Liebe über den Tod hinaus
In einer bemerkenswerten Koproduktion haben die drei Dresdner Kunsthochschulen Christoph Willibald Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" im Kleinen Haus des Staatsschauspiels herausgebracht.
Am Ende bleibt trotz Lobgesang auf Amors Kraft die Frage doch im Raum, wer stärker ist, die Liebe oder der Tod.
Die Liebe nämlich erfährt in dieser Oper um den mythischen Sänger Orpheus, dessen Gesang Steine erweichen konnte, wilde Tiere zähmen und selbst die Götter umzustimmen vermochte, eine harte Probe.
Eurydike, die Frau des Orpheus stirbt jung und plötzlich. Die Klage des Orpheus bewegt die Götter dermaßen, dass Amor dem Orpheus eröffnet, er könne herabsteigen in das Reich der Toten und seine Geliebte heraufführen in das Leben. Nur umsehen darf er sich nicht nach ihr, so sehr sie auch klagt und an ihm zweifelt. Er sieht sich um, es ist vorbei. Für immer. Aber Orpheus klagt erneut, noch verzweifelter, will selber sterben: "Ach ich habe sie verloren ...", man muss kein Opernfan sein, um diese hochemotionale Arie zu kennen.
Und wieder haben die Götter ein Einsehen ... .
In einer höchst bemerkenswerten Koproduktion haben die drei Dresdner Kunsthochschulen Christoph Willibald Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" im Kleinen Haus des Staatsschauspiels herausgebracht.
Wir sehen herab auf das Drama. Wie im antiken Theater hat Ausstatterin Cleo Niemeyer von der Dresdner Hochschule für bildende Künste die Szene so tief als möglich nach unten verlegt und das Tanztheater von Thomas McManus zu Glucks Musik geschieht vor den Zuschauern auf den ansteigenden Sitzreihen. Vor der schwarzen Wand an der Rückseite der Bühne ist das Orchester leicht erhöht, rechts und links davon der Chor, alle Mitglieder schwarz gekleidet, so lösen sich Begrenzungen auf, der Klang kommt zu uns aus einer nicht gänzlich zu definierenden Tiefe. Vor den Sängern und Musikern das Spiel, die Protagonisten, Tänzerinnen und Tänzer. Mitunter verbinden sich Klang und Bewegung ganz körperlich, dann wieder gilt strenge Trennung zwischen dem oft waltenden oratorischen Stil der musikalischen Seite der Aufführung und dem mehr oder weniger tänzerisch abstrahierenden oder kommentierenden Anspruch des regieführenden Choreografen.
Von Beginn an wird auf höchstmögliche Klarheit und Strenge geachtet. Gedanken an Rituale des Abschieds, an Motive von Totentänzen, dürften nicht ganz unangemessen sein. Glucks temperamentvolle und so sonderbar beschwingte Ouvertüre ist gestrichen, dem klagenden Eingangschor ist eine Zuspielung vom Band vorangestellt. Der Dresdner Kammerchor singt Max Regers Trauermotette "O Tod, wie bist du bitter". Dazu, feierlich, gemessenen Schrittes betreten die Sängerinnen und Tänzer das Theater. Später, wenn der Figur des Amor die des Todes gegenübergestellt wird, bei Gluck kommt sie nicht vor, thematisch aber ist sie auf jeden Fall im Spiel, erschließt sich dieser ungewöhnliche Beginn.
Und dann wird mit den Mitteln der Musik und des Tanzes die bekannte Geschichte von Orpheus und Eurydike erzählt. Amor ist der Spielmeister und sein Spiel ist so grausam wie listenreich, denn der Weg ins Leben ist eine Prüfung und an die bekannte Bedingung gebunden, dass Orpheus sich nicht umsehen darf, dass er der Eurydike über sein unverständliches Verhalten standhalten kann.
Das alles ist dem Scheitern geweiht und alle noch so herzzerreißend schön besungene Not sollte den Zuschauer nicht darüber hinweg täuschen dass das Leben, zu dem die Liebe gehört, eine Abfolge von Endpunkten ist, deren permanente Nichtanerkennung zum Tod bei lebendigem Leibe führen kann.
