Liebeserklärung ans Lesen
Der Franzose Charles Dantzig hat sein neues Buch mit der rhetorischen Frage "Warum lesen" betitelt. Unterhaltsam und leicht verständlich verteidigt er darin eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen und macht so Werbung für die Literatur als ein Schlüssel zur Welt.
Nur wer liest, lebt richtig: Der französische Autor hält ein Plädoyer für die schönste Sache der Welt. Allerdings: "Nach dem Sex ist Lesen nicht ganz so gut".
Man kann seine Zeit natürlich auch mit anderen Dingen als Lesen verbringen, "man muss sich einmal klarmachen, dass es möglich ist, an der französischen Börse hoch im Kurs zu stehen, ohne jemals in seinem Leben etwas gelesen zu haben". Deswegen muss man die mächtigen Politikerinnen und Finanzmanager ganz besonders schätzen, die lesen.
Sie gehören zu denen, die leidenschaftlich danach suchen, die Welt zu verstehen, ohne dass sich dieses Wissen nutzbar messen ließe. Sie sind Liebhaber, denn jeder entschiedene Leser ist ein Liebender. Daran ändern auch all die negativen Konnotationen nicht: "Wer sich mit Literatur beschäftigt, ist eine Leseratte oder ein Bücherwurm, wer sich nicht kurzzufassen versteht, erzählt Romane".
Die amüsante und kluge Liebeserklärung des französischen Autors gilt allein der Lektüre von Literatur, also nicht der von Ratgebern oder historischen Abhandlungen, politischen Programmen oder "Anleitungen zum Bridge-Spielen". Er stellt die entscheidenden Welt-Fragen aus der Sicht des Lesers sogenannter Belletristik: Warum liest man: um der Titel willen etwa oder um zu masturbieren? Wo liest man: egal, Hauptsache, dass man es tut? Was soll man lesen: alles, was man mag? Wie liest man richtig: "ohne Rücksicht auf den Schriftsteller"?
Charles Dantzig gibt keine Lesetipps, er erzählt in 200 kurzen und Kürzest-Kapiteln von Buchhandlungen und Schriftstellern, Lektüren und lesenden Einzelgängern, von Kindheits-Erinnerungen, Träumen und Vorschlägen: Wenn sich jeder Leser etwa einen Satz aus dem Werk eines Schriftstellers merken würde, wäre der Schriftsteller gerettet. Er gibt darüber hinaus entscheidende Ratschläge fürs Leben: "Die einzige Frage, die man sich in Hinblick auf einen Chef stellen sollte, lautet: Würde er die Bibliothek von Alexandria anzünden? Erscheint einem dieser Gedanke nicht plausibel, ist er gutmütig, und es besteht kein Grund zur Sorge." Und er räumt mit Vorurteilen auf.
Dass Lesen etwa an sich moralisch gut sei oder (wie Kant behauptete) der Gesundheit diene oder den Charakter bessere. "Je mehr ich lese, desto weniger habe ich das Gefühl, ein zivilisierter Mensch zu sein."
Es gibt auch Bilder in diesem Band; die kamen der Leserin allerdings überflüssig vor, weil sie entweder zeigen, was der Autor beschreibt oder weil sie nur behaupten, wovon er überzeugt ist: dass etwa das Gesicht des gealterten Pasolini besser aussehe als das des alten John Wayne. Dantzig schreibt: "Gesichter sind die einzigen realistischen Bücher." Gerade deswegen sollte man sie aufmerksam lesen und nicht in ihnen sehen, was man eh schon zu wissen meint.
Besprochen von Manuela Reichart
Charles Dantzig: Wozu Lesen?
Aus dem Französischen von Sabine Schwenk
Steidl Verlag, Göttingen, 2011
207 Seiten, 18,00 Euro
Man kann seine Zeit natürlich auch mit anderen Dingen als Lesen verbringen, "man muss sich einmal klarmachen, dass es möglich ist, an der französischen Börse hoch im Kurs zu stehen, ohne jemals in seinem Leben etwas gelesen zu haben". Deswegen muss man die mächtigen Politikerinnen und Finanzmanager ganz besonders schätzen, die lesen.
Sie gehören zu denen, die leidenschaftlich danach suchen, die Welt zu verstehen, ohne dass sich dieses Wissen nutzbar messen ließe. Sie sind Liebhaber, denn jeder entschiedene Leser ist ein Liebender. Daran ändern auch all die negativen Konnotationen nicht: "Wer sich mit Literatur beschäftigt, ist eine Leseratte oder ein Bücherwurm, wer sich nicht kurzzufassen versteht, erzählt Romane".
Die amüsante und kluge Liebeserklärung des französischen Autors gilt allein der Lektüre von Literatur, also nicht der von Ratgebern oder historischen Abhandlungen, politischen Programmen oder "Anleitungen zum Bridge-Spielen". Er stellt die entscheidenden Welt-Fragen aus der Sicht des Lesers sogenannter Belletristik: Warum liest man: um der Titel willen etwa oder um zu masturbieren? Wo liest man: egal, Hauptsache, dass man es tut? Was soll man lesen: alles, was man mag? Wie liest man richtig: "ohne Rücksicht auf den Schriftsteller"?
Charles Dantzig gibt keine Lesetipps, er erzählt in 200 kurzen und Kürzest-Kapiteln von Buchhandlungen und Schriftstellern, Lektüren und lesenden Einzelgängern, von Kindheits-Erinnerungen, Träumen und Vorschlägen: Wenn sich jeder Leser etwa einen Satz aus dem Werk eines Schriftstellers merken würde, wäre der Schriftsteller gerettet. Er gibt darüber hinaus entscheidende Ratschläge fürs Leben: "Die einzige Frage, die man sich in Hinblick auf einen Chef stellen sollte, lautet: Würde er die Bibliothek von Alexandria anzünden? Erscheint einem dieser Gedanke nicht plausibel, ist er gutmütig, und es besteht kein Grund zur Sorge." Und er räumt mit Vorurteilen auf.
Dass Lesen etwa an sich moralisch gut sei oder (wie Kant behauptete) der Gesundheit diene oder den Charakter bessere. "Je mehr ich lese, desto weniger habe ich das Gefühl, ein zivilisierter Mensch zu sein."
Es gibt auch Bilder in diesem Band; die kamen der Leserin allerdings überflüssig vor, weil sie entweder zeigen, was der Autor beschreibt oder weil sie nur behaupten, wovon er überzeugt ist: dass etwa das Gesicht des gealterten Pasolini besser aussehe als das des alten John Wayne. Dantzig schreibt: "Gesichter sind die einzigen realistischen Bücher." Gerade deswegen sollte man sie aufmerksam lesen und nicht in ihnen sehen, was man eh schon zu wissen meint.
Besprochen von Manuela Reichart
Charles Dantzig: Wozu Lesen?
Aus dem Französischen von Sabine Schwenk
Steidl Verlag, Göttingen, 2011
207 Seiten, 18,00 Euro