Dating-Hotspot Arbeitsplatz

Wie Freundschaft und Liebe im Job entstehen

Zwei Frauen mit medizinischer Schutzkleidung lachen und umarmen sich in einem Praxiszimmer.
Wer mit befreundeten Menschen zusammenarbeitet, hat mehr Spaß am Beruf. © picture alliance / Shotshop / Addictive Stock
Zwischen Arbeitskollegen entstehen oft Freundschaften – und manchmal auch Liebe. Unternehmen sehen solche Beziehungen bisweilen kritisch. Dabei kann die persönliche Nähe auch den Firmen Vorteile bringen.
Von wegen Trennung von Beruflichem und Privatem: Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind in Deutschland keine Seltenheit. Der Job ist sogar die zweitwichtigste Partnerbörse: Nach Dating-Apps lernen sich Paare am häufigsten bei der Arbeit kennen. Und auch Freundschaften, die teils das ganze Leben halten, entstehen oft zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen.
Kein Wunder, denn bei der Arbeit verbringen die meisten Menschen einen bedeutenden Teil ihrer Lebenszeit. Zudem gibt es automatisch gemeinsame Themen, über die man sich austauschen kann. Laut der Sozialpsychologin Johanna Degen von der Universität Flensburg ist der Arbeitsplatz einer der wenigen Orte, an dem Menschen im Erwachsenenalter überhaupt noch neue Kontakte knüpfen.
Die Grafik einer nicht repräsentativen Umfrage zeigt, an welchen Orten Paare sich am häufigsten kennenlernen.
Laut einer nicht repräsentativen Umfrage lernen sich 18 Prozent der Paare bei der Arbeit kennen.© Statista
Dass sich Kolleginnen und Kollegen häufig anfreunden oder ineinander verlieben, hat Degen zufolge mit dem "Mere-Exposure-Effekt" zu tun. Demnach werden uns Menschen umso sympathischer, je mehr Zeit wir mit ihnen verbringen.

Freundschaften steigern die Produktivität

Wenn sich Arbeitskolleginnen und -kollegen gut verstehen, nützt das auch den Unternehmen. Wissenschaftler der University of Pennsylvania und der University of Minnesota haben herausgefunden, dass enge Freundschaften Mitarbeitende produktiver machen: Sie seien engagierter, kommunizieren besser miteinander und motivieren sich gegenseitig.
„Es gibt sehr viele gute Belege dafür, dass Freundschaft am Arbeitsplatz viele Vorteile mit sich bringt“, sagt die Arbeitspsychologin Ulrike Fasbender. In Freundschaften bauen Menschen Vertrauen auf, dadurch werde mehr Wissen ausgetauscht, die Mitarbeitenden würden kreativer und leisteten mehr. Wer Freunde im Job habe, sei außerdem generell zufriedener im Beruf, so Fasbender.

Die Arbeit macht einfach mehr Spaß.

Ulrike Fasbender, Arbeitspsychologin

Auch scheinen ein gemeinsamer Arbeitsplatz von Liebespaaren und ein stabiles Privatleben miteinander zusammenzuhängen. „Interessanterweise ist es so, dass die Scheidungsrate signifikant sinkt, wenn zwei Personen in einer Ehe im gleichen Unternehmen arbeiten“, erklärt Sozialpsychologin Johanna Degen.
Trotzdem sollte sich niemand unter Druck setzen, um unbedingt mit den Arbeitskollegen Freundschaft zu schließen. Das Bedürfnis nach Nähe sei unterschiedlich stark ausgeprägt, erklärt Ulrike Fasbender. Deshalb sei es auch völlig in Ordnung, im Job eher für sich zu bleiben.

