Liebeserklärung an die albanische Heimat
Ismail Kadaras Roman "Das verflixte Jahr" ist ein Kaleidoskop der Wirren albanischer Geschichte um eine Truppe sympathischer Freischärler und ihrer verrückten Abenteuer. Kadare packt sie in ein einziges "verflixtes Jahr" und verbindet Realismus und Tragikomödie zu einer Liebeserklärung an seine albanische Heimat.
Mag sein, dass das Warten auf den Nobelpreis dem Schreiben nicht gut tut. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer den neuen Roman "Das verflixte Jahr" des albanischen Schriftstellers Ismail Kadare liest. Ismail Kadare, Jahrgang 1936, gilt seit Jahren als Kandidat für den Literaturnobelpreis und lässt bei öffentlichen Auftritten gern durchblicken, dass er diese Ehrung auch verdient. Das Stolze und Repräsentative merkt man auch dem Buch an. Der Schweizer Ammann-Verlag, der Kadares Gesamtwerk neu herausgibt, schreibt im Klappentext, der Roman sei eine Liebeserklärung an seine Heimat. Das stimmt. Viel mehr aber auch nicht.
Kadares Grundidee für den Roman klingt interessant. Er hat die Wirren der albanischen Geschichte, die Besetzungen, Kriege, Schachereien und Freiheitskämpfe von Jahrhunderten in das "verflixtes Jahr" 1913 gelegt. Die Unabhängigkeit ist wenige Monate alt, da wird schon ein deutscher Prinz als König eingesetzt - und löst bei Holländern, Türken, Österreichern, Franzosen, Bulgaren und Montenegrinern ein gewaltiges Tohuwabohu aus. "Gott, was für ein wüstes Durcheinander! Kaum aus der Taufe gehoben, war der albanische Staat schon ein einziges Tollhaus." Was eine Truppe Freischärler nicht davon abhält, sich ins Getümmel zu stürzen: Anführer Shestan Verdha, der singende Doska Mokrari und der lange Alush Gjati kämpfen gegen alles, was sich bewegt. Eine Schlacht folgt der nächsten, kaum ist das Blut auf den Klingen trocken, müssen die Säbel wieder gezogen werden. Köpfe rollen, Babys schreien, Leiber verkohlen.
Warum das Ganze, bleibt undurchsichtig, soll es auch, denn Kadare entwirft Geschichte als absurdes, kafkaeskes Szenario, in dem sich jeder nimmt, was er kriegen kann. Albanien ist ein geschändetes Land, und damit das der Leser auch ganz buchstäblich versteht, führt der Autor noch die maltesische Kurtisane Sara Stringa ein, vor deren Salon die Offiziere Schlange stehen und sich die Wartezeit mit Kalauern vertreiben: Habt ihr schon gehört? Wenn der Deutsche König bleiben will, muss er sich beschneiden lassen.
Die Unübersichtlichkeit, das Tohuwabohu, das Kadare mit penetrantem Augenzwinkern ausstellt, wird dem Buch zum Verhängnis. Es sperrt den Leser, der mit den Feinheiten der albanischen Geschichte nicht vertraut ist, nicht nur aus. Trotz Kadares' Beschreibungskunst wird es auch schnell langweilig, weil dem Buch der Konfliktstoff fehlt. Kadare erzählt nicht, sondern illustriert farbenfroh sein Bescheidwissen. Die Hauptfiguren sind naive, grob gezeichnete Gemüter ohne Tiefenschärfe und Tragik. Die Schritte der Offiziere und Konsuln knarzen zwar recht plastisch auf dem höfischen Parkett, ihre gesprochenen Sätze aber klingen wie aus dem Geschichtsbuch. "Das verflixte Jahr" will wohl eine Tragikomödie sein, ist aber trotz vieler rollender Köpfe ein süßlicher Schwank geworden, dem die mythische Kraft der Romane "Der Palast der Träume" und "Der General der toten Armee" fehlt, für die Ismail Kadare zurecht berühmt geworden ist.
Ismail Kadare:Das verflixte Jahr. Aus dem Albanischen übersetzt und mit einem Glossar versehen von Joachim Röhm.
Ammann Verlag,
Zürich 2005.
190 Seiten, 17,90 Euro.
Kadares Grundidee für den Roman klingt interessant. Er hat die Wirren der albanischen Geschichte, die Besetzungen, Kriege, Schachereien und Freiheitskämpfe von Jahrhunderten in das "verflixtes Jahr" 1913 gelegt. Die Unabhängigkeit ist wenige Monate alt, da wird schon ein deutscher Prinz als König eingesetzt - und löst bei Holländern, Türken, Österreichern, Franzosen, Bulgaren und Montenegrinern ein gewaltiges Tohuwabohu aus. "Gott, was für ein wüstes Durcheinander! Kaum aus der Taufe gehoben, war der albanische Staat schon ein einziges Tollhaus." Was eine Truppe Freischärler nicht davon abhält, sich ins Getümmel zu stürzen: Anführer Shestan Verdha, der singende Doska Mokrari und der lange Alush Gjati kämpfen gegen alles, was sich bewegt. Eine Schlacht folgt der nächsten, kaum ist das Blut auf den Klingen trocken, müssen die Säbel wieder gezogen werden. Köpfe rollen, Babys schreien, Leiber verkohlen.
Warum das Ganze, bleibt undurchsichtig, soll es auch, denn Kadare entwirft Geschichte als absurdes, kafkaeskes Szenario, in dem sich jeder nimmt, was er kriegen kann. Albanien ist ein geschändetes Land, und damit das der Leser auch ganz buchstäblich versteht, führt der Autor noch die maltesische Kurtisane Sara Stringa ein, vor deren Salon die Offiziere Schlange stehen und sich die Wartezeit mit Kalauern vertreiben: Habt ihr schon gehört? Wenn der Deutsche König bleiben will, muss er sich beschneiden lassen.
Die Unübersichtlichkeit, das Tohuwabohu, das Kadare mit penetrantem Augenzwinkern ausstellt, wird dem Buch zum Verhängnis. Es sperrt den Leser, der mit den Feinheiten der albanischen Geschichte nicht vertraut ist, nicht nur aus. Trotz Kadares' Beschreibungskunst wird es auch schnell langweilig, weil dem Buch der Konfliktstoff fehlt. Kadare erzählt nicht, sondern illustriert farbenfroh sein Bescheidwissen. Die Hauptfiguren sind naive, grob gezeichnete Gemüter ohne Tiefenschärfe und Tragik. Die Schritte der Offiziere und Konsuln knarzen zwar recht plastisch auf dem höfischen Parkett, ihre gesprochenen Sätze aber klingen wie aus dem Geschichtsbuch. "Das verflixte Jahr" will wohl eine Tragikomödie sein, ist aber trotz vieler rollender Köpfe ein süßlicher Schwank geworden, dem die mythische Kraft der Romane "Der Palast der Träume" und "Der General der toten Armee" fehlt, für die Ismail Kadare zurecht berühmt geworden ist.
Ismail Kadare:Das verflixte Jahr. Aus dem Albanischen übersetzt und mit einem Glossar versehen von Joachim Röhm.
Ammann Verlag,
Zürich 2005.
190 Seiten, 17,90 Euro.