Liebevoll Abstand halten
Hass, grenzenlose Wut, der Wunsch wegzulaufen. Wer einen depressiven Partner hat, gerät oft mit in den Sog der Krankheit. Dieses Buch klärt auf und zeigt viel Verständnis für die Angehörigen von Betroffenen.
"Sie wirkte wie ein Zombie. Vollkommen unansprechbar. Alles glitt an ihr vorüber", beschreibt ein Mann seine depressive Ehefrau und gesteht, so wütend geworden zu sein, dass er "mit bloßen Händen die Täfelung von der Wand riss." Aggression, Hilflosigkeit, Schuldgefühle, Trauer, Einsamkeit, Scham und Angst sind die typischen Gefühle, die Angehörige von depressiven Menschen selbst erleben.
Das Leben gerät eben nicht für den Kranken aus den Fugen, sondern auch für seine Familie und Freunde. Mehr noch, die Gefahr als Angehöriger selbst depressiv zu werden, ist doppelt so hoch, schreibt Huub Buijssen in seinem Ratgeber "Depression. Helfen und sich nicht verlieren". Es ist das zweite Buch, das der niederländische Psychologe im Beltz Verlag veröffentlicht. Und wie schon sein erstes Buch - über Demenz - beweist: Huub Buijssen hat ein Gespür für die wichtigen Themen.
In einer Mischung aus Fachbuch und O-Ton-Kollage will er dieses Mal den Blick für die Situation der Angehörigen von Depressiven öffnen. Was angesichts der aktuellen Zahlen - allein in Deutschland leiden vier Millionen an dieser Krankheit – mehr als richtig ist. Viele von ihnen sind verheiratet, haben Kinder, sind eingebunden in einen Freundes- und Bekanntenkreis. Genau für sie, die den Kranken nahestehen, ist dieses Buch geschrieben. Der Niederländer will sie in die Lage versetzen, die Krankheit zu erkennen, Hilfe zu geben und doch Abstand zu wahren, um nicht selbst unter der Last der mitunter schweren Krankheit zusammenzubrechen.
Ein großer Teil des Buches befasst sich zunächst mit dem Krankheitsbild und den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Leicht verständlich beschreibt Huub Buijssen die möglichen Symptome, nennt Ansprechpartner, erläutert die Vor- und Nachteile von Antidepressiva und ruft immer wieder dazu auf, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In den letzten beiden der insgesamt sechs Kapitel wendet er sich den Gefühlen und Nöten der Angehörigen selbst zu: Ohnmacht, Verzweiflung, Kummer. Denn ist der Partner depressiv, ist nichts mehr so, wie es war. "Alle Kraft war dahin", erinnert sich ein Patient an die schlimmsten Tage seiner eigenen Erkrankung. "Die Machtlosigkeit ließ mich in die Abhängigkeit eines Kleinkindes zurückfallen."
Huub Buijssen lässt kein Gefühl aus und ist es noch so nieder. Hass, grenzenlose Wut, der Wunsch wegzulaufen. All dem wird Raum gegeben in diesem Ratgeber und - das ist dessen großes Plus - ohne zu verurteilen. Allein das dürfte schon viele Menschen enorm entlasten. Dabei fordert er sie auf, liebevoll Abstand zu halten. Denn nur so könne man den Erkrankten dauerhaft wirksam unterstützen. Das liest sich einfacher als es ist: Oft sind die Verstrickungen zwischen Paaren schon so tief, dass der Schritt zurück besonders schwer fällt.
Dennoch hat Huub Buijssen keinen simpeln Glückzurück-Ratgeber geschrieben, dazu nimmt er die Angehörigen selbst zu sehr in die Pflicht. Laut Buijssen Liste soll man: Kontakt halten, keine abschätzigen Urteile abgeben, billigen Ratschläge vermeiden, an einem geregelten Tagesablauf festhalten, den Alkoholkonsum einschränken. Dass vieles davon schwer umzusetzen ist und nicht immer gelingt, daran lässt Buijssen keinen Zweifel. Doch er macht Mut und zeigt mit den zahlreichen eingestreuten Zitaten, dass man nicht allein ist. Damit nimmt er der Krankheit ihren schlimmste Stachel: das Gefühl, in sich selbst eingesperrt zu sein und der damit einhergehenden Isolation.