Wer sich so tief in die Interpretation dieses Stoffes begibt bedarf der Mittel, die weit über das Wort hinaus gehen, Musik, Gesang und Tanz. Diese Disziplinen sind durch die Studierenden der Dresdner Hochschulen für Musik und Tanz hervorragend vertreten. Sie erfuhren im Prozess der Erarbeitung offensichtlich angemessene Anleitung und Begleitung durch den Dirigenten Franz Brochhagen, den Studienleiter und Chordirektor Michael Käppler und den regieführenden Choreografen Thomas McManus. So wie hier das Hochschulsinfonieorchester spielt kommt der Verdacht gar nicht auf, Glucks Musik könne spröde sein oder sich in Gleichförmigkeit erschöpfen. Hier waltet frischer Klang, die Tempi sind zügig, das Klangbild ist so farbreich wie präsent und plastisch. Der Chor mit seinen wenigen Aufgaben fügt sich da bestens ein. Bei den Solistinnen überrascht Julia Böhme in der am weitesten ausladenden Titelpartie klanglich, mehr noch im vernehmbaren Wissen um charaktervolle Gestaltung der Rolle. Ka-Eun Kim und Maria Perlt als Eurydike und Amor erfahren eine Aufwertung ihrer Partien durch die Einfügung je einer Arie, die Johann Christian Bach für eine Aufführung in Neapel eingefügt hatte.
Den Figuren der Oper sind Tänzerinnen und Tänzer zugeordnet, die Rolle des Todes bleibt dem Tanz vorbehalten. Auch sonst geht es nicht um Doppelungen, es geht um andere Darstellungsweisen innerer Vorgänge oder Emotionen, das gelingt Christof Pohl und Camilla Schmidt als Orpheus und Eurydike außerordentlich in ihren Soli. Hier wird neoklassisches Material mal sanfter, mal härter gebrochen, schnell wechselt der Tanz vom empfindsamen Nachzeichnen einer musikalischen Linie zur abstrakten Assoziation. So wird es möglich berührende Momente zu sehen, wenn der besungene Weg aus der Unterwelt zu einem schmerzvollen Tanzduett aus Erfahrungen einer unaufhaltsamen Entfremdung wird. Dass die Figur des Amor im Tanz auch an die Schlange im Paradies erinnert hat etliches für sich, ebenso wie deren Vereinigung mit dem Tod, den Zongwei Xu und Irene van Dijk überzeugend darstellen, dieweil Amors Macht nur noch knapp nach so viel Vergänglichkeitserfahrung gepriesen wird.
Zu den Tänzern mit klar definierten Zuordnungen in der Handlung kommen zwölf weitere Studierende der Palucca Schule als Freunde, Furien und Selige. Sie fügen sich immer wieder zu assoziativen Bildern, diese sind dann ganz stark, wenn bei Verzicht auf jedes dekorative Beiwerk Momente der Verletzlichkeit menschlicher Körper den musikalischen Verlauf dieses gelungenen Experiments der Dresdner Kunsthochschulen grundieren.
Die Liebe nämlich erfährt in dieser Oper um den mythischen Sänger Orpheus, dessen Gesang Steine erweichen konnte, wilde Tiere zähmen und selbst die Götter umzustimmen vermochte, eine harte Probe.
Eurydike, die Frau des Orpheus stirbt jung und plötzlich. Die Klage des Orpheus bewegt die Götter dermaßen, dass Amor dem Orpheus eröffnet, er könne herabsteigen in das Reich der Toten und seine Geliebte heraufführen in das Leben. Nur umsehen darf er sich nicht nach ihr, so sehr sie auch klagt und an ihm zweifelt. Er sieht sich um, es ist vorbei. Für immer. Aber Orpheus klagt erneut, noch verzweifelter, will selber sterben: "Ach ich habe sie verloren ...", man muss kein Opernfan sein, um diese hochemotionale Arie zu kennen.
Und wieder haben die Götter ein Einsehen ... .
In einer höchst bemerkenswerten Koproduktion haben die drei Dresdner Kunsthochschulen Christoph Willibald Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" im Kleinen Haus des Staatsschauspiels herausgebracht.
Wir sehen herab auf das Drama. Wie im antiken Theater hat Ausstatterin Cleo Niemeyer von der Dresdner Hochschule für bildende Künste die Szene so tief als möglich nach unten verlegt und das Tanztheater von Thomas McManus zu Glucks Musik geschieht vor den Zuschauern auf den ansteigenden Sitzreihen. Vor der schwarzen Wand an der Rückseite der Bühne ist das Orchester leicht erhöht, rechts und links davon der Chor, alle Mitglieder schwarz gekleidet, so lösen sich Begrenzungen auf, der Klang kommt zu uns aus einer nicht gänzlich zu definierenden Tiefe. Vor den Sängern und Musikern das Spiel, die Protagonisten, Tänzerinnen und Tänzer. Mitunter verbinden sich Klang und Bewegung ganz körperlich, dann wieder gilt strenge Trennung zwischen dem oft waltenden oratorischen Stil der musikalischen Seite der Aufführung und dem mehr oder weniger tänzerisch abstrahierenden oder kommentierenden Anspruch des regieführenden Choreografen.
