Empowerment für Frauen und Queere
Während im internationalen Rap nach wie vor sexistische und homophobe Tendenzen alltäglich sind, setzen sich Rapper aus Brasilien explizit dagegen ein. Zwei von ihnen stellt unsere Korrespondentin Alexandra Friedrich vor.
Shanawaara: "We have a great LGBT movement now political, cultural and artistically. I think it’s a great moment for the LGBT community."
Brasilien hat eine großartige LGBTI-Bewegung, für die es aber auch jede Menge zu tun gibt – berichtet der in Sao Paulo lebende Queer-Aktivist, Performance-Künstler und Rapper Shanawaara.
Im internationalen Vergleich gehört Brasilien zwar zu denjenigen Ländern, die Schwule und Lesben schon früh gleichberechtigten – der letzte wichtige Schritt war die landesweite Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare im Jahr 2014 - zwischen der liberalen Gesetzgebung und der gesellschaftlichen Realität von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen-Menschen in Brasilien gibt es aber eine große Diskrepanz. Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe sind für queere Personen beinahe alltäglich. Dagegen macht sich Shanawaara stark.
In seinem Song "Nenhume Das Anteriores" fordert Shanawaara, Etiketten und Kategorien zu vergessen und stattdessen zu versuchen, den Menschen dahinter zu sehen und zu verstehen. Sein Sound und seine Raps klingen mitunter ziemlich hart, jenseits der Bühne wirkt der zierliche Brasilianer eher sanft – freundlich, offen und warmherzig. Auch wenn Shanawaara selbst kein Transgender ist, setzt er sich mit seiner Kunst explizit für Transmenschen ein, deren Situation in Brasilien besonders prekär ist.
Weder Mann noch Frau, sondern vor allem Diva
Shanawaara: "Ich denke, das größte Problem in Brasilien sind die Transgender, sie haben lediglich eine Lebenserwartung von 35 Jahren. Weil viele von ihnen in der Prostitution arbeiten – sie befinden sich außerhalb der Gesellschaft. Sie sind großer Gewalt ausgesetzt, viele von ihnen werden sogar ermordet."
Bürgerlich heißt der junge offen Homosexuelle Fabio Figueiredo, mit seinem Alter Ego Shanawaara will er Verwirrung stiften. Sein kurzes braunes Haar versteckt er unter einer Langhaarperücke, trägt High Heels und Hot Pants gepaart mit Oberlippenbart. So verweigert sich Shanawaara jeder geschlechtlichen Zuordnung, ist weder Mann noch Frau - sondern Diva.
Viele Transgender in Brasilien führen ein Leben im Verborgenen, sie bleiben unsichtbar für die restliche Gesellschaft. Dieses Problems will sich die LGBTI-Bewegung annehmen.
Shanawaara: "Die LGBT-Bewegung versucht, die Transgender in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ich denke, das gehört zu den wichtigsten Themen, weil sie so für die Bevölkerung sichtbar werden und mit ihnen ins Gespräch kommen. Um diese Gemeinschaft zu integrieren."
Shanawaara lebt in Sao Paulo, der größten und wahrscheinlich liberalsten Stadt Brasiliens mit einer ausgeprägten Subkultur und Queer-Szene. Andere Teile des Landes sind noch deutlich konservativer.
Empowerment afrobrasilianischer Frauen
Die Rapperin Karol Conka stammt aus Curitiba, einer 1,8 Millionen Einwohner-starken Stadt im Südosten Brasiliens. Die 29-Jährige fällt gerne auf - ihr langes Haar hat sie knallpink gefärbt und zu Rastazöpfen geflochten, dazu trägt sie extravagante Outfits mit wenig Stoff und in knalligen Farben. Wie Shanawaara verbindet auch sie ihre Musik mit einer Botschaft: Ihr wichtigstes Anliegen ist das Empowerment von Frauen, insbesondere afrobrasilianischer Frauen.
Karol Conka: "Curitiba ist eine sehr weiße Stadt und Schwarze in Curitiba lernt nicht, schwarz zu sein. Meine Großmutter, die aus Bahia kommt, hat mir beigebracht, schwarz zu sein in einer weißen Gesellschaft."
Karol Conkas Großmutter ist ein großes Vorbild für sie. Aber auch andere starke Frauen haben sie beeinflusst - vor allem in der Musik.
Conka: "Ich habe Einflüsse von brasilianischen Rapperinnen gemischt mit Einflüssen aus Bahia und daraus einen bunten Cocktail gemacht. Diese verrückte Mischung haben die Menschen zunächst nicht verstanden und mir vorgeworfen, ich würde den Rap kaputt machen. Ich habe mich sexy angezogen und meine Rhymes waren besser als die von den Typen. Ich hab viel von Empowerment gesungen, von selbstbewussten und unabhängigen Frauen. Und das hat einige Menschen abgeschreckt. Aber das ist gut, weil ich inzwischen zu einer der wichtigsten Rapkünstlerinnen in Brasilien geworden bin."
Karol Conka ist eine selbstbewusste Frau, die "ihr Ding macht". Viele Brasilianerinnen lassen sich in ihren Augen zu viel gefallen. Sexismus sei ein großes Problem in Brasilien – die Frau werde nur auf ihren Körper reduziert und nicht als Mensch respektiert. Die Rapperin glaubt daran, mit ihrer Musik etwas daran ändern, etwas bewegen zu können.
Conka: "Es geht um Respekt. Nur weil ich eine Frau bin, die in der Öffentlichkeit steht, darf ich nicht wie ein Stück Fleisch behandelt werden. Ich singe und positioniere mich auf diese Art, damit ich als Vorbild für andere Frauen gelte. Ich bekomme viel Feedback von meinem Publikum, dass meine Musik dabei geholfen hat, Vorurteile zu hinterfragen und den Blick zu öffnen."
Und darum geht es Karol Conka beim Musikmachen zuallererst. Wenn sie gefragt wird, was wichtiger ist - die Menschen zum Tanzen zu bringen oder ihnen Denkanstöße zu geben, fällt die Antwort eindeutig aus: die Botschaft, immer.