Keine Angst vor kleinen Fehlern
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Eine Frau, ein Klavier: Das ist die Sängerin Anna Depenbusch. An ihrem 100 Jahre alten Flügel entstehen Lieder über das pralle Leben, Episoden aus dem Alltag. Für ihr Album "Echtzeit" hat sich die Liedermacherin etwas Besonderes ausgedacht.
Ohne "Frau Rachals" läuft bei Anna Depenbusch gar nichts. Keine Musik würde die Liedermacherin ohne sie komponieren. Dabei ist die "Dame" schon 100 Jahre alt. Aber wer bitteschön ist "Frau Rachals"?
"Frau Rachel ist mein alter Flügel", antwortet Anna Depenbusch. "Sie wurde in Hamburg gebaut, von einer Firma die Rachals heißt. Ich musste sie auch richtig restaurieren. Ich liebe diesen Flügel."
"Es wird kleine Fehler geben"
Gerade steht Anna Depenbusch kurz vor der Aufnahme eines neuen Albums. "Echtzeit" wird es heißen. Der Titel ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn die Stücke sollen in Echtzeit auf Vinyl eingespielt werden.
Eine Aufnahme, die eigentlich keine Fehler erlaubt, die zudem auf Platte aufgenommen wird, warum tut man sich das an?
"Ich finde es sehr zeitgemäß. Man kann nichts mehr daran machen. Wir machen doch ständig an allem immer was, optimieren. Und wo führt das hin? Wir fühlen uns alle so ein bisschen überfordert von diesem ganzen Optimierungswahn. Ich finde das eigentlich schön, da jetzt auch mal so ein bisschen gegenzusteuern. Es wird kleine Fehler geben, aber die müssen drauf sein."
Überraschend erscheint nicht nur die Art der Aufnahme. Beschäftigt man sich intensiver mit den Liedern des neuen Albums, trifft man auch auf einen Physiker. Wolfgang Pauli, 1945 erhielt er den Nobelpreis.
Fasziniert von Quantenphysik
"Ein Quantenphysiker, der auch in Hamburg gelebt hat, ein wildes Leben gelebt hat. Auf der Reeperbahn sich also wirklich die Nacht vertrieben hat, dann direkt morgens unterrichtet hatte", erzählt Anna Depenbusch. Sie nannte das Lied für Wolfgang Pauli passenderweise "Schlaflied für Pauli".
Auch ein Stück über die Mathematikerin Emmy Noether wird auf der neuen Platte zu hören sein: "Ich bin fasziniert von Wissensshows, Wissenschaftsgeschichte. Also so die 20er-Jahre, wo so viel passiert ist in der Physik, mit der Quantenmechanik. Ich bin da inspiriert und begeistert. Und ja, ich schau mir Vorträge an und spreche mit Leuten."
Ihr Interesse für Physik entwickelte sich erst später, das für die Musik wurde ihr praktisch in die Wiege gelegt. Schon in der Schulzeit stand für Anna Depenbusch fest: "Ich werde Musikerin."
Bei Udo Lindenberg in der zweiten Reihe
Erste Auftritte hatte die gebürtige Hamburgerin in einem Nachtclub auf der Reeperbahn.
Später war sie auch Backgroundsängerin bei Udo Lindenberg: "Ich bin da angetreten, um zu lernen. Das ist wunderbar aus der zweiten Reihe sich das anzugucken, wie das funktioniert, große Shows, große Tourneen. Ist das überhaupt was für mich? Das ist wirklich Handwerk lernen, Berufsalltag lernen. Das kann ich nur jedem empfehlen."
Inzwischen hat die 42-Jährige ihr eigenes Plattenlabel gegründet. Eine durchaus mutige Entscheidung in einer Zeit, in der sich auch die Musikbranche stark verändert. Aber nach wie vor von Männern dominiert wird?
"Na klar ist es männerdominiert", sagt Anna Depenbusch. Bei der Gründung des Labels habe sie aber sehr positive Erfahrungen gemacht:"Also mich haben tolle Männer unterstützt, mich auf meinem Weg begleitet, mich motiviert. Und was ich ganz toll finde, also im Studio, als Produzentin. Da bereichern sich Männer und Frauen so wahnsinnig. Es wäre schade für alle Männer, nicht die Frauen auch produzieren zu lassen. Und umgekehrt."
(ful)