Lieblingstag Halloween
Der zehnjährige August hat von Geburt an ein deformiertes Gesicht, ist oft operiert worden und noch nie zur Schule gegangen. Jetzt soll er in die fünfte Klasse kommen. Wie wird dieses hässliche Kind - dieser besondere Junge - damit fertig werden, angegafft und gemobbt zu werden?
Die New Yorkerin Raquel J. Palcio gestaltete als Art Direktorin zwanzig Jahre lang Buchcover für die Romane anderer Autoren. Bis sie eines Tages vor einem Eisladen ein ganz besonderes Kind traf. Ein Kind mit dem "Treacher-Collins-Syndrom", einem Gendefekt, der zur Folge hat, dass das Gesicht des Betroffenen sehr entstellt ist. Der Moment für ein eigenes Buch war gekommen: "Wunder" ist Raquel Palacios erster Jugendroman.
Der zehnjährige August hat von Geburt an ein deformiertes Gesicht, ist oft operiert worden und noch nie zur Schule gegangen. Jetzt soll er in die fünfte Klasse kommen, und das ist eine riesengroße Herausforderung. Er ist es gewöhnt, angestarrt und gemieden zu werden, er weiß auch, dass die meisten Menschen nicht gemein sind, sondern nur verunsichert durch sein Aussehen. Dabei möchte er ganz einfach nur normal sein!
Wenn August in dem Jahr, von dem "Wunder" erzählt, nach vielen hässlichen wie guten Erfahrungen doch Freunde und sogar Bewunderer findet, dann hat das viele Gründe: Sein liebevolles Elternhaus, seinen Mut und seinen Witz, seine Klugheit und Großzügigkeit. August ist in jeder Hinsicht ein besonderer Junge, und seine größte Stärke ist seine Sensibilität.
Dieser Roman ist berührend, auch darum, weil August seine Geschichte selbst erzählt. In einfachen, knappen Sätzen, unkompliziert und gerade heraus berichtet er von einem Leben, das er am liebsten hinter einer Maske verbringen würde. Vom angegafft- und gemobbt werden. Doch jedes Kapitel endet auch mit einer aufmunternden oder überraschenden Wendung. Nach etwa 100 Seiten übernimmt plötzlich Via, Augusts Schwester, das Wort, später Mitschüler und Freunde. Und da wird klar, wie schwer Augusts Hässlichkeit – ein milder Ausdruck – nicht nur für ihn selbst, sondern für alle Beteiligten ist.
Literarisch gesehen betritt Raquel J. Palacio kein Neuland. Das Hässliche begegnet uns in vieler Gestalt: Als ET oder buckliger Glöckner, als Märchen- oder Science-Fiction-Monster. Häufig sind diese Figuren nicht böse, sondern gut und können von ihrer Hässlichkeit erlöst werden. Aber August wird niemals von seinem Gesicht befreit. Das ist absolut realistisch und tragisch. Aber nicht nur bedrückend, weil "Wunder" voller Witz ist und Charme, voll echter Spannung und Freundlichkeit.
Wunderbar auch wie die Autorin Gefühle entdeckt! Nicht indem August seine eigenen Emotionen schildert. Sondern indem er den Schreck, die Angst, das Mitleid anderer an einem Blick, einem falschen Lachen wahrnimmt und seine trockenen Kommentare dazu macht. Seine Einsamkeit, seine Wut, seinen Schmerz zeigt er kaum, Pathos erlaubt er sich nur in fröhlichen Momenten!
Kinder- und Jugendbücher erzählen immer öfter von Tabuthemen, von Krankheit und Tod zum Beispiel. Sie sparen auch drastische Details nicht aus. Raquel J. Palacios "Wunder" ist ein literarisches Ereignis, ähnlich wie Sally Nicholls’ "Wie man unsterblich wird". Weil es ein Kind in einer absoluten Ausnahmesituation schildert, die unabänderbar ist, aber auch viele Kräfte freisetzt – in August, seinen Eltern, seinen Freunden und auch in seinen Lesern. "Wunder" macht Mut und Hoffnung auf einen freundlicheren Umgang mit Außenseitern jeder Art.
