Liedgut vor dem Vergessen retten
Noch zu DDR-Zeiten wurde der Chor gegründet - und bis heute spielen Arbeiterlieder im Repertoire eine wichtige Rolle. Doch um Nostalgie geht es den Mitgliedern des Berliner Ernst Busch Chors nach eigener Aussage nicht.
"Der Ernst Busch Chor ist ein Chor, der seinem Namenspatron verpflichtet ist. Das war ein Sänger und vor allen Dingen auch Schauspieler. Also ein richtiger Künstler des 20. Jahrhunderts. Und war mit der Arbeiterbewegung sehr eng verbunden. Der Frieden stand bei Ernst Busch immer im Mittelpunkt."
Ursula Joseph, die Vorsitzende des Berliner Ernst Busch Chors. Die 75-Jährige ist seit zehn Jahren mit Herzblut dabei. Heute ist Mittwoch, Probentag. Knapp 40 der 77 aktiven Sängerinnen und Sänger haben sich in einem großen Saal der Zeitung "Neues Deutschland" versammelt. Sie sind zwischen 48 und 86 Jahre alt.
"Im Mittelpunkt unseres Repertoires stehen Bach, Mozart, Beethoven. Aber vor allen Dingen auch Friedenslieder. Volkslieder, sowie internationale Arbeiterlieder. Und damit kommen wir ganz gut über die Runden."
Seit 15 Jahren ist der Diplommusikwissenschaftler Kurt Hartke der Chorleiter. Vorher war er Musikchef beim Soldatensender der NVA und später in der Kulturabteilung im Ministerium für nationale Verteidigung in der DDR. Bis 1989 Schluss war, wie er sagt.
Der 75-jährige hat schneeweiße Haare, hält in der Hand einen Block. Darauf hat er sich die Reihenfolge der Lieder für die zweistündige Probe mit Bleistift notiert. Der Chor ist zu seinem Lebensmittelpunkt geworden.
"Naja, ich mache alle Chorbearbeitungen und richte alles für den Chor ein. Das ist ja ein Seniorenchor, ich muss viele Dinge transponieren, also das heißt, runter setzen und Sätze neu bearbeiten. Neu schreiben und auch kleine Lieder selbst für den Chor mitmachen."
Ursula Joseph: "Da singen wir sehr gerne ein Kinderlied. 'Kinder sind schön wie der Morgen'. Traumhafte Melodie. Einschmeichelnd."
Die eigenen Konzerte sind schnell ausverkauft. Bereits im November gab es keine der 1000 Karten mehr für die beiden traditionellen Januarkonzerte. Insgesamt tritt der Chor in jedem Jahr auf vier eigenen Veranstaltungen auf.
1973 wird der Chor gegründet, schon damals von Senioren. Zehn Jahre später erhält er seinen Namen: Ernst Busch Chor. Seitdem gibt es immer um die 80 aktive Sängerinnen und Sänger. Um den Nachwuchs macht man sich hier keine Sorgen. Einzige feste Regel: Die Texte müssen auswendig gelernt werden.
Kurt Hartke: "Zu uns kann jeder kommen. Wir haben keine Aufnahmeprüfungen gemacht. Wir haben zwar Stimmbildung, wo dann im Nachhinein die Stimmen getestet werden, ob sie in der Stimmgruppe richtig sind."
"Wenn Sie sich bei uns melden, wir brauchen vor allem Tenöre! Gute Tenöre! Ich bin Hartmut Lauterbacher vom Ernst Busch Chor. Ich bin eigentlich ein Bass, aber jetzt singe ich Tenor, weil wir mehr Tenöre brauchen."
Hartmut Lauterbacher ist einer der Jüngsten im Chor. Er ist 62 Jahre alt. Über einen Bekannten ist der Frührentner vor eineinhalb Jahren dazugekommen. Wie er sind die Meisten nicht nur der Musik wegen hier. Der soziale Rückhalt spielt eine enorm wichtige Rolle, sagt auch Tenor Hans Joachim Golneck. 73 Jahre alt, seit 1998 im Ernst Busch Chor. Man sei unter Gleichgesinnten.
"Für viele, die auch alleinstehend sind und die gerade im Alter dann auch unter Einsamkeit leiden und Ähnlichem. Und wir machen auch sehr viel für die Chormitglieder, neben dem Singen."
So wie die Chorfahrten. Das Ziel ist es, sich fernab von den Proben kennen zu lernen. Wer singt da eigentlich neben mir? Hans Joachim Golneck meint, da werde man oft überrascht, was für Lebenslinien manche hinter sich hätten.
Der Chor muss sich oft die Kritik gefallen lassen, in einer gewissen DDR-Nostalgie zu verharren. Die ehemalige Juristin Ursula Joseph wehrt das ab. Der Chor habe es sich einfach zur Aufgabe gemacht, diese Lieder nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
"Wir haben ein Liederrepertoire, was einfach zur Musikliteratur gehört. Wenn es eben um Texte geht, die sich der Arbeiterbewegung gewidmet haben, dann soll man sie totschweigen - und das machen wir nicht!