Schwächen werden seltener offengelegt

Auch wenn bei älteren Generationen häufiger die Ansicht herrscht, Berufliches und Privates sollte strikt getrennt werden, ein neues Phänomen sind Freundschaften im Beruf nicht. „Die Arbeit war schon immer ein großer Ort, an dem sich Menschen treffen konnten – einfach, weil das zeitlich den meisten Raum einnimmt“, sagt die Soziologin Sabine Flick.
Die Art und Weise, wie Freundschaften am Arbeitsplatz geführt werden, kann sich der Sozialforscherin zufolge aber von Freundschaftsbeziehungen im rein privaten Umfeld unterscheiden.
So sei es im Umgang mit Arbeitskollegen oft schwieriger, eigene Schwächen zu zeigen, weil man sich damit angreifbar mache. Dieses Verhalten sei oft unbewusst, so Flick. Die Soziologin beobachtet eine andere Kultur der Selbstdarstellung. Dadurch entstehen am Arbeitsplatz häufiger eher „zurückhaltende Freundschaften“, sagt die Expertin.

Es gibt eine Tendenz zu einer Erzählung von mir selbst am Arbeitsplatz als eine souveräne, funktionierende, erfolgreiche Person.

Sabine Flick, Soziologin

Trotz vieler Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen können Freundschaft und Partnerschaft am Arbeitsplatz aber auch zu Konflikten führen. Gerade Liebesbeziehungen mit Kolleginnen und Kollegen bergen Risiken. In einer nicht repräsentativen Umfrage eines Bürobedarf-Herstellers gaben die Befragten an, dass knapp jede zweite Bürobeziehung nach einer gewissen Zeit wieder in die Brüche geht. Viele Beschäftigte machen sich demnach Sorgen darüber, dass eine Trennung Probleme im Arbeitsalltag verursachen würde.

Hierarchien erschweren Freundschaft

Schwierig kann es auch werden, wenn Menschen auf verschiedenen Hierarchiestufen stehen. Wenn ein Beziehungspartner dem anderen vorgesetzt ist oder befördert wird, müssen sich Paare häufig auf Gerüchte und Gerede einstellen, sagt Sozialpsychologin Johanna Degen. Was helfe: professionell bleiben und Privates und Job so gut wie möglich auseinanderhalten.
Auch bei Freundschaften im Job gilt ein Prinzip der sozialen Ähnlichkeit, so Sabine Flick. „Wir können sehen, dass Freundschaften insbesondere dann gut funktionieren, wen die Leute sich sozial vom Status her ähnlich sind“, sagt die Soziologin. Freundschaften zwischen Vorgesetzten und Untergebenen seien empirisch selten zu beobachten.
Wer mit Arbeitskollegen befreundet ist, kann auch in die Situation kommen, dass die Anforderungen an die berufliche und die private Beziehung kollidieren. Zum Beispiel dann, wenn eine befreundete Kollegin etwas Privates erzählen wolle, man aber eigentlich im Arbeitsstress sei, sagt Ulrike Fasbender. Dabei entstehe ein Zeitdilemma, so Flick: „Was mache ich jetzt? Bin ich jetzt ein guter Freund? Oder bin ich jetzt ein guter Mitarbeiter?“

Arbeitgeber sehen Beziehungen oft kritisch

In solchen Situationen sei Freundschaft auch nicht ausschließlich förderlich für die Produktivität, so Sabine Flick. Freundschaften zwischen Kollegen führten dazu, dass sich Menschen auch während der Arbeit über private Dinge austauschen. „Das sind auch häufig die Gründe, warum dann Unternehmen das nicht gerne sehen, so ähnlich wie sie auch nicht gerne sehen, dass Menschen verliebt sind bei der Arbeit“, sagt die Sozialforscherin.
Klar ist aber auch: Verhindern lassen sich freundschaftliche oder amouröse Beziehungen am Arbeitsplatz nicht. Und auch verbieten darf ein Unternehmen solche Beziehungen nicht. Denn das Liebesleben ist immer Privatsache – egal, welche Personen darin vorkommen. Deshalb gibt es auch keine Pflicht, den Arbeitgeber über eine Beziehung zu informieren.
Ausnahmen gibt es, wenn durch die Beziehung Vorteile oder Interessenskonflikte entstehen könnten – etwa bei einer Partnerschaft zwischen einer Vorgesetzten und einem Mitarbeiter. Wenn ein Partner über die Beförderung, Sonderzahlungen oder Boni für den anderen entscheiden kann, sollte die Beziehung öffentlich gemacht werden. Dann könnte es sinnvoll sein, dass einer der beiden Partner etwa in eine andere Abteilung wechselt.
kau
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