Pianistin Olga Scheps

Auf Twitch in Konzertstimmung

35:59 Minuten
Die Pianistin Olga Scheps sitzt an einem Flügel.
Olga Scheps am Flügel: Klassik? Pop? Crossover? Egal. © Sony / Uwe Arens
Moderation: Marco Schreyl |
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Chilly Gonzales, Chopin oder Scooter - mit ihrem Repertoire erreicht die Pianistin Olga Scheps ein breites Publikum. Sie ist in großen Konzertsälen genauso wie auf Popfestivals zu Hause. Jetzt erobert sie auch noch die digitale Welt.
„Crossover“, also die Mischung aus zwei oder mehreren Musikstilen, verortet man meist in der heutigen Zeit. Wenn also die Konzertpianistin Olga Scheps die Hits des Techno-Musikers H.P. Baxxter und seiner Band Scooter als romantische Miniaturen einspielt, dann muss es sich wohl um „Crossover“ handeln. Oder?
„Im Grunde ist das klassische Musik und kein Crossover“, entgegnet die Pianistin. Bis heute könne sie nicht verstehen, dass, „dieses Album damals aus den Klassik-Charts rausgeflogen ist“.

Viele Komponisten haben Regeln gebrochen

Für die Songs von Scooter habe sie eigene Variationen und Arrangements entwickelt. Schon Mozart und Tschaikowsky hätten ähnlich gearbeitet, erzählt die Pianistin:
„Viele Komponisten, die ihre Epoche repräsentiert haben, haben sehr viele Regeln gebrochen. Wolfgang Amadeus Mozart hat die meisten Regeln gebrochen, die damals galten.“
Auch das erste Klavierkonzert von Peter Tschaikowsky bestehe aus vielen verschiedenen Melodien, die der Komponist aus Volksliedern und Volkstänzen übernommen habe. „Man könnte diese Musik genauso als Crossover bezeichnen“, sagt Scheps.
Gerade hat sie ihr neues Album „Family“ veröffentlicht, mit Stücken von Vivaldi und van Beethoven, aber auch von Randy Newman, Hans Zimmer und Chilly Gonzales. Zwischen dem kanadischen Musiker Gonzales und der Pianistin hat sich in den letzten Jahren eine musikalische Freundschaft entwickelt.

Parallelen zum Sport

Scheps, 1986 in Moskau geboren, kam zu Beginn der 1990er-Jahre nach Deutschland. Das Klavier war schon immer präsent, Mutter und Vater sind Pianisten, auch die ältere Schwester.
Olga Scheps spielte früh erste Konzerte, wurde mehrfach ausgezeichnet. Noch während der Schulzeit begann sie ihr Musikstudium, einer ihrer Förderer war Alfred Brendel.
Klavierspielen, das tägliche stundenlange Üben, funktioniere vor allem mit Motivation, habe auch viel mit Sport zu tun, meint sie: „Man muss in Form bleiben, da sind viele Parallelen.“ Vor allem die Schultern, Arme, Bauch und auch der Rücken würden beim Klavierspielen beansprucht.
Noch viel wichtiger aber sei die Liebe zur Musik. "Das ist die Grundvoraussetzung für einen Berufsmusiker, glaube ich. Ja, ohne Liebe funktioniert das überhaupt nicht. Wie wahrscheinlich bei jeder anderen Kunst auch.“
Und auch Spaß und Freude sind entscheidend Kriterien: „Ich höre immer wieder Geschichten von Leuten, die sagen: `Früher hatte ich Klavierunterricht, aber ich hatte dann keinen Spaß mehr, weil mein Klavierlehrer wollte, dass ich Stücke spiele, die ich überhaupt nicht mag.` Man soll immer nur das spielen, was man wirklich liebt. Das kann man dann wirklich schön rüberbringen.“

Künstler müssen nicht dauernd beschäftigt sein

Vor der Coronazeit spielte die Pianist fast täglich ein Konzert mit namenhaften Orchestern, überall auf der Welt. Der Stillstand der Kultur ist auch für sie eine bis dato unvorstellbare Situation.
Aber: „Ich möchte das nicht romantisieren, natürlich ist das eine Zeit, die für die meisten Künstler sehr schwierig war und ist. Aber natürlich kann eine Pause auch gut sein. Sie kann zu neuer Kreativität führen. Ich finde nicht, dass ein Künstler dauernd beschäftigt sein muss, jeden Monat ganz viele Konzerte geben muss.“
Schon vor Corona hatte sich Scheps auf dem Live-Streaming-Videoportal Twitch im Proberaum gezeigt, manchmal stundenlang. Bis zu tausend Leute schauen ihr dabei zu:
„Ich finde das schön. Ich teile gerne einfach die aktuellen Geschehnisse, mir macht das Spaß.“ Zudem habe die öffentliche Probe einen großen Vorteil: „Sobald ich für jemanden spiele, bin ich in Konzertstimmung.“
(ful)
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