Licht über der Kieler Bucht

Von Jens Wellhöner |
Er ist einer der wenigen deutschen Leuchttürme auf hoher See: der Leuchtturm Kiel. Fast fünf Kilometer vor dem Eingang zur Kieler Förde weist er seit über 40 Jahren dem Schiffsverkehr auf der Ostsee den richtigen Weg. Vollautomatisch, denn einen Leuchtturmwärter gibt es längst nicht mehr.
Nur Wind und Möwen sind zu hören, oben auf dem Leuchtturm Kiel. 30 Meter über dem Wasser ist die Aussichtsplattform auf dem rot-weiß geringelten Turm. Von hier schweift der Blick weit hinaus auf die Ostsee. Endloser Horizont, klare Luft, nur ein paar Frachter gleiten über die glatte Wasserfläche. Thomas Jürgensen vom Kieler Wasser- und Schifffahrtsamt atmet tief durch:

"Ja, das ist einer der schönsten Arbeitsplätze, die es gibt, wenn man denn so alleine hier oben stehen kann. So schönes Wetter hat, noch mal einen Blick rauswerfen kann: Ist schon was Tolles!"

Ein Blick, den nur Thomas Jürgensen und ein paar Lotsen genießen können. Denn für die Öffentlichkeit ist der Leuchtturm gesperrt. Der Mann vom Wasser- und Schifffahrtsamt gönnt sich aber nur ein paar Minuten. Dann geht es an die Arbeit. Thomas Jürgensen ist:

"Ich sage mal, so ein bisschen 'Leuchtturmwärter'. Nur nicht mehr der klassische Leuchtturmwärter, der vor Ort ist, sondern der im Prinzip von der Werkstatt aus raus fährt."

Raus gefahren ist der junge Mann an diesem Morgen mit einem Schiff vom Wasser- und Schifffahrtsamt, um nachzusehen, ob auf dem Leuchtturm auch alles funktioniert. Thomas Jürgensen ist Elektroniker. In früheren Jahrhunderten brannte auf Leuchttürmen noch ein richtiges Feuer. Heute ist alles hier vollgestopft mit Elektronik. Auch der Leuchtturm Kiel läuft vollautomatisch. Gleich hinter der Aussichtsplattform ist die sogenannte Leuchtkammer mit der Laterne. Sie weist den Schiffen den Weg. Drinnen in der Kammer lärmt gerade die Lüftung.

"Wir haben draußen einen Dämmerungssensor und wir haben eine astronomische Uhr. Die Einschaltung findet statt, wenn wir eine Stunde vor Sonnenuntergang einen Befehl von der Uhr bekommen. Oder, wenn es anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang schon dunkel sein sollte, wegen schlechtem Wetter: Dann schaltet sich das Feuer von alleine ein."

Das "Feuer" ist eine Halogenlampe. Eine sehr große Lampe, über einen Meter ist sie hoch.

"Wir haben um die Lampe rum - wie ein großer Gürtel - eine Glaslinse. Und die bündelt das Licht, das sonst nach oben und unten weg gehen würde zusätzlich noch horizontal raus."

Und so strahlt die Lampe ihr Licht über 30 Kilometer weit, über die gesamte Kieler Bucht und weist den Schiffen den Weg, auf einer der belebtesten Wasserstraßen der Welt. Denn am Leuchtturm vorbei fahren alle Schiffe vom und zum Nord-Ostsee-Kanal. Dabei kommen sie an tückischen Untiefen vorbei. Damit sie nicht vom Kurs abkommen, sind in den Fenstern der Leuchtkammer rote und grüne Scheiben eingebaut:

"Um das zu kennzeichnen, ob man links oder rechts vom Fahrwasser fährt, wird das dann halt mit roten oder grünen Sektoren angezeigt."

Durch die dann das Licht fällt. Auch in Zeiten von GPS orientieren sich die meisten Kapitäne am liebsten am Kieler Leuchtfeuer. Besonders Segelboote sind auf den Leuchtturm nach wie vor angewiesen, denn sie haben häufig kein GPS an Bord.

Thomas Jürgensen überprüft jetzt, ob die Leuchtturm-Lampe richtig funktioniert. Das tut er aber nicht in der Leuchtkammer, sondern ein Stockwerk tiefer.
Hier unten holt der Elektroniker einen Laptop aus einem Fach in der Wand. Auf dessen Bildschirm kann er sehen, ob alle Anlagen auf dem Leuchtturm fehlerfrei laufen.

"Und hier liegt kein Fehler an. Wir können jetzt mal die nächste Tafel angucken..."

Sensoren melden dem Computer, ob das Leuchtfeuer funktioniert. Aber auch, ob die Heizung des Turms läuft und vieles mehr. Grüne Lichter signalisieren: Alles klar. Rote zeigen eine Störung. Diese Meldungen schickt das Computersystem per Handynetz auch an die Schiffsverkehrszentrale in Travemünde.

Dort, 60 Kilometer vom Kieler Leuchtturm entfernt, schaut zur selben Zeit Janas Miksta auf einen Computerbildschirm. Dem Elektroniker werden dort die Handymeldungen vom Kieler Leuchtturm angezeigt.

"Am Tag zwei Mal wird die Station geprüft, ob sie noch lebt sozusagen."

Der Computer ist sozusagen die Fernsteuerung für den Kieler Leuchtturm.

"Anwählen. Einschalten. Ausschalten. Den Zustand angucken. Oh, das zeigt gerade Rot an. Das ist die letzte Statusmeldung."

Die Turmbeleuchtung soll defekt sein. Die Störung entpuppt sich aber als Fehlalarm. Thomas Jürgensen ist ja vor Ort im Turm und teilt das seinem Travemünder Kollegen per Telefon mit. Denn die Turmbeleuchtung funktioniert einwandfrei. Ein paar Sensoren müssen wohl ausgetauscht werden.

Die Kieler und Travemünder Elektroniker müssen ständig in Kontakt bleiben. Denn nicht immer muss eine Panne so harmlos sein. Thomas Jürgensen:

"Zum Beispiel, wenn ein Brand gemeldet wird, läuft der in Travemünde auf. Und Travemünde meldet das dann an uns weiter, damit wir hier schnellstmöglich rausfahren um zu gucken, was hier los ist."

Nachdem er hier fertig ist, gönnt sich Thomas Jürgensen noch einen kleinen Plausch mit Kollegen. Es geht hinunter in den ersten Stock. Hier ist die Lotsenstation auf dem Leuchtturm Kiel. Das heißt, Seelotsen warten hier rund um die Uhr auf Schiffe, die sie sicher nach Kiel bringen sollen. Unter ihnen ist Rolf Uller. Hinter einem großen Panoramafenster sitzt er und überwacht den Schiffs- und Funksprechverkehr.

"Das Schiff meldet sich zwei Stunden vorher an. Und dann wird hier abgestimmt, dass hier immer ein Lotse verfügbar ist. Und sobald das Schiff den Leuchtturm passiert, wird das besetzt mit einem Lotsen."

Nach ein paar Minuten kommt der nächste Containerfrachter. Mit einem Boot fährt ein Lotse hinüber. Um dem Kapitän zu weisen, in die Kieler Förde. Auch Thomas Jürgensen macht sich jetzt auf den Weg. Mit dem kleinen Schiff vom Wasser- und Schifffahrtsamt geht es dann zurück nach Kiel. Eine Stunde dauert die Überfahrt. Über die spiegelglatte Ostsee.