Lichtverschmutzung

Im Weltall wird es zu hell

06:24 Minuten
Panoramaaufnahme des nächtlichen Sternenhimmels mit Milchstraße über einem See.
Neben der Lichtverschmutzung von der Erde trüben zunehmend auch Satelliten den Blick in den Sternenhimmel. © imago / VW Pics / Alan Dyer
Von Sven Kochale |
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40.000 Satelliten will allein SpaceX für sein Starlink-Datennetz ins All schießen. Dann wird es im Weltall so hell, dass Sternenbeobachtung schwierig wird, warnen Astronomen. Bereits jetzt könne man die Sterne des Kleinen Wagens nicht mehr sehen.
Die Reise in die unendlichen Weiten des Alls beginnt am Hauptschaltkasten. Der Technikchef des Zeiss-Planetariums, Stefan Harnisch, erweckt die riesige Kuppel mit ihrem rund 25 Meter großen Durchmesser zum Leben. Ein seltener Augenblick. Denn auch das Planetarium in Jena ist seit Wochen wegen Corona geschlossen. Nun aber wird es dunkel. Der blaue Projektor im Zentrum des runden Raums beginnt zu schnurren und zaubert immer mehr Lichtpunkte an die Decke. Der Sternenhimmel in all seiner Pracht entsteht.
Und die Technik kann noch mehr: Weit hinten, so scheint es, gesellt sich der Planet Mars zu den vielen Sternen. Klein nur, aber doch deutlich zu sehen. So wie in der richtigen Welt, erklärt die Astronomin Susanne Hoffmann.
"Wenn man den Mars am Himmel sieht, kann man mit dem bloßen Auge aus der Stadt, aus Deutschland, ein bisschen rötliche Farbe sehen. Das muss man sich nicht knallrot vorstellen, sondern eher so ein kupferrot oder orange. So einen leichten rötlichen Schein von diesem Objekt."
Mars sei so hell, dass das Beobachtungserlebnis kaum durch das Phänomen der Lichtverschmutzung beeinträchtigt werde, erläutert die Forscherin. Anders sei das bei den sehr viel dunkleren und agilen Sternen:
"Die Lichtverschmutzung deckelt das dermaßen, dass man zwar die Planeten und die hellsten Sterne sehen kann. Auch sogar noch die Sterne vom Großen Wagen. Aber die Sterne vom Kleinen Wagen schon nicht mehr."

"Ungetrübter Blick in den Sternenhimel nicht mehr möglich"

Unter Lichtverschmutzung versteht die Wissenschaft, dass es keine völlige Dunkelheit mehr gibt. Besonders betroffen sind Städte, wo das künstliche Licht von Industrieanlagen, Straßenlaternen oder Leuchtreklamen die Umgebung permanent aufhellt. Hinzu kommt jetzt noch ein anderes Problem: Tausende Satelliten, wie sie etwa im Starlink-Projekt geplant sind. Sie sollen im Weltraum eine völlig neue Infrastruktur für eine Datenübertragung in Höchstgeschwindigkeit aufbauen. Der Astronomie-Professor Sergei Klioner von der TU Dresden sieht das kritisch:
"Was sehen Sie? Wenn Sie keine Satelliten haben, dann sehen Sie mit bloßem Auge maximal 3000 Sterne am Himmel. Und wir reden jetzt über 40.000 Satelliten. Das heißt, 20.000 Satelliten würden Sie auch sehen, wenn diese hell genug sind. Und die sich dann auch ständig bewegen. Das heißt, Sie haben Schwierigkeiten, Sterne zu beobachten."
Damit ist er nicht allein. Die Astronomische Gesellschaft hat kürzlich davor gewarnt, dass "ein ungetrübter Blick in den Sternenhimmel durch die Vielzahl an Licht reflektierenden künstlichen Satelliten nicht mehr möglich" sei, selbst in bislang von der Lichtverschmutzung weitgehend unbehelligten Regionen der Erde.

Ein Wirrwarr künstlicher Lichtpunkte

Die praktischen Auswirkungen spürt Sergei Klioner ganz deutlich, wenn er Teleskope auf der Erde verwendet und vergleichsweise wenig zu sehen bekommt. Einen ganz anderen Eindruck erhält der Wissenschaftler, wenn er auf die Daten von Weltraumteleskopen zurückgreift. Er arbeitet für die Europäische Weltraumagentur ESA am "Gaia"-Projekt. Dahinter verbirgt sich ein astrometrisches Weltraumteleskop, das dreidimensionale Positionen und Geschwindigkeiten von Sternen misst.
"In den letzten Jahrzehnten haben wir technische Möglichkeiten für die Wissenschaft bekommen, am Himmel vermehrt dynamische Phänomene zu beobachten", erklärt Klioner. "Das sind Phänomene, die nur zu bestimmten Zeitpunkten zu beobachten sind. Und das ist dann tödlich für diese Beobachtungen. Wenn Sie zu diesem Zeitpunkt nicht beobachten können, haben Sie etwas verpasst."
Damit sind zum Beispiel kurzzeitige Explosionen auf Sternen oder am Rand von Schwarzen Löchern gemeint. Das macht Susanne Hoffmann von der Uni Jena Sorge. Sie erklärt den Sternenhimmel regelmäßig in Planetarien und ahnt, dass sich diese perfekte Welt immer mehr von der Wirklichkeit entfernt:
"Dann wird es so sein, dass man sagt, ihr könnt nirgendwo auf der Erde, nicht einmal in einem Sternenpark mehr 3000 Sterne sehen. Und wenn, dann überschattet von einem Wirrwarr von künstlichen Lichtpunkten. Wenn ihr den richtigen Sternenhimmel sehen wolltet, müsstet ihr zum Mond gehen. Oder man müsste erzählen, dass es so ausgesehen hat vor 100 Jahren, als die Menschen noch nicht so viele Satelliten im All hatten."

Mars-Show im Planetarium

Im Zeiss-Planetarium Jena dagegen trübt keine Lichtverschmutzung den Genuss. Technikchef Stefan Harnisch projiziert klare Bilder an die Kuppel und umwickelt den Mars mit sphärischen Klängen:
"Wir haben auch Shows, in denen es darum geht, dass wir zum Mars fliegen und auf der Mars-Oberfläche sind. Und erleben dort die Stürme, die toben können. Da haben wir dann andere Musik dazu, die dann dramaturgisch dazu passt. Mit sphärischen Klängen ist es dann vorbei."
Es klingt fast so, als habe er das nicht nur auf Mars bezogen. Und macht für diesen Tag den Hauptschalter wieder aus.
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