumes statt. Bevor der erste Friedwald sozusagen offiziell in Betrieb genommen werden konnte, waren jahrelange Verhandlungen mit den Behörden nötig, um überhaupt die Erlaubnis zu bekommen, einen Friedwald zu betreiben. Ueli Sauter heißt der Pionier der Friedwaldbewegung. In Deutschland waren die Juristin Petra Bach und der Bankfachwirt Axel Baudach von der Idee fasziniert. Sie gründeten im Jahre 2000 die heutige FriedWald GmbH.
Auch in Deutschland waren anfänglich Widerstände zu überwinden, Gemeinden und Waldbesitzer mussten vom FriedWald-Konzept überzeugt werden. Im November 2001 war es dann so weit. Der erste Friedwald Deutschlands wurde eröffnet, im Reinhardswald in Hessen. Knapp zehn Jahre später ist die FriedWald GmbH ein florierendes Unternehmen mit fast 50 Mitarbeitern. Jährlich werden rund 7000 Baumgräber verkauft. Der Umsatz liegt bei zehn Millionen Euro. Mittlerweile haben auch die Kirchen, die schon mal von "neuheidnischer Naturvergötzung" sprachen, ihren Widerstand aufgegeben.
"Die katholische Kirche hat sich etwas zögerlich angeschlossen. Sie hat das zu Anfang wie die evangelische Kirche sehr sehr verhalten gesehen. Sie hat das sogar abgelehnt. Das liegt aber auch an den Voraussetzungen für die Friedwaldbestattung, weil das ist ja eine Verbrennung. Die Einäscherung ist in der katholischen Kirche erst im 20. Jahrhundert sozusagen erlaubt – in Anführungsstrichen – worden. Die katholische Kirche ist da immer noch sehr wenig vertreten, aber es ist ganz grundsätzlich eine sehr große Annäherung, bei den Evangelischen sowieso, und ein ganz großer Meilenstein für Friedwald war die Eröffnung des Friedwaldes von Schwanenberg, der ja sogar von lutherischen Ordensschwestern geführt wird. Die machen dort die Bestattung, die begleiten die Leute, die machen die Baumauswahl und die Friedwaldführung."
Wer sich für eine Bestattung in einem Friedwald interessiert, findet in der FriedWald GmbH eine gut organisierte Ansprechpartnerin. Dies erklärt den Erfolg des Unternehmens – schließlich geht es um das sensible Thema Tod; die Betreuung von Hinterbliebenen und von Menschen, die sich schon frühzeitig mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen. Regelmäßig bieten die Friedwald-Förster Führungen an, sie stellen den jeweiligen Friedwald vor, informieren über die zur Verfügung stehenden Bäume, damit jeder, der auf solche Weise bestattet werden möchte, genau den Baum findet, von dem er dann, wenn er ihn gekauft hat, sagen kann: Das ist mein Baum.
Auch die Beerdigungsfeier kann ganz individuell gestaltet werden.
"Ob eine Blaskapelle mit in den Friedwald kommt, Sie lachen, das ist alles schon dagewesen, das ist wirklich passiert. Ein Friedwaldförster hat mir erzählt, dass eine Tochter die Urne ihres Vaters mit einem Pferd zur Bestattungsstelle gebracht hat. Die Begründung: Der Vater hat sie immer so gerne reiten sehen, war selber auch passionierter Reiter. All das ist möglich.
Ein anderer Förster erzählte mir eine sehr bewegende Geschichte von einer Frau, die ihr Kind sehr spät verloren hat in der Schwangerschaft. Er sagte mir, die Frau konnte nicht den direkten Weg gehen über die normalen Wege zum Bestattungsbaum, sondern sie hat sich förmlich durch das Unterholz gekämpft mit der ganzen Trauergesellschaft, weil sie sich das erst erarbeiten musste, dass dieses Kind wirklich gestorben ist, das war für sie ein so schwerer Weg, das zu akzeptieren, dass es für sie nicht stimmig war, einfach wie bei einem Spaziergang über die befestigten Wege zu gehen. Das fand ich sehr ergreifend."
So erlaubt die Bestattung in einem Friedwald mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Trauerfeier als dies bei einer herkömmlichen Beerdigung auf einem Friedhof möglich ist. Für die Autorin Sylvia Frevert, die in ihrem reich bebilderten Buch die Geschichte der Friedwaldbewegung skizziert, aber vor allem zahlreiche nützliche Tipps zur Bestattung in einem Friedwald gibt, besteht der Vorzug der Baumbestattung darin, dass der Platz unter einem Baum ein natürliches Grabmal ist – ein Grabmal, dessen Pflege die Natur übernimmt.
Zum Thema:
Sylvia Frevert: "Friedwald. Die Bestattungsalternative"
Gütersloher Verlagshaus, 2010, 17,95 Euro