Liebestraum eines Emporkömmlings

Von Alexander Kohlmann |
Markus Heinzelmann ist Regisseur und seit 2004 Geschäftsführer am Theaterhaus Jena: Er inszeniert vorwiegend zeitgenössische Dramatik. Jetzt hat er gemeinsam mit Kleist-Förderpreisträgerin Rebekka Kricheldorf den Roman "Der große Gatsby" auf die Bühne gebracht.
"Gatsby", steht in riesigen, im blauen Licht verführerisch funkelnden Buchstaben, die an ein altes Großstadthotel erinnern, auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses. Darunter liegt ein weißer, drehbarer Tortenboden, aus dem an diesem Abend tatsächlich eine pinkfarbene Riesentorte wächst, - Bühne: Gregor Wickert. Und wenn dann im Halbdunkel Samuel Weiss kurz und geheimnisvoll zwischen den Buchstaben zu sehen ist, ahnt man, was dieser Abend hätte werden können. In diesem verschnörkelten Riesentheater von 1900, dass mit all seinem Pomp und Kitsch alleine schon eine großartige Kulisse für das Gatsby-Anwesen abgegeben hätte.

Die Neubearbeitung von Kleist-Förderpreisträgerin Rebekka Kricheldorf bleibt Fitzgeralds Vorlage vor allem in den Dialogen treu. Dabei fallen fast alle der, an Edward Hopper erinnernden, ausdrucksstarken Bilder, wie die Ascheberge der Vorstadt, über denen zwei riesige Augen einer verfallenen Werbetafel fast surrealistisch schweben, erst einmal weg, was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Denn eine Inszenierung hätte die Möglichkeit, neue Bilder zu bauen und so den Geist des Textes mit den Mitteln der Bühne zum Leben zu erwecken.

Doch in Hamburg werden nahezu alle Möglichkeiten verschenkt. Der Abend entwickelt sich in der Regie von Markus Heinzelmann zu einer äußerst oberflächlichen Nacherzählung der Geschichte, die von einem vordergründigen Gag zum nächsten schwankt und nahezu fahrlässig alle Möglichkeiten verschenkt, mit denen man sich an diesem Ort dieser Vorlage hätte näheren können. Denn in einer Stadt wie Hamburg, wo die High Society zu Hause ist, wo millionenschwere Erben in ihren Porsches die Alster umkreisen, hätte man mit dem Gatsby-Text über die Oberflächlichkeit der Reichen und den Liebestraum eines Emporkömmlings den Finger in eine offene Wunde legen können.

Wenn der durch Stefan Haschke personifizierte Icherzähler der Vorlage das mutmaßlich wohlhabende Publikum fragt, wie viele Ehefrauen denn mehr verdienen würden als der Gatte neben ihnen und um ein Handzeichen bittet, herrscht für einen Moment tatsächlich betretenes Schweigen und man ahnt, welche Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Stoff an diesem Ort entfalten könnte.

Stattdessen wird Gatsby von Samuel Weiss als neureicher Proll gegeben, der an den jungen Bernd Eichinger erinnert, der weder ein Geheimnis besitzt, noch sich irgendwie von der oberflächlichen Welt, die ihn umgibt, hervorhebt. Kein bisschen versteht man die wahnhaft-mysteriöse Liebe zur Projektionsfigur Daisy (Katja Danowski), der ebenso als prolliger Marilyn-Monroe-Verschnitt jedes Mysterium abgeht. Ein Abend ohne Anliegen, fernab jeder intellektuellen Herausforderung für ein Publikum, dass sich ohne störenden Gegenwartsbezug bespaßen lassen will. Ganz so wie eine Gatsby-Party.
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