Lichtverschmutzung

Wenn die Nacht zum Tag wird

Die Abtsrodaer Kuppe bei Fulda in der Nacht
Die Abtsrodaer Kuppe bei Fulda in der Nacht © Sören Seidel
Moderation: Klaus Pokatzky |
Die Menschen machen zunehmend die Nacht zum Tag - mit verheerenden Folgen: Tiere kommen wegen der Lichtverschmutzung aus dem Rhythmus und auch der Mensch wird krank. Was man dagegen tun kann, darüber diskutiert Klaus Pokatzky mit der Kulturwissenschaftlerin Sabine Frank und dem Biologen Franz Hölker.
Auf der Erde wird es immer heller. Schon jetzt können 60 Prozent der Europäer nachts die Milchstraße nicht mehr sehen. Was bedeutet es, wenn wir die Nacht immer mehr zum Tag machen? Welche Folgen hat es für Mensch und Natur? Was können wir gegen die grassierende Lichtverschmutzung tun?
Am 24. März ruft die internationale Naturschutzorganisation WWF zur Earth Hour auf: Um 20:30 Uhr machen Millionen Menschen auf der ganzen Welt für eine Stunde das Licht aus. Unzählige Gebäude und Sehenswürdigkeiten versinken im Dunkeln – als globales Zeichen für den Schutz unseres Planeten. Dazu gehört auch ein bewusster Umgang mit künstlichem Licht.
"Künstliches Licht in der Nacht ist ganz neuer Stress", sagt Dr. Franz Hölker. Der Biologe arbeitet am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und leitet den bundesweiten Forschungsverbund "Verlust der Nacht". Hier untersuchen Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen die globalen Folgen des allgegenwärtigen Lichts. "Viele physiologische Prozesse, etwa zur Regenerierung von Zellen und der gesamte Schlaf-Wach-Rhythmus werden durch Licht gesteuert. 30 Prozent aller Wirbeltiere und 60 Prozent aller Wirbellosen sind nachtaktiv. Sie haben sich an das Leben in der Dunkelheit im langen Prozess der Evolution perfekt angepasst."

Das neue LED-Licht gaukelt dem Körper Tag vor

Das Problem: Immer mehr Städte stellen ihre Beleuchtung auf LED-Lampen um. Diese Leuchtdioden sparen zwar bis zu 80 Prozent Energie. Ihr blauer Lichtanteil ist allerdings ein wahrer Muntermacher: LED-Licht am Abend gaukelt dem Körper vor, es sei bereits Tag – der Rhythmus kommt durcheinander.
Eine Radaranlage, im Hintergrund die Milchstraße
Eine Radaranlage, im Hintergrund die Milchstraße© David Müller
Die Folge: Nicht nur Tiere werden durch die Lichtverschmutzung aus dem Takt gebracht. Sie hat auch Auswirkungen auf die Menschen: Schlafstörungen, erhöhtes Risiko für Depression, Übergewicht; manche Forscher sprechen auch von erhöhter Krebsgefahr.

Kurse, um schon Kinder zu sensibilisieren

"Die Nacht erzählt uns, wie gut geschützt wir sind. Sie ist wie ein Mantel", sagt Sabine Frank. Die Kulturwissenschaftlerin und Hobby-Astronomin koordiniert den "Sternenpark Rhön", einen von drei Nachtschutzgebieten in Deutschland. Die "International Dark Sky Association" (IDA), die sich gegen Lichtverschmutzung einsetzt, hat die Rhön 2014 zum "Sternenpark" ernannt, weitere Parks liegen in der Eifel und im Westhavelland. In diesen dünn besiedelten Regionen kann man den Nachthimmel noch nahezu ungestört betrachten – ein "Fenster zum Universum".
In klaren Nächten kann man die Milchstraße mit bloßem Auge erkennen: Sternennebel, weit entfernte Galaxien und Sternbilder. Sabine Frank veranstaltet Nachtführungen; sie berät Kommunen, wie sie ihre Straßen und Gebäude möglichst umweltverträglich erhellen können und sie gibt Kurse für Kinder, um schon früh für die Bedeutung der Nacht und die Lichtverschmutzung zu sensibilisieren. 2015 wurde sie für ihr Engagement von der IDA als "Bewahrerin der Nacht" ausgezeichnet.
Ihr Motto: "Erst, was der Mensch zu schätzen lernt, ist er bereit, zu schützen."

Über Lichtverschmutzung und seine Folgen diskutiert Klaus Pokatzky heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Sabine Frank und Franz Hölker. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

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