Von Beginn an wird auf höchstmögliche Klarheit und Strenge geachtet. Gedanken an Rituale des Abschieds, an Motive von Totentänzen, dürften nicht ganz unangemessen sein. Glucks temperamentvolle und so sonderbar beschwingte Ouvertüre ist gestrichen, dem klagenden Eingangschor ist eine Zuspielung vom Band vorangestellt. Der Dresdner Kammerchor singt Max Regers Trauermotette "O Tod, wie bist du bitter". Dazu, feierlich, gemessenen Schrittes betreten die Sängerinnen und Tänzer das Theater. Später, wenn der Figur des Amor die des Todes gegenübergestellt wird, bei Gluck kommt sie nicht vor, thematisch aber ist sie auf jeden Fall im Spiel, erschließt sich dieser ungewöhnliche Beginn.
Und dann wird mit den Mitteln der Musik und des Tanzes die bekannte Geschichte von Orpheus und Eurydike erzählt. Amor ist der Spielmeister und sein Spiel ist so grausam wie listenreich, denn der Weg ins Leben ist eine Prüfung und an die bekannte Bedingung gebunden, dass Orpheus sich nicht umsehen darf, dass er der Eurydike über sein unverständliches Verhalten standhalten kann.
Das alles ist dem Scheitern geweiht und alle noch so herzzerreißend schön besungene Not sollte den Zuschauer nicht darüber hinweg täuschen dass das Leben, zu dem die Liebe gehört, eine Abfolge von Endpunkten ist, deren permanente Nichtanerkennung zum Tod bei lebendigem Leibe führen kann.
Wer sich so tief in die Interpretation dieses Stoffes begibt bedarf der Mittel, die weit über das Wort hinaus gehen, Musik, Gesang und Tanz. Diese Disziplinen sind durch die Studierenden der Dresdner Hochschulen für Musik und Tanz hervorragend vertreten. Sie erfuhren im Prozess der Erarbeitung offensichtlich angemessene Anleitung und Begleitung durch den Dirigenten Franz Brochhagen, den Studienleiter und Chordirektor Michael Käppler und den regieführenden Choreografen Thomas McManus. So wie hier das Hochschulsinfonieorchester spielt kommt der Verdacht gar nicht auf, Glucks Musik könne spröde sein oder sich in Gleichförmigkeit erschöpfen. Hier waltet frischer Klang, die Tempi sind zügig, das Klangbild ist so farbreich wie präsent und plastisch. Der Chor mit seinen wenigen Aufgaben fügt sich da bestens ein. Bei den Solistinnen überrascht Julia Böhme in der am weitesten ausladenden Titelpartie klanglich, mehr noch im vernehmbaren Wissen um charaktervolle Gestaltung der Rolle. Ka-Eun Kim und Maria Perlt als Eurydike und Amor erfahren eine Aufwertung ihrer Partien durch die Einfügung je einer Arie, die Johann Christian Bach für eine Aufführung in Neapel eingefügt hatte.
Den Figuren der Oper sind Tänzerinnen und Tänzer zugeordnet, die Rolle des Todes bleibt dem Tanz vorbehalten. Auch sonst geht es nicht um Doppelungen, es geht um andere Darstellungsweisen innerer Vorgänge oder Emotionen, das gelingt Christof Pohl und Camilla Schmidt als Orpheus und Eurydike außerordentlich in ihren Soli. Hier wird neoklassisches Material mal sanfter, mal härter gebrochen, schnell wechselt der Tanz vom empfindsamen Nachzeichnen einer musikalischen Linie zur abstrakten Assoziation. So wird es möglich berührende Momente zu sehen, wenn der besungene Weg aus der Unterwelt zu einem schmerzvollen Tanzduett aus Erfahrungen einer unaufhaltsamen Entfremdung wird. Dass die Figur des Amor im Tanz auch an die Schlange im Paradies erinnert hat etliches für sich, ebenso wie deren Vereinigung mit dem Tod, den Zongwei Xu und Irene van Dijk überzeugend darstellen, dieweil Amors Macht nur noch knapp nach so viel Vergänglichkeitserfahrung gepriesen wird.
Zu den Tänzern mit klar definierten Zuordnungen in der Handlung kommen zwölf weitere Studierende der Palucca Schule als Freunde, Furien und Selige. Sie fügen sich immer wieder zu assoziativen Bildern, diese sind dann ganz stark, wenn bei Verzicht auf jedes dekorative Beiwerk Momente der Verletzlichkeit menschlicher Körper den musikalischen Verlauf dieses gelungenen Experiments der Dresdner Kunsthochschulen grundieren.