"Die Europäische Union muss jetzt handeln"
07:25 Minuten
Ungarn hat mit einem Gesetz zu Homo- und Transsexualität viel Empörung hervorgerufen. Das sei aber nicht der einzige EU-Staat, der systematisch die LGBTI-Community angreife, sagt Grünen-Politikerin Terry Reintke. Die EU hätte längst etwas tun müssen.
Ungarn hat zuletzt eine breite Debatte und vielfach Empörung hervorgerufen mit einem Gesetz, das unter anderem Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Informationen über Homosexualität und Transsexualität verbietet. Eingebettet ist das Gesetz in ein Gesetz gegen Pädophilie.
Der niederländische Regierungschef Mark Rutte legte dem Land daraufhin einen Austritt aus der Europäischen Union nahe. Hintergrund sind wiederholte Verstöße gegen europäische Werte.
Doch Ungarn ist in der EU nicht das einzige Land, in dem der Staat Schwulen und Lesben gleiche Rechte verweigert. Wenn man sich die Berichte von zivilgesellschaftlichen Organisationen anschaue, gehöre neben Ungarn auch Polen zu den Spitzenreitern in diesem Bereich, sagt Terry Reintke, Vize-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament sowie Co-Vorsitzende der LGBTI-Intergroup des Europa-Parlaments.
Reintke analysiert die Situation in der Europäischen Union auch vor dem Hintergrund des 52. Jahrestags der "Stonewall"-Unruhen, als sich in der Nacht auf den 28. Juni 1969 erstmals Schwule in New York gegen eine Polizeirazzia wehrten. Heute wird der Tag als Christopher-Street-Day gefeiert.
Diskriminierung und Gewalt
In Ungarn und Polen habe es in den vergangenen Jahren regelrechte Kampagnen gegen die Community gegeben, sagt Terry Reintke.
Das neue Gesetz in Ungarn sieht Reintke als Teil eines "systematischen Angriffs auf die LGBTI-Community", wie sie bei Twitter schrieb. "Wir sehen schon seit einigen Jahren, dass gerade in Ungarn immer weiter Menschenrechte LGBTI-Community eingeschränkt werden." Dabei gehe es um Themen wie ein Adoptionsverbot, ein Heiratsverbot, aber auch um "offene Diskriminierung, wie bei diesem Gesetz".
Damit solle "ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden – auch über eine Rhetorik, wo Schwule, Lesben als Verrückte dargestellt werden, immer wieder mit Pädophilie in Verbindung gebracht werden –, das LGBTI-feindlich ist und das dadurch auch Diskriminierung unterstützt". Das führe "ganz offensichtlich zu einer Situation, in der Menschen aus der Community nicht nur Diskriminierung ausgesetzt sind, sondern zum Teil auch Gewalt und Übergriffen".
EU-Mittel einfrieren
Diese "Angriffe" von Staatsseite seien eingebettet in autoritäre Politik. "In Ungarn und Polen geht es ja nicht nur um sexuelle Minderheiten in diesem Angriff, sondern auch um Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz." Da könne die EU, die ja nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Wertegemeinschaft sei, "nicht einfach nur zuschauen".
Die Europäische Kommission könnte bereits handeln, beispielsweise auf der Grundlage von Vertragsverletzungsverfahren, sagt Terry Reintke. Stattdessen sei "viel Zurückhaltung gezeigt" worden. Genau diese "Stillhaltepolitik" aber habe "solche Gesetze, wie wir sie in Ungarn sehen, weiter befeuert."
Deshalb fordere das Europäische Parlament auch Maßnahmen wie die Aktivierung der Rechtsstaatskonditionalität. "Weil wir mittlerweile auch die Möglichkeit haben, EU-Mittel einzufrieren für Länder, in denen massiv Rechtsstaat und Grundrechte angegriffen werden."
Diese Diskriminierungen hätten in Ungarn angefangen, als Orbán an die Macht kam. Mittlerweile gebe es aber auch in Polen und Slowenien solche Tendenzen. "Deshalb wäre es jetzt wichtig, dass die Europäische Union handelt."
(abr)