Liebes-Dreieck unter Studenten
Schon sein erster Roman "Die Selbstmord-Schwestern" wurde von Sofia Copolla verfilmt, für "Middlesex" bekam er den Pulitzer-Preis. Jetzt liegt mit "Die Liebeshandlung" der dritte Roman des griechisch-stämmigen US-amerikanischen Schriftstellers Jeffrey Eugenides vor.
Mit diesem Roman lässt sich Eugenides bewusst und ganz ohne Ironie auf die Erzählmuster des viktorianischen Romans des 19. Jahrhunderts ein, um sie auf das späte 20. Jahrhundert zu übertragen. "Die Liebeshandlung" ist ein Liebes-Dreieck unter drei Studenten einer "Ivy-League"-Universität an der amerikanischen Ostküste Anfang der 1980er-Jahre. Es beginnt als Campus-Roman mit der College-Abschlussfeier 1982 von Madeleine, Leonard und Mitchell, die beide in Madeleine verliebt sind, liefert dann Rückblenden auf die Studienjahre der drei und endet ein Jahr später, nach ersten Enttäuschungen und ersten Irrwegen bei der Lebensplanung. Geschickt wechselt Eugenides immer wieder die Perspektive zwischen seinen drei Protagonisten und erzählt ein Ereignis gerne aus drei Blickwinkeln.
Wie eine Romanheldin bei Jane Austen, Henry James oder George Eliot stellt Eugenides seine Protagonistin Madeleine, ein kluges, wenn auch etwas naives Mädchen aus wohlhabendem Haus, vor die Liebeswahl zwischen zwei Bewerbern. Mitchell ist ein vergrübelter Kümmerer, der zwischen der Liebe zu Madeleine und der Liebe zu Gott schwankt (er studiert Religionswissenschaften). Der Biologie-Student Leonard ist brillant, gut aussehend, umdüstert und charismatisch. Natürlich entscheidet sich Madeleine für Leonard. Das stellt sich als Fehler heraus, denn Leonard erweist sich als manisch-depressiv und ist von Psychosen gefährdet, die Madeleine überfordern.
Vor allem aber liebt Madeleine die Literatur. Sie schreibt ihre Abschluss-Arbeit über "The Marriage Plot", also über die heiklen Rituale der Liebes- und Heiratswahl in viktorianischen Romanen, womit die Heroinen entweder ihr Glück machen oder ihr Leben zerstören konnten. Madeleines Thema wird am College als verstaubt belächelt, denn das College hat sich ganz der neuen französischen Theorie verschrieben. Es geht um Semiotik und Poststrukturalismus, um Lacan, Eco, Barthes und Derrida. Madeleine lässt sich zwar von Barthes' "Fragmenten einer Sprache der Liebe" betören, doch im Innersten liebt sie den viktorianischen Realismus.
Das trifft auch auf den Roman von Eugenides selbst zu. Mit seinem psychologischen Realismus fällt er hinter die raffinierteren Texturen und ironisch gebrochenen Erzähltechniken seiner früheren Bücher deutlich zurück. "Die Liebeshandlung" ist sehr konventionell erzählt, liest sich daher äußerst süffig und publikumsfreundlich.
Allen Einwänden zum Trotz gewährleisten die schiere sozialpsychologische Könnerschaft des Autors und seine erzählerische Kraft eine gut gebaute Liebesgeschichte. Willig folgt der Leser dem unglücklichen Liebhaber Mitchell auf seiner Grand Tour durch Europa und nach Indien auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung, bis ihm in Mutter Teresas Haus der Sterbenden in Kalkutta seine Grenzen der Empathie und Nächstenliebe aufgezeigt werden. Und glänzend gelingt Eugenides die Beschreibung von Leonards manischen Schüben und von Madeleines Hilflosigkeit angesichts eines Partners, dessen Wesenskern sich unter dem Ansturm der Krankheit bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Besprochen von Sigrid Löffler
Jeffrey Eugenides: Die Liebeshandlung
Aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
624 Seiten, 24,95 Euro
Wie eine Romanheldin bei Jane Austen, Henry James oder George Eliot stellt Eugenides seine Protagonistin Madeleine, ein kluges, wenn auch etwas naives Mädchen aus wohlhabendem Haus, vor die Liebeswahl zwischen zwei Bewerbern. Mitchell ist ein vergrübelter Kümmerer, der zwischen der Liebe zu Madeleine und der Liebe zu Gott schwankt (er studiert Religionswissenschaften). Der Biologie-Student Leonard ist brillant, gut aussehend, umdüstert und charismatisch. Natürlich entscheidet sich Madeleine für Leonard. Das stellt sich als Fehler heraus, denn Leonard erweist sich als manisch-depressiv und ist von Psychosen gefährdet, die Madeleine überfordern.
Vor allem aber liebt Madeleine die Literatur. Sie schreibt ihre Abschluss-Arbeit über "The Marriage Plot", also über die heiklen Rituale der Liebes- und Heiratswahl in viktorianischen Romanen, womit die Heroinen entweder ihr Glück machen oder ihr Leben zerstören konnten. Madeleines Thema wird am College als verstaubt belächelt, denn das College hat sich ganz der neuen französischen Theorie verschrieben. Es geht um Semiotik und Poststrukturalismus, um Lacan, Eco, Barthes und Derrida. Madeleine lässt sich zwar von Barthes' "Fragmenten einer Sprache der Liebe" betören, doch im Innersten liebt sie den viktorianischen Realismus.
Das trifft auch auf den Roman von Eugenides selbst zu. Mit seinem psychologischen Realismus fällt er hinter die raffinierteren Texturen und ironisch gebrochenen Erzähltechniken seiner früheren Bücher deutlich zurück. "Die Liebeshandlung" ist sehr konventionell erzählt, liest sich daher äußerst süffig und publikumsfreundlich.
Allen Einwänden zum Trotz gewährleisten die schiere sozialpsychologische Könnerschaft des Autors und seine erzählerische Kraft eine gut gebaute Liebesgeschichte. Willig folgt der Leser dem unglücklichen Liebhaber Mitchell auf seiner Grand Tour durch Europa und nach Indien auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung, bis ihm in Mutter Teresas Haus der Sterbenden in Kalkutta seine Grenzen der Empathie und Nächstenliebe aufgezeigt werden. Und glänzend gelingt Eugenides die Beschreibung von Leonards manischen Schüben und von Madeleines Hilflosigkeit angesichts eines Partners, dessen Wesenskern sich unter dem Ansturm der Krankheit bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Besprochen von Sigrid Löffler
Jeffrey Eugenides: Die Liebeshandlung
Aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
624 Seiten, 24,95 Euro