Lichtspur durch die Jahrhunderte
Franziskus von Assisi zog im 13. Jahrhunderts bettelnd durch die Straßen und teilte, was er erbettelt hatte mit Armen und Kranken. Das Diözesanmuseum in Paderborn hat nun diesem Heiligen eine Ausstellung gewidmet, mit einer Fülle von Reliquien, Handschriften, Gemälden und Skulpturen.
Christoph Stiegemann: "'Das Licht von Assisi', so titeln wir unsere Ausstellung ... Dieses Thema hat uns unendlich fasziniert und das hat auch der 'Sacro Convento' in Assisi richtig eingeordnet und uns seine Unterstützung zugesagt. Wir durften aus der Reliquienkammer an der Unterkirche von San Francesco wirklich aus den Vitrinen die Dinge aus dem Besitz des Franziskus ausleihen ...So schaffen wir Atmosphären, in den Installationen, die den Besucher mitnehmen, einführen in die Zeit ..."
Was, da darf sich Museumsdirektor Christoph Stiegemann sicher sein, in der Tat hervorragend gelungen ist:
Ausstellungsbesucher:
"Es ist mein dritter Besuch. Ich finde es sehr schön umgesetzt ..."
"Gerade in unserer Zeit ist das interessant, wo dieser moralische Verfall und viele schlimme Dinge, die unsere Gesellschaft im Moment zu verkraften hat, da ist Franziskus wirklich ein Vorbild an Ehrlichkeit, an Treue, an Glaubwürdigkeit und das fasziniert mich als Unternehmer auch. Und ich glaube, es wäre auch ratsam, dass sich mal einige Politiker hier einfinden sollten ..."
Diese Ausstellung rollt den roten Teppich aus - für einen Bettelmönch. Für den "Poverello", den "kleinen Armen", der Demut und Verzicht predigte; der diese Ideale bis an den Rand der Selbstaufgabe vorzuleben versuchte. Und damit vor rund 800 Jahren die Kirche aus den Angeln zu heben drohte. Zu einer Zeit, als diese Kirche in Protz und Prunk versank, formierte sich mit diesem Mönch und seinen Anhängern eine mächtige religiöse Gegenbewegung.
Zugegeben: Auf uns heute mag er befremdlich wirken, dieser Franziskus von Assisi. Befremdlich mit seiner zur Schau gestellten Einfalt, seiner fast schon penetranten Verherrlichung der Armut, seiner Radikalität. In der Ausstellung finden sich auf Schritt und Tritt Porträts des Heiligen Franziskus - aus acht Jahrhunderten. Es sind die Bildtafeln aus der Unterkirche von San Francesco in Assisi oder das berühmteste Bild des Heiligen, die Franziskus-Ikone des Margaritone d'Arezzo, ein kleines, um 1250 auf Tannenholz gemaltes Bild, das Franziskus in der schlichten graubraunen Ordenskutte mit dem vierfach geknoteten Strick zeigt.
Es gibt dort den mittelalterlichen Franziskus, den "Gaukler Gottes", den Mönch, der den Vögeln predigt, den Wolf von Gubbio zähmt oder die erste lebendige Weihnachtskrippe erstellt. Und dann ist da der ganz andere Franziskus: der des Barock.
Christoph Stiegemann: "Der Franciscus extaticus ... Das hat die Barockkunst unendlich fasziniert und da haben wir hier ein Werk, ein Gemälde aus dem Musée de Tessé, Le Mans ... und dieses Gemälde zeigt reduziert auf eine Nachtsituation ... den Bruder Leo und den Franziskus in der Ekstase. Eine Lampe spendet der ganzen Situation Licht - das ist natürlich von Caravaggio beeinflusst - links sitzt der Bruder Leo, das Gesicht beleuchtet ... aber rechts passiert etwas, was ungeheuerlich ist: Da fällt Franziskus, der den Totenschädel auf dem Schoß hält, quasi aus dem Format. Der kippt nach rechts, unerreichbar für den Betrachter und das Gesicht in einer Mischung von Verzückung, von Todesnähe ... ein grandioses Werk von Georges de La Tour ..."
Francesco, der Sohn des reichen Tuchhändlers Bernardone wird 1182 im umbrischen Assisi in eine Welt im Wandel hineingeboren. Die mittelitalienischen Städte erleben einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch der Übergang von der Agrar- zur Geldwirtschaft birgt Zündstoff: Die kleine Elite der städtischen Kaufmannschaft macht beträchtliche Profite und löst so eine heftige Konkurrenz der Städte untereinander aus.