Besprochen von Kim Kindermann
Huub Buijssen: Depression. Helfen und sich nicht verlieren. Ein Ratgeber für Freunde und Familie.
Übersetzt von Eva Grambow
Beltz Verlag, Landsberg 2011
187 Seiten, 17,95 Euro
Das Leben gerät eben nicht für den Kranken aus den Fugen, sondern auch für seine Familie und Freunde. Mehr noch, die Gefahr als Angehöriger selbst depressiv zu werden, ist doppelt so hoch, schreibt Huub Buijssen in seinem Ratgeber "Depression. Helfen und sich nicht verlieren". Es ist das zweite Buch, das der niederländische Psychologe im Beltz Verlag veröffentlicht. Und wie schon sein erstes Buch - über Demenz - beweist: Huub Buijssen hat ein Gespür für die wichtigen Themen.
In einer Mischung aus Fachbuch und O-Ton-Kollage will er dieses Mal den Blick für die Situation der Angehörigen von Depressiven öffnen. Was angesichts der aktuellen Zahlen - allein in Deutschland leiden vier Millionen an dieser Krankheit – mehr als richtig ist. Viele von ihnen sind verheiratet, haben Kinder, sind eingebunden in einen Freundes- und Bekanntenkreis. Genau für sie, die den Kranken nahestehen, ist dieses Buch geschrieben. Der Niederländer will sie in die Lage versetzen, die Krankheit zu erkennen, Hilfe zu geben und doch Abstand zu wahren, um nicht selbst unter der Last der mitunter schweren Krankheit zusammenzubrechen.
Ein großer Teil des Buches befasst sich zunächst mit dem Krankheitsbild und den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Leicht verständlich beschreibt Huub Buijssen die möglichen Symptome, nennt Ansprechpartner, erläutert die Vor- und Nachteile von Antidepressiva und ruft immer wieder dazu auf, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In den letzten beiden der insgesamt sechs Kapitel wendet er sich den Gefühlen und Nöten der Angehörigen selbst zu: Ohnmacht, Verzweiflung, Kummer. Denn ist der Partner depressiv, ist nichts mehr so, wie es war. "Alle Kraft war dahin", erinnert sich ein Patient an die schlimmsten Tage seiner eigenen Erkrankung. "Die Machtlosigkeit ließ mich in die Abhängigkeit eines Kleinkindes zurückfallen."
Huub Buijssen lässt kein Gefühl aus und ist es noch so nieder. Hass, grenzenlose Wut, der Wunsch wegzulaufen. All dem wird Raum gegeben in diesem Ratgeber und - das ist dessen großes Plus - ohne zu verurteilen. Allein das dürfte schon viele Menschen enorm entlasten. Dabei fordert er sie auf, liebevoll Abstand zu halten. Denn nur so könne man den Erkrankten dauerhaft wirksam unterstützen. Das liest sich einfacher als es ist: Oft sind die Verstrickungen zwischen Paaren schon so tief, dass der Schritt zurück besonders schwer fällt.
Dennoch hat Huub Buijssen keinen simpeln Glückzurück-Ratgeber geschrieben, dazu nimmt er die Angehörigen selbst zu sehr in die Pflicht. Laut Buijssen Liste soll man: Kontakt halten, keine abschätzigen Urteile abgeben, billigen Ratschläge vermeiden, an einem geregelten Tagesablauf festhalten, den Alkoholkonsum einschränken. Dass vieles davon schwer umzusetzen ist und nicht immer gelingt, daran lässt Buijssen keinen Zweifel. Doch er macht Mut und zeigt mit den zahlreichen eingestreuten Zitaten, dass man nicht allein ist. Damit nimmt er der Krankheit ihren schlimmste Stachel: das Gefühl, in sich selbst eingesperrt zu sein und der damit einhergehenden Isolation.
Besprochen von Kim Kindermann
Huub Buijssen: Depression. Helfen und sich nicht verlieren. Ein Ratgeber für Freunde und Familie.
Übersetzt von Eva Grambow
Beltz Verlag, Landsberg 2011
187 Seiten, 17,95 Euro