Lifestyle

Ganz ohne Tier

Veganes Essen aus Linsen, Kürbis, Zwiebeln und Tomaten
Veganes Essen aus Linsen, Kürbis, Zwiebeln und Tomaten © picture alliance / ZB / Jens Kalaene
Von Isabella Kolar |
Ganz ohne Schmerzen ging es nicht: Nach drei Monaten als Veganerin fielen unserer Autorin Isabella Kolar die Haare aus. Dennoch ist sie überzeigt: Für die Tiere verzichtet sie auf Fleisch und Milchprodukte.
Das ist Sascha. Einer meiner beiden schwulen Nymphensittiche. Ich liebe Tiere, schon immer. Als Kind wünschte ich mir sehnlichst einen Hund, bekam stattdessen einen Kanarienvogel zum sechsten Geburtstag. Dass man nicht nur Kanarienvögel und Nymphensittiche, sondern auch Rinder, Schweine und Hühner nicht verspeisen sollte, dämmerte mir erst 40 Jahre später.
Ostern - als die Kalbshaxe knusprig und angenehm duftend in meinem Ofen brutzelte, wurde zu meinem Erweckungserlebnis und zum letzten Fleischbissen in meinem Leben. Haben das Kalb und seine Mutter das wirklich gewollt? Ist es nicht viel zu jung gestorben und unter welchen Umständen hat es gelebt?
Und sind meine Vögel in Gefangenschaft wirklich glücklich? Gut sie fliegen immer frei, aber trotzdem, ihre Heimat Australien ist natürlich etwas größer als mein Wohnzimmer. Ich las die Bücher von Karen Duve und Jonathan Foer "Anständig essen" und "Tiere essen" und später von Hilal Sezgin "Artgerecht ist nur die Freiheit". Nein, beschloss ich danach, ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass Tieren gewaltsam das Leben genommen wird, ob Bio oder nicht Bio.
Erst aß ich nur noch Beilagen, später entdeckte ich dann Tofu, Soja, Saitan und Tempeh. Und seit einigen Monaten bin ich nicht nur vegetarisch, sondern auch noch vegan. Okay, ich trage noch meine alten Lederschuhe auf, aber sonst…
Soja-Pfeffersteak löst Brechreiz aus
Der Eingang des ersten veganen Vollsortiment-Supermarkts Europas "Veganz" in der Schivelbeiner Straße in Berlin-Prenzlauer Berg.
Der Eingang des ersten veganen Vollsortiment-Supermarkts Europas "Veganz" in der Schivelbeiner Straße in Berlin-Prenzlauer Berg.© picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Vegan werden heißt erst mal Experimentieren und jede Menge Geld in die Tonne treten, denn nicht alles, was im Supermarktregal von Veganz, dem veganen Berliner Supermarkt, gut klingt, schmeckt auch. Das Steak Provencale, das weiß ich, ist prima, aber das vegane Soja-Pfeffersteak für 5.99 da vorne in der "Fleischersatztheke" zum Beispiel, löst bei mir nur Brechreiz aus. Da wird die blasse junge Verkäuferin Maria noch blasser:
"War nicht so gut? Hmhm. Okay. Na ja, das ist Geschmackssache, persönliche Erfahrungen, es kommt auch unterschiedlich an. Also die Ente hätte ich zum Beispiel eher empfohlen als das Pfeffersteak. Die ist einfach ein bisschen besser gelungen und das Pfeffersteak ist vielleicht ein bisschen spezieller, also es spricht nicht so eine große Bandbreite von Publikum an und die Ente ist irgendwie so ein Klassiker, da kamen bisher nur gute Rückmeldungen und mir schmeckt sie auch, die ist einfach ein gutes Produkt."