Franziskus, der in seiner Jugend wohl das ist, was wir heute einen Draufgänger und Partylöwen nennen würden, nimmt 1202 an Assisis Krieg gegen Perugia teil und kommt geschwächt und krank zurück. Dann geschieht das Ereignis, das seine Lebenswende auslöst: Er begegnet einem Aussätzigen.
Die Begegnung mit Menschen am Rande der Gesellschaft wird für Franziskus zum Schlüsselerlebnis.
Christoph Stiegemann: "Er wendet sich nicht ab, sondern versorgt sie mit Geldern, die er aus dem Unternehmen seines Vaters, dieses reichen Kaufmanns entwendet ... Und das ist ganz und gar Franziskus, also kein Mann, der nur denkt ... sondern der wirklich das Wort des Evangeliums, die Christusnachfolge lebt. Und auf dem Platz vor der Kathedrale von Assisi legt er sein reiches Gewand dem Vater vor die Füße, der natürlich schnaubt und tobt und sagt: Ich gehe jetzt zum Vater, der im Himmel ist."
Es ist die Schlüsselszene im Leben des Franziskus. Er zieht in die Einöde von Santa Maria degli Angeli und predigt als Bettelmönch.
Christoph Stiegemann: "Ein Potenzial, was diese franziskanische Botschaft dann entwirft, was zu einem Magneten, zu einer unglaublichen Massenbewegung wird ..."
Die Anfänge dieser Massenbewegung im heimatlichen Assisi hat, etwas augenzwinkernd, der Schriftsteller Hans Conrad Zander beschrieben. Denn dem Mönch in seine Einöde folgt als erstes die Patriziertochter Klara Favarone, die später Franziskus' berühmte Gefährtin wird. Deren Vater ist außer sich über die Flucht seiner Tochter:
Hans Conrad Zander: "Mitternacht, die Geisterstunde ... Klara war geflohen aus dem streng bewachten elterlichen Haus ... Dass Klara, seine Klara, sich heimlich treffe mit dem Bernadone, dem Spinner da unten im Wald von Santa Maria degli Angeli ... Mitternacht - die Geisterstunde ... Einer seiner Söhne tritt verstört ans Bett des alten Favarone: Papa! Agnese, Klaras Schwester ... Was die auch? Sie ist weg. Hinab nach Santa Maria degli Angeli... Weg zu Klara und Francesco. Und dann ein paar Nächte später: Papa! Was um Himmels Willen? Papa! Heraus mit der Sprache! Papa, Mama ist weg. Weg zu ihren Töchtern, weg zum Heiligen Franz ..."
Immer mehr folgen ihm. Gerufen hat er sie nicht. Aber jetzt wird Rom nervös.
Denn in diesen Zeiten der Ketzerkriege wird die Gründung neuer Bewegungen in der Kurie mit äußerstem Misstrauen betrachtet.
Christoph Stiegemann:"Eine ganz explosive, angespannte Situation, geprägt auch von Endzeiterwartung. Auch das spielt hinein."
Franziskus, der "Gaukler Gottes" wird zum Begründer des Ordens der "Minderen Brüder" und zum Mitbegründer des Klarissenordens. Der kleinen Gemeinschaft um Franziskus erteilt Papst Innozenz III. 1210 die Genehmigung, nach ihrer Regel in Armut zu leben und als Bußprediger umherzuwandern.
Über 200 Exponate sind im Erzbischöflichen Diözesanmuseum zu sehen; unter ihnen Kostbarkeiten aus vielen Ländern. Aus Rom die "Legenda Maior" aus dem 14. Jahrhundert, eine Abschrift der von Bonaventura verfassten Lebensbeschreibung des Franziskus; aus Assisi die Handschrift der Regel des Franziskanerordens und der vermutlich von Franziskus selbst benutzte Kelch aus der Reliquienkapelle seiner Grabeskirche. Liturgische Geräte, Gemälde, Skulpturen und Handschriften aus den Vatikanischen Museen und Bibliotheken vervollständigen die Schau.
Ziel der Ausstellung sei, so Christoph Stiegemann, zu veranschaulichen, dass das Erbe des Franziskus keine tote Substanz ist, sondern uns bis in unsere Zeit begleitet:
"Benedikt XVI. hat seine Habilitation über die Theologie des Bonaventura verfasst und sein Insistieren auf das Miteinander von Glaube und Vernunft ist ja ihm ein Herzensanliegen ... Das resultiert letztlich auf den Ansätzen von franziskanischer Theologie im 12. , 13. und 14. Jahrhundert. So entwickelt sich das und strahlt aus, beeinflusst natürlich auch die Entwicklung der Philosophie, den deutschen Idealismus bis ins 20. Jahrhundert hinein. Da zieht also eine ganz bedeutende Lichtspur durch die Jahrhunderte."