"Kleiner Mann" wird August am Schluss liebevoll von vielen genannt, aber eigentlich wissen alle, dass er der Größte ist. Es wäre spannend zu erfahren, wie es mit August weitergeht, wenn er 15 Jahre alt ist und sich zum ersten Mal verliebt!
Besprochen von Sylvia Schwab
Raquel J. Palacio: Wunder
Aus dem Englischen von André Mumot
Carl Hanser Verlag, München 2013
381 Seiten, 16,90 Euro, ab 10 Jahren
Der zehnjährige August hat von Geburt an ein deformiertes Gesicht, ist oft operiert worden und noch nie zur Schule gegangen. Jetzt soll er in die fünfte Klasse kommen, und das ist eine riesengroße Herausforderung. Er ist es gewöhnt, angestarrt und gemieden zu werden, er weiß auch, dass die meisten Menschen nicht gemein sind, sondern nur verunsichert durch sein Aussehen. Dabei möchte er ganz einfach nur normal sein!
Wenn August in dem Jahr, von dem "Wunder" erzählt, nach vielen hässlichen wie guten Erfahrungen doch Freunde und sogar Bewunderer findet, dann hat das viele Gründe: Sein liebevolles Elternhaus, seinen Mut und seinen Witz, seine Klugheit und Großzügigkeit. August ist in jeder Hinsicht ein besonderer Junge, und seine größte Stärke ist seine Sensibilität.
Dieser Roman ist berührend, auch darum, weil August seine Geschichte selbst erzählt. In einfachen, knappen Sätzen, unkompliziert und gerade heraus berichtet er von einem Leben, das er am liebsten hinter einer Maske verbringen würde. Vom angegafft- und gemobbt werden. Doch jedes Kapitel endet auch mit einer aufmunternden oder überraschenden Wendung. Nach etwa 100 Seiten übernimmt plötzlich Via, Augusts Schwester, das Wort, später Mitschüler und Freunde. Und da wird klar, wie schwer Augusts Hässlichkeit – ein milder Ausdruck – nicht nur für ihn selbst, sondern für alle Beteiligten ist.
Literarisch gesehen betritt Raquel J. Palacio kein Neuland. Das Hässliche begegnet uns in vieler Gestalt: Als ET oder buckliger Glöckner, als Märchen- oder Science-Fiction-Monster. Häufig sind diese Figuren nicht böse, sondern gut und können von ihrer Hässlichkeit erlöst werden. Aber August wird niemals von seinem Gesicht befreit. Das ist absolut realistisch und tragisch. Aber nicht nur bedrückend, weil "Wunder" voller Witz ist und Charme, voll echter Spannung und Freundlichkeit.
Wunderbar auch wie die Autorin Gefühle entdeckt! Nicht indem August seine eigenen Emotionen schildert. Sondern indem er den Schreck, die Angst, das Mitleid anderer an einem Blick, einem falschen Lachen wahrnimmt und seine trockenen Kommentare dazu macht. Seine Einsamkeit, seine Wut, seinen Schmerz zeigt er kaum, Pathos erlaubt er sich nur in fröhlichen Momenten!
Kinder- und Jugendbücher erzählen immer öfter von Tabuthemen, von Krankheit und Tod zum Beispiel. Sie sparen auch drastische Details nicht aus. Raquel J. Palacios "Wunder" ist ein literarisches Ereignis, ähnlich wie Sally Nicholls’ "Wie man unsterblich wird". Weil es ein Kind in einer absoluten Ausnahmesituation schildert, die unabänderbar ist, aber auch viele Kräfte freisetzt – in August, seinen Eltern, seinen Freunden und auch in seinen Lesern. "Wunder" macht Mut und Hoffnung auf einen freundlicheren Umgang mit Außenseitern jeder Art.
"Kleiner Mann" wird August am Schluss liebevoll von vielen genannt, aber eigentlich wissen alle, dass er der Größte ist. Es wäre spannend zu erfahren, wie es mit August weitergeht, wenn er 15 Jahre alt ist und sich zum ersten Mal verliebt!
Besprochen von Sylvia Schwab
Raquel J. Palacio: Wunder
Aus dem Englischen von André Mumot
Carl Hanser Verlag, München 2013
381 Seiten, 16,90 Euro, ab 10 Jahren