Ich weiß noch nicht, ob mich die originalgetreu aus Soja-Eiweiß nachgeformte Entenbrust überzeugt, zu Weihnachten gäbe es auch einen kompletten Truthahn, legt Maria nach. Auf der Flucht von der Fleischersatztheke stecke ich mir zwei Glas Löwenzahnhonig ein, zwei Mal Sojamilch Vanille und einmal die leckere Mandelmilch für 2,20 Euro den Liter. In konzentrischen Kreisen nähere ich mich der Käseersatztheke, das Regal des Grauens, Käseersatzprodukte brrrrrrr, und das wo ich Käse doch so liebe!
"Ja, Käse ist tatsächlich auch sehr schwierig. Das ist immer so die letzte Bastion der Vegetarier vor dem Veganismus, also viele können auf Käse einfach nicht verzichten. Wenn das dann nicht den persönlichen Geschmack trifft, dann kann man da leider auch nicht mehr viel machen. Also wir haben da nicht viele Ausweichmöglichkeiten, es gibt nicht viele Produkte auf dem Markt. Letzte Konsequenz wäre natürlich im idealsten Sinn, ganz auf Käse zu verzichten."
Nein, Maria wird nicht verhindern können, dass ich ab und zu nachts heimlich zum Kühlschrank schleiche, um ein winziges Stück Ziegen- oder Schafskäse zu schnabulieren.
Zu Hause angekommen, räume ich meine Einkäufe in den Kühlschrank, lasse den Räuchertofu und die Kidney-Bohnen aber gleich draußen stehen. Für meine vegane Hausmacherleberwurst! Ein Hit auch für Nicht-Vegetarier! Denn, neben dem Käse war das das Härteste von allem: auf die geliebte Leberwurst zu verzichten.
Nach drei Monaten fielen die Haare büschelweise aus
Ansonsten fehlt mir nix. Außer ein paar Haare vielleicht. Nach drei Monaten vegan leben gingen die büschelweise aus. Und ich bekam offene Mundwinkel. Viele Arztbesuche und einige Blutanalysen später weiß ich, dass das nicht etwa Eisenmangel, nicht Vitamin B-, sondern Zinkmangel war.
Ich habe jetzt eine Tablettenbatterie, die größer ist als die, die meine Oma zuletzt hatte: Ich schlucke B12 - muss man als Veganer -, Zink, Biotin, Vitamin B6 sowie Vitamin D. Nein, ich werde jetzt nicht in ein saftiges blutiges Steak beißen, weil sich dann alle meine Probleme in Luft auflösen werden. Danke, liebe Freunde, für Eure gut gemeinten Ratschläge:
Haide hat gesagt:"Hast Du auch an Deine Klimabilanz gedacht, Du fliegst doch nicht etwa noch?"
Margarete hat gesagt: "Tiere im Schlachthof sind ja schön und gut, aber hast Du auch an die schlimmen Bedingungen gedacht, unter denen Schlachthofmitarbeiter schuften müssen?
Da ich keine Kuhmilch mehr trinke, muss ich Kalzium über Gemüse und Wasser zu mir nehmen. Also ab zum Getränkehändler meines Vertrauens. Das Heilwasser "Sankt Margarete" ist mit 628 mg pro Liter eine wahre Kalziumbombe, doch Herr Hoffmann warnt :
"… weil es nicht nur Kalzium sehr hoch hat, sondern eben auch andere Inhaltsstoffe, die auf Dauer und als Durstlöscher gesehen nicht unbedingt förderlich sind für den Körper. Es hat Sulfate, es hat Sulfide, es ist ein Heilwasser und kein Mineralwasser. Sie könnten Durchfall bekommen, Sie könnten Magenschmerzen und Krämpfe bekommen und und und."
Doch, doch, doch mir geht es gut, wirklich!
Ich fühl mich fein,
denn mein Gewissen ist rein.
Ob mit Durchfall oder Krampf,
Ich fechte für das Tier den Kampf.
Aber, eine Frage bleibt: Was mach` ich mit meinen Vögeln?
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