Vor dem Gemälde, das den berühmten Traum des Papstes Innozenz III. zeigt,
in dem das Gebäude der Kirche einzustürzen droht, steht ein nachdenklicher
Besucher:
"Da gibt es ein großes Bild, wo Franziskus die Kirche stützt, wo die Kirche am Einstürzen ist ... Rette meine Kirche. Mensch, rette doch mal einer unsere Gesellschaft."
Zur Homepage Franz von Assisi - Ausstellung im Paderborner Diözesanmuseum
Was, da darf sich Museumsdirektor Christoph Stiegemann sicher sein, in der Tat hervorragend gelungen ist:
Ausstellungsbesucher:
"Es ist mein dritter Besuch. Ich finde es sehr schön umgesetzt ..."
"Gerade in unserer Zeit ist das interessant, wo dieser moralische Verfall und viele schlimme Dinge, die unsere Gesellschaft im Moment zu verkraften hat, da ist Franziskus wirklich ein Vorbild an Ehrlichkeit, an Treue, an Glaubwürdigkeit und das fasziniert mich als Unternehmer auch. Und ich glaube, es wäre auch ratsam, dass sich mal einige Politiker hier einfinden sollten ..."
Diese Ausstellung rollt den roten Teppich aus - für einen Bettelmönch. Für den "Poverello", den "kleinen Armen", der Demut und Verzicht predigte; der diese Ideale bis an den Rand der Selbstaufgabe vorzuleben versuchte. Und damit vor rund 800 Jahren die Kirche aus den Angeln zu heben drohte. Zu einer Zeit, als diese Kirche in Protz und Prunk versank, formierte sich mit diesem Mönch und seinen Anhängern eine mächtige religiöse Gegenbewegung.
Zugegeben: Auf uns heute mag er befremdlich wirken, dieser Franziskus von Assisi. Befremdlich mit seiner zur Schau gestellten Einfalt, seiner fast schon penetranten Verherrlichung der Armut, seiner Radikalität. In der Ausstellung finden sich auf Schritt und Tritt Porträts des Heiligen Franziskus - aus acht Jahrhunderten. Es sind die Bildtafeln aus der Unterkirche von San Francesco in Assisi oder das berühmteste Bild des Heiligen, die Franziskus-Ikone des Margaritone d'Arezzo, ein kleines, um 1250 auf Tannenholz gemaltes Bild, das Franziskus in der schlichten graubraunen Ordenskutte mit dem vierfach geknoteten Strick zeigt.
Es gibt dort den mittelalterlichen Franziskus, den "Gaukler Gottes", den Mönch, der den Vögeln predigt, den Wolf von Gubbio zähmt oder die erste lebendige Weihnachtskrippe erstellt. Und dann ist da der ganz andere Franziskus: der des Barock.
Christoph Stiegemann: "Der Franciscus extaticus ... Das hat die Barockkunst unendlich fasziniert und da haben wir hier ein Werk, ein Gemälde aus dem Musée de Tessé, Le Mans ... und dieses Gemälde zeigt reduziert auf eine Nachtsituation ... den Bruder Leo und den Franziskus in der Ekstase. Eine Lampe spendet der ganzen Situation Licht - das ist natürlich von Caravaggio beeinflusst - links sitzt der Bruder Leo, das Gesicht beleuchtet ... aber rechts passiert etwas, was ungeheuerlich ist: Da fällt Franziskus, der den Totenschädel auf dem Schoß hält, quasi aus dem Format. Der kippt nach rechts, unerreichbar für den Betrachter und das Gesicht in einer Mischung von Verzückung, von Todesnähe ... ein grandioses Werk von Georges de La Tour ..."
Francesco, der Sohn des reichen Tuchhändlers Bernardone wird 1182 im umbrischen Assisi in eine Welt im Wandel hineingeboren. Die mittelitalienischen Städte erleben einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch der Übergang von der Agrar- zur Geldwirtschaft birgt Zündstoff: Die kleine Elite der städtischen Kaufmannschaft macht beträchtliche Profite und löst so eine heftige Konkurrenz der Städte untereinander aus.
Franziskus, der in seiner Jugend wohl das ist, was wir heute einen Draufgänger und Partylöwen nennen würden, nimmt 1202 an Assisis Krieg gegen Perugia teil und kommt geschwächt und krank zurück. Dann geschieht das Ereignis, das seine Lebenswende auslöst: Er begegnet einem Aussätzigen.
Die Begegnung mit Menschen am Rande der Gesellschaft wird für Franziskus zum Schlüsselerlebnis.
