Botschafterin des Elektro-Latin
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Sie mischt lateinamerikanische Rhythmen mit Elektrobeats. Lido Pimientas Konzerte strotzen vor Lebensfreude. Doch die Lage in ihrer Heimat Kolumbien empört die Musikerin. Mit ihrer Musik protestiert sie gegen die autoritäre Regierung.
"Kolumbien ist ein Land, das keinen Frieden kennt", sagt Lido Pimienta. Die Musikerin lebt schon lange in Kanada. Aber die Proteste in ihrem Geburtsland gegen die Regierung von Präsident Iván Duque verfolgt sie von Toronto aus sehr aufmerksam:
"Auch aus dem Grund, dass ich selbst eine Indigene bin, dass meine Familie direkt von dieser Politik betroffen ist, vom Neoliberalismus der extremen Rechten. Davon spreche ich auch in meiner Musik. Nicht immer ganz direkt, oft auch mit Poesie. Es geht auch nicht anders, denn wenn einem die Armut so heftig ins Gesicht schlägt, muss man einfach darüber sprechen."
Mit dem Debütalbum zu Preiswürden
Ihr Debüt-Album "La Papessa" wurde 2017 in Kanada mit dem Polaris Music Prize ausgezeichnet, einem angesehenen Kritikerpreis. "Das hat mich sehr überrascht", sagt Pimienta. "Es hatte gar kein Label, ich habe es selbst verlegt und selbst herausgebracht. Und es war das erste Mal, dass ein Album, das nicht auf Englisch oder Französisch gesungen war, diesen Preis bekommen hat."
Pimienta singt spanisch und kombiniert traditionelle Rhythmen wie Cumbia oder Palenque mit Elektro-Pop. Außerdem beziehe sie Einflüsse aus der indigenen Kultur ihrer Familie mit ein, sagt die Musikerin:
"Das ist eine matriarchalische, sehr intensive Kultur, sehr weiblich, mit starken Frauen, die auch mal Angst machen können. Und ich versuche, in diesem Sinne auch eine starke Musik zu machen, mit vielen Schichten. Aber dabei möchte ich nicht zu offensichtlich sein, ich finde es gut, wenn sich die Leute ein bisschen mit der Musik beschäftigen und gucken: Woher kommen die Klänge? Was steckt dahinter?"
"Ein zynischer Liebesbrief an mein Land"
Im April 2020 soll das neue Album erscheinen. Es trägt den selbstbewussten Titel "Miss Colombia". Eine ironische Volte, erklärt Pimienta: "Die Misswahl in Kolumbien war immer sehr beliebt, und diese Frau wurde dargestellt wie ein Exportartikel: Wir sind das Land der Baumwolle, wir sind das Land des Kaffees, wir exportieren Baumwolle, Kaffee und Frauen!"
Der Titelsong des neuen Albums sei ihre Antwort darauf: "Es ist ein zynischer Liebesbrief an mein Land. Es schmerzt mich zu sehen, dass Kolumbien sich nur in so einem dummen Moment vereint. Für so eine blödsinnige Sache wie eine Misswahl kommen sie zusammen."
Pimienta, die sich als queere Künstlerin versteht, legt großen Wert darauf, den Kampf für eine liberalere Gesellschaft in Kolumbien mit ihrer Musik zu unterstützen. "Wir haben nicht alle das Privileg, ein Vollzeitaktivist zu sein", sagt sie. "Aber ich denke, dass wir alle Teil der Revolution sein können – mit unseren Mitteln, in dem, was wir tun und entscheiden. Man muss nicht warten, dass andere es tun oder dass man einen Anruf bekommt und gefragt wird. Es gibt für jeden die Möglichkeit, Widerstand zu leisten."
(fka)