Liberale Demokratie

Von inneren und äußeren Feinden bedroht

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Illustration einer Weltkarte, auf der Menschen herumspazieren.
War für viele Länder die liberale Demokratie nur wegen des mit ihr verbundenen Wohlstandsversprechens attraktiv, fragt der Philosoph Stefan Gosepath. © imago / PhotoAlto / Milena Boniek
Stefan Gosepath im Gespräch mit Julius Stucke |
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Läuft das chinesische Modell dem westlichen den Rang ab? Nein, meint der Philosoph Stefan Gosepath. Zumindest noch nicht. Aber die liberale Demokratie stecke in einer Akzeptanzkrise und immer mehr Länder orientierten sich an autoritären Regimen.
Als vor 30 Jahren der Ostblock zusammenbrach, erschien das westliche Modell mit seiner liberalen Demokratie, der Marktwirtschaft und der Anerkennung der Menschenrechte plötzlich gewissermaßen als Sieger der Geschichte.
"Es gab scheinbar keine Alternative, und dann griff das Modell so um sich", sagt der Philosoph Stefan Gosepath, der an der Freien Universität Berlin Praktische Philosophie lehrt. Heute hingegen scheine der Liberalismus umstellt zu sein von inneren und äußeren Feinden. Von innen durch populistische Strömungen, von außen durch autoritäre Staaten wie China oder Russland.
"Und wenn man sich das, sagen wir mal, aus afrikanischer oder sonstiger Perspektive anguckt, dann sieht man, dass die sich Richtung autoritäre Regime orientieren und nicht mehr Richtung der liberalen Modelle", warnt er.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Einen naheliegenden Erklärungsansatz für die nachlassende Attraktivität des liberalen Modells sieht Gosepath darin, dass dabei Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften:
"Da gibt es das große Versprechen der großen Freiheit, in der jeder florieren kann, sein eigener Herr, seine eigene Frau werden kann, in der Wohlstand versprochen wird", so Gosepath. "Und dann guckt man sich die leider doch häufig enttäuschende Wirklichkeit in ganz vielen Staaten an und sagt: ja, daraus ist dann nichts geworden oder es hat nicht das geliefert, was es liefern sollte."
Zum Beispiel in Afrika: Dort habe die westliche Entwicklungshilfe nie den Wohlstand gebracht, der versprochen worden sei. "Während jetzt natürlich die chinesische Entwicklungshilfe, die ganz autoritär durchgesetzt werden kann, das zu versprechen scheint. Ob das klappt, ist noch mal eine andere Frage."
Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath.
Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath.© imago / Horst Galuschka
Noch zeichnet sich dem Philosophen zufolge kein globales Modell ab, das als Alternative zur westlichen Demokratie fungieren könnte. Allerdings könnte in der Zukunft vielleicht das chinesische Modell diese Rolle spielen, mutmaßt Gosepath.
"Also in gewisser Weise autoritär nach innen, aber gleichzeitig das Wohlstandsversprechen tatsächlich liefernd, indem sie Millionen Leute aus der Armut herausgeholt haben." Und das sei schon ein welthistorischer Fortschritt, was man bei aller Kritik an China doch sagen müsse.

Wollten viele Länder nur den Wohlstand haben?

Eine weitere Erklärung für die nachlassende Attraktivität der liberalen Demokratie könnte sein, dass viele Länder dieses Modell übernommen hätten, ohne es wirklich gewollt zu haben: "Also, die haben die D-Mark gewollt, aber nicht den Liberalismus", so Gosepath mit Blick auch auf Länder wie Polen oder Ungarn.
"Das heißt: Gibt es nicht doch eventuell in ganz vielen Ländern doch eine antiliberale Grundstimmung, die viel stärker ist?"
(uko)

Stefan Gosepath lehrt am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gerechtigkeit, Gleichheit, Menschenrechte, Verantwortung, Demokratie, Theorien der Vernunft und Rationalität, Moralphilosophie, Ethik und Handlungstheorie. Zuletzt war er Visiting Scholar am Department of Philosophy der New York University und der Columbia University.

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