Christoph Stiegemann: "Er wendet sich nicht ab, sondern versorgt sie mit Geldern, die er aus dem Unternehmen seines Vaters, dieses reichen Kaufmanns entwendet ... Und das ist ganz und gar Franziskus, also kein Mann, der nur denkt ... sondern der wirklich das Wort des Evangeliums, die Christusnachfolge lebt. Und auf dem Platz vor der Kathedrale von Assisi legt er sein reiches Gewand dem Vater vor die Füße, der natürlich schnaubt und tobt und sagt: Ich gehe jetzt zum Vater, der im Himmel ist."
Es ist die Schlüsselszene im Leben des Franziskus. Er zieht in die Einöde von Santa Maria degli Angeli und predigt als Bettelmönch.
Christoph Stiegemann: "Ein Potenzial, was diese franziskanische Botschaft dann entwirft, was zu einem Magneten, zu einer unglaublichen Massenbewegung wird ..."
Die Anfänge dieser Massenbewegung im heimatlichen Assisi hat, etwas augenzwinkernd, der Schriftsteller Hans Conrad Zander beschrieben. Denn dem Mönch in seine Einöde folgt als erstes die Patriziertochter Klara Favarone, die später Franziskus' berühmte Gefährtin wird. Deren Vater ist außer sich über die Flucht seiner Tochter:
Hans Conrad Zander: "Mitternacht, die Geisterstunde ... Klara war geflohen aus dem streng bewachten elterlichen Haus ... Dass Klara, seine Klara, sich heimlich treffe mit dem Bernadone, dem Spinner da unten im Wald von Santa Maria degli Angeli ... Mitternacht - die Geisterstunde ... Einer seiner Söhne tritt verstört ans Bett des alten Favarone: Papa! Agnese, Klaras Schwester ... Was die auch? Sie ist weg. Hinab nach Santa Maria degli Angeli... Weg zu Klara und Francesco. Und dann ein paar Nächte später: Papa! Was um Himmels Willen? Papa! Heraus mit der Sprache! Papa, Mama ist weg. Weg zu ihren Töchtern, weg zum Heiligen Franz ..."
Immer mehr folgen ihm. Gerufen hat er sie nicht. Aber jetzt wird Rom nervös.
Denn in diesen Zeiten der Ketzerkriege wird die Gründung neuer Bewegungen in der Kurie mit äußerstem Misstrauen betrachtet.
Christoph Stiegemann:"Eine ganz explosive, angespannte Situation, geprägt auch von Endzeiterwartung. Auch das spielt hinein."
Franziskus, der "Gaukler Gottes" wird zum Begründer des Ordens der "Minderen Brüder" und zum Mitbegründer des Klarissenordens. Der kleinen Gemeinschaft um Franziskus erteilt Papst Innozenz III. 1210 die Genehmigung, nach ihrer Regel in Armut zu leben und als Bußprediger umherzuwandern.
Über 200 Exponate sind im Erzbischöflichen Diözesanmuseum zu sehen; unter ihnen Kostbarkeiten aus vielen Ländern. Aus Rom die "Legenda Maior" aus dem 14. Jahrhundert, eine Abschrift der von Bonaventura verfassten Lebensbeschreibung des Franziskus; aus Assisi die Handschrift der Regel des Franziskanerordens und der vermutlich von Franziskus selbst benutzte Kelch aus der Reliquienkapelle seiner Grabeskirche. Liturgische Geräte, Gemälde, Skulpturen und Handschriften aus den Vatikanischen Museen und Bibliotheken vervollständigen die Schau.
Ziel der Ausstellung sei, so Christoph Stiegemann, zu veranschaulichen, dass das Erbe des Franziskus keine tote Substanz ist, sondern uns bis in unsere Zeit begleitet:
"Benedikt XVI. hat seine Habilitation über die Theologie des Bonaventura verfasst und sein Insistieren auf das Miteinander von Glaube und Vernunft ist ja ihm ein Herzensanliegen ... Das resultiert letztlich auf den Ansätzen von franziskanischer Theologie im 12. , 13. und 14. Jahrhundert. So entwickelt sich das und strahlt aus, beeinflusst natürlich auch die Entwicklung der Philosophie, den deutschen Idealismus bis ins 20. Jahrhundert hinein. Da zieht also eine ganz bedeutende Lichtspur durch die Jahrhunderte."
Vor dem Gemälde, das den berühmten Traum des Papstes Innozenz III. zeigt,
in dem das Gebäude der Kirche einzustürzen droht, steht ein nachdenklicher
Besucher:
"Da gibt es ein großes Bild, wo Franziskus die Kirche stützt, wo die Kirche am Einstürzen ist ... Rette meine Kirche. Mensch, rette doch mal einer unsere Gesellschaft."
Zur Homepage Franz von Assisi - Ausstellung im Paderborner Diözesanmuseum