Wir sind kein Parteichor. Es ist nicht so, dass wir die DDR glorifizieren. Dass wir in Nostalgie verfallen. Natürlich haben wir auch eine kritische Haltung zur DDR. Unsere Biografien lassen wir uns nicht wegnehmen. Unsere Biografien haben wir gelebt! Aktiv! Da ist es nicht möglich, dass wir jetzt nun zu unserer Biografie nun eine ganz kritische Haltung nehmen sollen."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC)stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
Ursula Joseph, die Vorsitzende des Berliner Ernst Busch Chors. Die 75-Jährige ist seit zehn Jahren mit Herzblut dabei. Heute ist Mittwoch, Probentag. Knapp 40 der 77 aktiven Sängerinnen und Sänger haben sich in einem großen Saal der Zeitung "Neues Deutschland" versammelt. Sie sind zwischen 48 und 86 Jahre alt.
"Im Mittelpunkt unseres Repertoires stehen Bach, Mozart, Beethoven. Aber vor allen Dingen auch Friedenslieder. Volkslieder, sowie internationale Arbeiterlieder. Und damit kommen wir ganz gut über die Runden."
Seit 15 Jahren ist der Diplommusikwissenschaftler Kurt Hartke der Chorleiter. Vorher war er Musikchef beim Soldatensender der NVA und später in der Kulturabteilung im Ministerium für nationale Verteidigung in der DDR. Bis 1989 Schluss war, wie er sagt.
Der 75-jährige hat schneeweiße Haare, hält in der Hand einen Block. Darauf hat er sich die Reihenfolge der Lieder für die zweistündige Probe mit Bleistift notiert. Der Chor ist zu seinem Lebensmittelpunkt geworden.
"Naja, ich mache alle Chorbearbeitungen und richte alles für den Chor ein. Das ist ja ein Seniorenchor, ich muss viele Dinge transponieren, also das heißt, runter setzen und Sätze neu bearbeiten. Neu schreiben und auch kleine Lieder selbst für den Chor mitmachen."
Ursula Joseph: "Da singen wir sehr gerne ein Kinderlied. 'Kinder sind schön wie der Morgen'. Traumhafte Melodie. Einschmeichelnd."
Die eigenen Konzerte sind schnell ausverkauft. Bereits im November gab es keine der 1000 Karten mehr für die beiden traditionellen Januarkonzerte. Insgesamt tritt der Chor in jedem Jahr auf vier eigenen Veranstaltungen auf.
1973 wird der Chor gegründet, schon damals von Senioren. Zehn Jahre später erhält er seinen Namen: Ernst Busch Chor. Seitdem gibt es immer um die 80 aktive Sängerinnen und Sänger. Um den Nachwuchs macht man sich hier keine Sorgen. Einzige feste Regel: Die Texte müssen auswendig gelernt werden.
Kurt Hartke: "Zu uns kann jeder kommen. Wir haben keine Aufnahmeprüfungen gemacht. Wir haben zwar Stimmbildung, wo dann im Nachhinein die Stimmen getestet werden, ob sie in der Stimmgruppe richtig sind."
"Wenn Sie sich bei uns melden, wir brauchen vor allem Tenöre! Gute Tenöre! Ich bin Hartmut Lauterbacher vom Ernst Busch Chor. Ich bin eigentlich ein Bass, aber jetzt singe ich Tenor, weil wir mehr Tenöre brauchen."
Hartmut Lauterbacher ist einer der Jüngsten im Chor. Er ist 62 Jahre alt. Über einen Bekannten ist der Frührentner vor eineinhalb Jahren dazugekommen. Wie er sind die Meisten nicht nur der Musik wegen hier. Der soziale Rückhalt spielt eine enorm wichtige Rolle, sagt auch Tenor Hans Joachim Golneck. 73 Jahre alt, seit 1998 im Ernst Busch Chor. Man sei unter Gleichgesinnten.
"Für viele, die auch alleinstehend sind und die gerade im Alter dann auch unter Einsamkeit leiden und Ähnlichem. Und wir machen auch sehr viel für die Chormitglieder, neben dem Singen."
So wie die Chorfahrten. Das Ziel ist es, sich fernab von den Proben kennen zu lernen. Wer singt da eigentlich neben mir? Hans Joachim Golneck meint, da werde man oft überrascht, was für Lebenslinien manche hinter sich hätten.
Der Chor muss sich oft die Kritik gefallen lassen, in einer gewissen DDR-Nostalgie zu verharren. Die ehemalige Juristin Ursula Joseph wehrt das ab. Der Chor habe es sich einfach zur Aufgabe gemacht, diese Lieder nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
"Wir haben ein Liederrepertoire, was einfach zur Musikliteratur gehört. Wenn es eben um Texte geht, die sich der Arbeiterbewegung gewidmet haben, dann soll man sie totschweigen - und das machen wir nicht!
Wir sind kein Parteichor. Es ist nicht so, dass wir die DDR glorifizieren. Dass wir in Nostalgie verfallen. Natürlich haben wir auch eine kritische Haltung zur DDR. Unsere Biografien lassen wir uns nicht wegnehmen. Unsere Biografien haben wir gelebt! Aktiv! Da ist es nicht möglich, dass wir jetzt nun zu unserer Biografie nun eine ganz kritische Haltung nehmen sollen."
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC)stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.